Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

2/29/2004   Aethiopien / Scrupa, 40 km vor Yavello

Rote Schlote

Ich kaempfe mich durch den Sueden des Landes

(Harald) Heute morgen hat ein Gast des Hotels in den Vorraum der Toilette seinen Gruss gelegt. Die Aethiopier machen es einem wirklich nicht leicht, sie zu moegen.

Um 4.30 weckte der oertliche Muezzin mit einem heiseren “Allahu akbar” auch die Christen und um 5.30 Uhr wetteifert der orthodoxe Priester mit auf- und abschwellendem Singsang. Ersterer begnuegt sich mit etwa drei Minuten, Letzterer haelt sich eine Stunde dran. Das spiegelt auch in etwa die oertlichen Machtverhaeltnisse wieder.

Es ist auch hier wegen der Fastenzeit nur schwerlich an Fleisch zu kommen. Man ist trockenes Brot oder Fettgebackenes, wie z.B. dreieckige Teigtaschen, die mit scharfgewuerzten Linsen gefuellt sind.

Wirklich frei ist niemand bei der Entscheidung, zu fasten oder nicht, denn der Chef, die Nachbarn, der Freund, die Eltern- jeder uebt Gruppendruck aus: Wenn ich faste, sollst du es auch nicht leichter haben. Ich jedenfalls organisiere mir mit Hilfe meines Guides Tibs, schwach gewuerztes Fleisch, sowie Ei und Indschera.

Ich intensiviere meinen Kampf gegen die Floehe, den ich bis Moayale gewinnen will.

Um 9.30 Uhr fahre ich los. Am Ortsausgang sagt mir ein Mann den aethiopischen Gruss: “F…you!” Ich springe vom Rad, morgens bin ich leicht reizbar. Ich reisse ihn zu Boden und verpasse ihm eine Watschen auf den Hinterkopf- ich meine, was soll ich denn machen? Die Polizei rufen, ihn verklagen wg. Beleidigung? Oder so tun, als habe ich nichts gehoert? Die wissen, dass ichs gehoert habe und ich bin einfach nicht gewillt, mich staendig widerstandslos beleidigen zu lassen. Der Mann wehrt sich nicht, Glueck fuer mich, denn er und seine zwei Kumpel haetten mich leicht durch die Mangel drehen koennen.

Als er da am Boden liegend stammelt “I don’t know”, tut er mir ploetzlich leid. Sagt er das, weil er mich nicht versteht, was ich zornig schimpfe, oder weiss er garnicht, was er daherplappert?

Als ich weiterfahre sehe ich einen Blutstropfen auf meiner Hose und wie ich nach Ueberpruefung feststelle, stammt er nicht von mir. Jetzt habe ich fast Gewissensbisse.. Aber letztlich muessen diese Leute begreifen, dass man auf den Gruss “Salam” (Frieden) nicht so antwortet.

Ich erreiche das Dorf, indem ich vorgestern so aggressive Kinder um mich hatte. Ich bitte einen etwa 20-jaehrigen mich zu schuetzen. Wir gehen 500 Meter zusammen, eine Traube von 20 Kindern laesst sich auch heute nicht abschuetteln, darunter zwei der Vorlautesten, die ich noch sicher erkenne. Wie sich herausstellt, ist einer der juengere Bruder meines Guides, der selbst eine grosse Klappe hat. Obwohl ich mich bewusst der Freundlichkeit befleissige, scheinen die Jungs nur auf diesen Moment gewartet zu haben. Ihnen ist natuerlich klar, dass ich ihretwegen um Schutz gebeten habe und deshalb fuehlen sie sich noch staerker. Es geht das gleiche Theater wieder los, mein Guide kann selbst seinen juengeren Bruder nicht stoppen. Affengrunzen- wieso meinen sie mich als Affen darstellen zu muessen? Weil ich nicht ihre Sprache spreche und daher dumm sein muss? Gekreische, Kopulationsgestik. Durch den Wald geschuetzt rennen sie, aus heiserer Kehle kreischend, rechts und links umher. Mich juckt es gewaltig, dem schlimmsten Kerl den Weg abzuschneiden und der Guide fordert mich sogar dazu auf. Aber heute will ich so nicht noch einmal mein Muetchen kuehlen.

Schliesslich geben sie, wie schon vorgestern, am Kamm auf. Mein Begleiter ist mit 2 Birr nicht zufrieden und will noch mein T-Shirt haben, dass zum trocknen auf dem Rucksack liegt. Nee- soviel haste nich jeleistet, mein Lieba!

Nach 25 km geht es 100, 200 m bergab und schlagartig wird es waermer und die Vegetation aendert sich. Akazienbuesche und Termitenbauten erscheinen. Die Erde ist tief-siennarot und die 4-5 Meter hohen Schlote sehen wie bizarre Kunstwerke aus. Die Termiten sind nahe Verwandte der Ameisen, leben aber ausschliesslich unter Erde und sind nur nachts zu sehen, wenn sie den Bau erweitern, der ihnen Luft und Kuehlung verschafft, denn die Schlote sind hohl und organisch gewundene Gaenge leiten den vorbeistreichenden Wind in die Tiefe.

Ich erreiche Fintschewa, kaufe 2 Liter Wasser und Kekse. Meine Bauchkraempfe halten an und ich habe kaum Appetit.

Das naechste Dorf ist 25 km entfernt, dort kann ich wieder Wasser kaufen, nur nicht zuviel aufladen.

Unter einer Akazie mache ich eine Stunde Pause, esse Kekse. Nie gehoerte Vogelstimmen erschallen ringsum, Ziegen doesen einsam im Schatten und der Hitze des Nachmittags. Ich sehe erstmals runde Grastukuls, die mich an Hogans der nordamerikanischen Indianer erinnern. Ich bin jetzt in einem spaerlich bewaldeten Huegelland.

Ich habe mein Wasser ausgetrunken, als ich das Dorf Scrupa erreiche. Auch hier etwa 30 Kinder der dritten Art. Herrisch, frech, ohne Gruss, befehlen sie mir Wasser, Schuhe, T-Shirt, Kekse und Geld herzugeben. Mehrfach versuchen sie Reissverschluesse zu oeffnen, um zu stehlen. Wieder bitte ich drei entgegenkommende junge Frauen um Hilfe und diesmal klappt es- man laesst mich, wenn auch hoehnisch groelend, ziehen.

Ob dieses Empfangs will ich nicht ins Dorf fahren, das etwa 500 Meter links der Strasse auf einem Huegelkamm liegt, um Wasser zu kaufen. Ich fahre ein paar Kilometer weiter, frage nach der naechsten Ortschaft namens Yavello. 40 km- das schaffe ich nicht mehr, schon garnicht ohne Wasser. Es ist schon 17 Uhr und ich bin durstig und muede.

Also bitte ich an einem kleinen, palisadenumzaeunten Hof um Wasser. Ich trinke das Wasser mit gemischten Gefuehlen. Das Gespraech mit dem Sohn des Hofbesitzers endet mit einer Einladung zur Uebernachtung im Hof im Zelt. Dort verwoehne ich Hund und Katzen, trinke auf meinen Wunsch frische Milch, die man fuer mich abkocht.

Die Nacht ist ruhig, ich schlafe gut.

geschrieben am 26.3. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope