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Reisetagebuch

3/7/2004   Kenia / Sololo

Erste Etappe, erster Sturz

Hinunter in die nordkenianische Wueste

(Harald) Ich bin seit drei Uhr, mit kurzen Unterbrechungen, wach. Ich habe zwar keine Schmerzen, spuere aber, da stimmt etwas nicht.

Die Crew ist seit einer Stunde dabei, dass Fruestueck fuer die Truppe vorzubereiten, als sie um 6 Uhr durch die Autohupe allgemeines Wecken ausloest. Um 6.50 gibt es neben dem Fruestueck wieder spitze Sprueche der Hollaender ueber uns beide Deutsche. Wenns denn gut tut und erleichtert, bitte schoen, denke ich.

Ich freue mich richtig auf den Tag, bin gespannt. Was fuer ein Unterschied, denn waere ich alleine, waere ich eher beunruhigt. Mein Reisefuehrer sagt, dass man den Norden Kenias nur durchfahren solle, wenn man lebensmuede sei. Bewaffnete Banden haben auf dem kommenden Abschnitt viele Reisende und Touristen ueberfallen und erschossen. Aber die Recherchen sind drei, vier Jahre alt und schon in Deutschland habe ich erfahren, dass die kenianische Armee entschlossen gegen diese, meist somalischen, Gangster, hier Schifta genannt, vorgegangen ist. Der letzte Ueberfall soll im Dezember 2002 stattgefunden haben. Der japanische Radfahrer vom Sinai hat hier den Bus genommen.

Beim Zeltabbau kommen die vielen Voegel im Gelaende bis auf Reichweite an mich heran. Am schoensten finde ich eine der beiden Starenarten, blau-metallic in der Sonne schimmernd, mit cognacfarbener Brust und quittegelben Augen.

Aufbruch um acht Uhr, Start im Ort. Bereits nach einer Minute sind die Semiprofis um Rob, Baard und Martin ausser Sicht und erreichen nach 80 km das Ziel bereits vor 11 Uhr- eine unglaubliche Leistung.

Es ist heiss, wird noch heisser, weil es erstmal permanent bergab geht, 15, 20 km lang. Die rote Landstrasse ist tief von Wassergraeben durchfurcht und von grossen Steinen druchsetzt, aber fest und gut befahrbar. Allerdings liegt auf der Oberflaeche eine feiner Film aus Kies, der ploetzliche Lenkbewegungen unmoeglich macht und beim Bremsen keinen Halt gibt. Ich bin schnell einer der Letzten mit meinem schweren Rad, nicht gewoehnt an das Fahren ohne Gepaeck, an die Geschwindigkeit, an das Fahren in einer Gruppe. Folgerichtig schaetze ich den Abstand zum Vordermann falsch ein und als eine aeltere Amerikanerin ploetzlich bremst, um Kamele zu fotografieren, stuerze ich. Es ist mein erster, richtiger Sturz der Reise und ohne die Handschuhe saehen meine Haende jetzt anders aus. So sind nur die Handflaechen der Handschuhe durchgescheuert und ein Knie und ein Ellbogen laediert.

Das You-You-Geschreie und das Betteln hat schlagartig und voellig aufgehoert. Was fuer ein Segen! Nur ein paar Meter zur Grenze, aber die Menschen verhalten sich ganz anders. Hier heisst es: “How are you?”(Wie geht es dir/ihnen). Es wird gewunken, viel gelacht. Ich liebe Kenia schon jetzt dafuer.

Um 10.45 Uhr, nach 40 km, das erste Dorf und kurze Mittagspause, das ist bei der Truppe stets auf der Haelfte der Strecke so ueblich. Der Erste ist schon am Ziel und hat keinerlei Pause gemacht. Die Profis nehmen meist auch nur einen halben bis einen Liter Wasser mit, dass reicht mit den inneren Reserven fuer drei bis vier Stunden.

Es sind nur sehr wenige Autos unterwegs, aber insgesamt ist es nicht so einsam, wie ich vermutet hatte.

Ich fahre natuerlich auch schnell, um nicht als Letzter anzukommen, denn selbst der Aelteste, Fred, ca. Mitte Sechzig und ein Ehepaar, ebenfalls um die Sechzig, sind mir streckenweise voraus. Fred ist ein alter Radprofi, mit abertausenden Kilometern Erfahrung. Er ist mit mir der Einzige, der sich gegen die Fliegen gewappnet hat, indem er sich ein Netz unter die Kappe gezogen hat und er hat einen Sonnenschirm dabei, falls er eine Panne und keinen Schatten hat.

Zwei oder drei Gelaendewagen der Polizei begleiten das einzige Radrennen, dass durch ganz Afrika fuehrt. Mittags geben die aelteren Fahrer auf, auch zwei Hollaender sind erschoepft, am Ende sitzen sechs Leute im Truck. Henry, der Tourchef, gibt erst kurz vor dem Ziel auf. An einem Hang taucht vor mir der braune Riese David auf, der sein Rad schiebt. “The flys are killing me, Im tiered”, sagt er voellig entnervt. Ja, die Fliegen sitzen auf meiner Brille so dicht, dass ich teilweise nichts mehr sehe. Fuer die Schnellsten, die mit ueber 25 km/h dahinfliegen, ist es nicht so schlimm. Wer aber mit 15 km/h faehrt, wird die Plagegeister nicht los, wedelt staendig mit einer Hand vor dem Gesicht herum.

David hat kein Wasser mehr, ich gebe ihm einen halben Liter ab und schiebe mit ihm den naechsten Hang hoch, aus Solidaritaet. Dann gebe ich wieder Gas.

Die Strecke ist jetzt sandig und immer mehr Wellblech stellt sich ein, der schlimmste Untergrund, den man sich vorstellen kann. Die regelmaessigen Bodenwellen schuetteln Rad und Fahrer derart durch, dass man sich kaum halten kann.

Jetzt ist die Temperatur auf etwa 41, 42 Grad im Schatten angestiegen und Schatten haben wir keinen. Der Schweiss laeuft mir am Bauch herab, sammelt sich in der Fuetterung der Radhose.

Am Abzweig nach Sololo, einem Dorf etwa 6 km rechts der Strasse, ist das Rennen zu Ende. Es ist 14.30 Uhr und an der Kreuzung gibt es ein kleines Restaurant, indem ich fortan stundenlang mit dem Aerztepaar, einem Kanadier und Henry sitze, denn im Camp gibt es keinen Schatten und im Zelt waere es jetzt unertraeglich heiss.

Im Lokal gibt es Tschapati, eine Art festen Pfannekuchen, leicht suess, sowie Mandasi, eine Art duennwandige Apfeltasche ohne Fuellung, zudem Szamoszas, die aus Aethiopien schon bekannten, kleinen, dreieckigen, fettgebackenen Taschen mit wuerziger Linsenfuellung. Dazu ein knorpeliger, aber wohlschmeckender Fleischeintopf- und die Welt ist wieder im Lot.

Spaeter gibt es im Camp dann noch ein gemeinsames Abendessen aus Reis mit Soja und ein Punsch aus Limonen und Ananasstuecken.

Rings um die zwei Trucks verstreut haben die Racer ihre Zelte aufgebaut, die Polizei wacht mit mehreren Leuten, die mit automatischen Gewehren bewaffnet sind, ueber unsere Sicherheit.

Im sanften, kuehlen Abendwind putze ich mein Rad und unterhalte mich. Das Rennen kostet komplett etwa 4000 Dollar, also derzeit etwa 3300 Euro. Hinzu kommen Hinflug nach Kairo und Rueckflug von Kapstadt aus, sowie der taegliche Eigenbedarf, Ausfluege und Veranstaltungen. Die ganze 100-Tage-Tour duerfte insgesamt 5500 bis 6000 Euro kosten. Da bin ich nun wirklich guenstiger unterwegs und erlebe mehr.

Meine Schmerzen sind staerker geworden.

geschrieben am 27.3. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 


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