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Reisetagebuch

3/2/2004   Aethiopien / kurz hinter Melbena

Vanilleeistuerme

Wie ich Aethiopien finde?

(Harald) Eine ruhige Nacht, nur ein paar Hyaenen in der Naehe, ein sternenklarer Himmel, Abkuehlung erst am Morgen.

Morgens: “You!” Tja, welcome to Ethiopia- es ist 6.30 Uhr, die Sonne noch nicht aufgegangen. Ich muss zweimal sagen, dass ich nicht reden will, weil sie eh nur betteln wollen. Dann ziehen sie ab. Aber es dauert nicht lange und die naechsten kommen, bald steht ein Dutzend ums Zelt herum. Und wie immer wird gebettelt, ein Staat von Bettlern. Ein aethiopischer Minister hat vor einiger Zeit Betteln scherzhaft zu einem Wirtschaftszweig erklaert.

Aber heute bin ich gutgelaunt, unterhalte mich, mache Scherze und bastle mir eine Fliegenhaube aus dem Kopfende meines Jugendherbergsschlafsacks, den ich schon 1998 fuer meine erste groessere Radtour nach Marseille gekauft hatte. Damit sehe ich wie ein Gespenst aus, aber einhaendig zu fahren, weil ich dauernd die Gesichtsfliegen wegscheuchen muss, die sich gezielt in Nasenloecher, auf Augen und Lippen setzen, ist auch keine Loesung. Zwei Loecher fuer die Augen geschnitten, Ralphs tolle Staubbrille deckt sie ab- fertig. Jetzt koennen sie von mir aus kommen, die Plagegeister.

Ich fruehstuecke im 2 km entfernten Ort eine Teigtasche mit Linsen, trinke Tee und kaufe Wasser.

Hinter dem Dorf wird es immer trockener, duerrer. Im naechsten Weiler trinke ich nach 17 km eine Pepsi und kaufe Kekse. In einem unbewachten Moment wird dabei mein Tachometer zerdrueckt. Er hat mich seit Bulgarien begleitet, aber jetzt ist die Anzeige fehlerhaft.

Dann geht es bergauf, in die vor mir liegende Bergkette, etwa 300-400 Hoehenmeter. Hier oben ist alles kahlgeschlagen. Eine kleine, zerfallene Feste, eine Burg in Afrika, lockt mich vom Rad. Drinnen bewirft ein gelangweilter Hirtenjunge gerade seine Ziegen mit Steinen. Beim Anblick des rot-bebrillten Gespenstes rennt er schreiend davon.

Ich erreiche Mega, eine Siedlung in der kleinen Bergruppe vor der Ebene vor Moyale. Ein paar neue Steinlagerhaeuser, hier gibt es auch noch ein paar Buesche und Baeume. Drei junge Maenner in einem Lokal kauen ausgiebig Tschatt, einer ist schon ganz weggetreten, eingetruebt, schaut aus kleinen Augen, ein anderer redet wie ein Wasserfall. Sie wollen ueber Aethiopien sprechen- wie so viele ihrer Landsleute. Ihnen sind die Probleme des Landes klar. Auch sie fragen mich, wie es fuer mich sei, durch dieses Land zu reisen. Was soll ich sagen? Hut gestohlen, Kamera gestohlen, Geld gestohlen, Ralph die Schuhe, Essen und Wasser vom Rad gerissen, Stock in die Speichen gesteckt, Tacho zerdrueckt, Schutzblech zertreten, hundertfach belaestigt, viele Male betrogen, belogen, ausgenutzt, mit Steinen beworfen und beleidigt.. Und der Schmutz, die Floehe, die Magenprobleme, die Bettler. Ein alter Mann brachte es heute auf den Punkt: “You money”- du Geld. Mein Name sei Geld.

Nein, auch Einladungen waren selten in diesen drei Monaten. Jeder Gefallen muss hier bezahlt werden. Schwieriges Land eben, harte Menschen halt. Der Sprecher der Drei sagt, dass taete ihm leid.

Ich esse Spaghetti und Brot, kaufe Wasser und fahre zu spaet los. Es ist 16.30 Uhr. Laut Karte sind es 116 km bis Moyale. Ich schaffe noch 15 km. Es geht bergab, vor mir oeffnet sich eine Ebene. Hier werden viele Felder bestellt, das Land ist gruen und fruchtbar. Eine Missionsstation rechts der Strasse.

In langen Wellen geht es auf und ab, vornehmlich abwaerts. Dann wird es wieder trockener. Die Sonne geht unter, eine Landschaft wie ein Golfplatz tut sich auf. Hinter einem Wall liegt ein vor kurzem trocken gefallener Teich. Die Erde ist fast weiss, die Termitenbauten sehen wie Vanilleeistuerme aus. Mein Zelt ist hier bestens getarnt trotz Halbmondes.

Ich bin wieder gesund, meine Stimmung ist gut.

Beim Zeltaufbau hoere ich Stimmen, verharre, verberge mich, um nicht bemerkt zu werden. Das geht 2 Stunden so, dann ist Ruhe.

In der Nacht ruft eine Hyaene und Nachtvoegel zwitschern und gackern, ueber das Zelt fliegen Voegel und Fledermaeuse. Es ist wunderbar ruhig hier, Luftlinie 30 km von der kenianischen Grenze entfernt. Nur noch wenige Menschen wohnen hier, in 3 Stunden kommen nur zwei Autos vorbei.

Ich schaue zum Mond- dort oben, so weit entfernt, waren Menschen. Das ist Mut, so weit zu reisen, so einsam und gefaehrlich. Kein Notausgang, keine Ambulanz rettet dich da draussen.Andererseits weckt dich morgens auch keiner mit “You! Give the money!”

Heute habe ich etwa 70 km geschafft. Morgen will ich Moyale erreichen, kommt auf den Wind an.

geschrieben am 26.3. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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