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Reisetagebuch

3/15/2004   Kenia / 20 km hinter Merille

Erste-Hilfe-Satz gegen Loewenangriffe

Zeltplatz in der Wildnis neben einem Hyaenenbau

(Harald) Trotz Einladung bezahle ich mein Fruehstueck und nehme den guten Willen fuer die Tat. Der aeltere Sohn der Wirtin hilft mir, eine Vorderradspeiche ins Hinterrad zu pfriemeln, denn eine passende Speiche ist hier nicht zu bekommen. Die “Experten” fuers Fahrradfahren in Afrika rieten in den Reisefuehrern, nur ein 26-Zoll-Rad zu verwenden, weil dies die Felgengroesse sei, die es ueberall gaebe. Aber die meisten Raeder hier kommen aus Indien und China haben 28 Zoll. Zum Spannen der Speichen verwenden wir einfach eine Zange, dass geht auch. Jetzt kann ich die Hinterradbremse wieder verwenden.

Es ist schon 10 Uhr, als ich aufbreche. Hinter Laisamis ist die Strasse schlecht, vorallem Wellblech macht mir zu schaffen und es wird wieder heiss. Schwaerme von 50 und mehr Perlhuehnern fliegen auf, immer wieder sehe ich Erdhoernchen.

Jetzt wird es zunehmend gruener, die karge Wuestengegenden liegen endgueltig hinter mir. Der Baum- und Buschbewuchs nimmt zu, die ersten Graeser tauchen auf. Demgemaess gibt es auch mehr Voegel. Vorallem eine Art “Haubenhaeher”, ein komischer Vogel, grau-anthrazitfarben, etwa elsterngross, mit einer Art Feder-Punkhaube, der wie ein Papagei ueber Aeste laeuft und ein lautes Quaeken wie ein Baby von sich gibt, hat es mir angetan. Ein Augenschmaus sind auch die blau-schillernden Stare. Eine Art hat eine rostbraune Brust und gelbe Augen.

Der Wind bleibt intensiv, kommt stets aus Suedost, kuehlt. Nach 22 km erreiche ich Merille, ein Rendille-Dorf voller traditionell gekleideter Menschen. Alles ist rot und pinkfarben, dazu reichlich Schmucknarben auf den Baeuchen und Armen, jeder Mann traegt Speer, Keule und Schwert.

Im Hotelrestaurant erzaehlt man mir, dass die Leute oft den Wert von Geld nicht kennen und hier die Scheine vorzeigen und fragen, ob sie genug Geld fuer ihre Ziege bekommen haetten.

Zwei junge Rendille betreten das Lokal. Sie tragen hellruene Halsketten, aeusseres Zeichen dafuer, dass sie noch unbeschnitten sind. Nur alle 10-15 Jahre wird eine grosse Beschneidungszeremonie und -feier abgehalten, bei der auf einen Schlag viele Maenner beschnitten werden. Hoehepunkt der Feier sind die Taenze und die Beschneidung selbst. Vor den argwoehnisch lauernden Augen der Maedchen stellen sich die Maenner, oft schon ueber 20 Jahre alt, breitbeinig auf und der Beschneider trennt den vorderen Kranz der Vorhaut mit einem Messer ab. Alles ohne Betaeubung. Hierbei muessen die Knaben und jungen Maenner auf ihre maltraetierten Penisse schauen. Wer zittert, zuckt, die Augen verdreht, irgendwie Angst oder Schmerz zeigt, gilt als Memme, wird bespuckt und mit Steinen beworfen, es sind schon oft solche “Feiglinge” gesteinigt worden.

Die unbeschnittenen Maedchen duerfen keine Ohrringe tragen, die unverheirateten, aber beschnittenen tragen Kupferohrringe, die verheirateten messingfarbene.

Wieder werde ich auf 2-Pac und andere “Gangstas” angesprochen. Das die Jungs Banden angehoerten, die mit Drogen dealen, Waffen handeln, Prostituierte zwingen und Menschen erschiessen, sieht man nicht so eng: “Sicher, ja, aber…” Fuers Foto fuchteln sie dann wieder so richtig ghetto-schwarzenmaessig mit den Armen herum: “Hey, yeah, whats up man?”

Auch hier versucht man mich mit der “Loewennummer” zum Bleiben zu ueberreden. Aber ich lasse mich nicht bange machen, dass Wetter ist klasse, aber der Regen wird kommen und dann haenge ich im Schlamm fest.

Nach einem reichlichen Mahl breche ich um 17 Uhr auf, fahre noch 20 km und gehe dann rechts der Strasse etwa 50 Meter in die Buesche, bereite einen Zeltplatz vor. Es wird dunkel. Neben dem Zelt ein wahrscheinlich verlassener Hyaenenbau, wie man an der Groesse des Zugangs erkennen kann. Nur in den Erdhoehlen sind die Jungen vor Feinden, wie z.B. Leoparden sicher.

Wegen der latenten Gefahr einer naechtlichen Ueberraschung bereite ich alles fuer einen Ernstfall vor. Ich baue auch das Aussenzelt auf, um mehr Platz zu haben, unsichtbar agieren zu koennen, spanne als Fussangeln alle Windleinen auf, um den begehbaren Freiraum zu begrenzen, auch die Waescheleine ziehe ich zwischen zwei Baeumen in etwa 60 cm Hoehe aus. Das Fahrrad stelle ich aufrecht vor den Eingang zum Zelt. Am Eingang lege ich etwa 15 Steine wurfbereit, verschiedene Groessen fuer Nah- und Weitwuerfe, sowie mein Messer und das Feuerzeug, um notfalls ein Feuer zu entfachen. Und mein Pfefferspray, dass aber nur in Windrichtung nuetzlich ist. Waere ich nicht nur von Akazien umgeben, wuerde ich mir auch noch eine Lanze schnitzen, oder eine Keule basteln.

Ich mache Katzenwaesche, schaue Fotos in der Digitalkamera an, schreibe Tagebuch, esse, auf meinem Rucksack sitzend, Fisch mit dem Messer aus der Buechse und rufe meine Mutter mit dem Satelitentelefon an. (unglaublich: ich stehe hier in Afrika im Busch und spreche ins Wohnzimmer in Krefeld). Sie ist in Sorge, da sie mich alleine in einem gefaehrlichen Abschnitt weiss. Es geht mir sehr gut, ich bin guter Dinge.

Es ist herrlich ruhig in der Nacht, nur ein Lori um faehrt vorbei. Keine Hyaene jault und morgens hat mich kein Loewe gefressen.

geschrieben am 2.4. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 


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