3/16/2004 Kenia / Lerata
Szubba! (27,16,12)
lebende Flummis zwischen Charakterkoepfen
(Harald) Die Strasse ist etwas besser, Spurrillen, riesige, tiefe Loecher, wenig Wellblech, viel Sand. Mehr als einmal stecke ich darin fest. Absteigen, Vorderrad herausheben, schieben, neue Spur suchen. Gegen 9.30 Uhr, nach etwa 22 km, erreiche ich Sere-o-lupi, uebersetzt “trockener Fluss”, also ein Wadi, wie diese Landschaftsform im Arabischen heisst. Nur zur Regenzeit fuehrt solch ein Flussbett Wasser. Dann aber koennen gewaltige Wassermassen ploetzlich den Wadi in eine Schlammhoelle verwandeln. Oft stuerzen rasend schnell braune, tosende Fluten talwaerts, reissen Baeume und Geroell mit, graben die Ufer ab und zerstoeren selbst grosse Betonbruecken, machen Strassen unpassierbar. In den Wadis findet sich mehr Vegetation und graebt man hier in der Trockenzeit, hat man gute Chancen, noch auf Wasser zu stossen. Wieder bin ich von jungen Maennern umgeben, die viele Fragen stellen. Hier leben vor allem Samburu, die sich selbst Massai bezeichnen. Es gibt auch Turkanas, Somali und Borana. Zu letzteren bestehen aber wg. der Viehdiebstaehle gespannte Verhaeltnisse. Ich erzaehle ihnen von Aethiopien und verspeise nacheinander Ruehrei, Tschapatis, Tee und Soda, kaufe Wasser und Kekse und fahre um 11.30 Uhr wieder los. Auch hier hat man natuerlich das Fahrradrennteam gesehen, 30 Verrueckte, die im Sportdress durchs Dorf flitzen, ohne Zeit zu Aufenthalt und Smalltalk. Auch fragt man mich mal wieder, ob ich etwas schenken koenne. Nein. Alles was ich brauche ist in diesen Taschen und alles was in diesen Taschen ist, brauche ich. Die Strasse ist besser, aber nach ein paar Kilometern ist mein Vorderreifen platt, wahrscheinlich ein Akazienstachel. Unter einer kleinen Akazie lege ich die Plane aus und repariere. Die unteren Dornenzweige schlage und schneide ich mit meinem Messer aus Meroe/ Sudan ab. Als Sonnenschutz haenge ich Hemden, Bettlaken und Hosen in die blattlosen Dornenaeste ueber mir. Es ist so heiss, dass ich in meinem winzigen Schatten verweile, bis die wandernde Sonne mir die Beine grillt. Es kostet immer etwas Ueberwindung, fast Mut, um in die gleissende Hitze zu gehen und die Plackerei wieder aufzunehmen. Erst diese Reise hat mich gelehrt die Sonne nicht nur zu ersehnen, sondern auch zu fuerchten. Es ist, als ob man gewohnt sei im Freibad zu schwimmen und dann ins Meer hinauskrault. Wasser hier und dort, Sonne hier und dort, aber was fuer ein Unterschied. Die Strasse bleibt sandig. Ich kaempfe mich muehsam vorwaerts, muss mehrmals schieben. Ne, macht mal wieder keinen Spass. Ich schwoere mir erneut (als ob das jetzt etwas huelfe): Nie mehr ohne Asphalt bis Kapstadt. Die etwa 45 km bis Lerata verlangen mir nochmal alles ab. Man hatte mir als frohe Botschaft erzaehlt, dass die Strasse schon verbessert werde. Tatsaechlich kommen mir mehrere Strassenbaumaschinen entgegen, die mit riesigen Schaufeln die ca. 10 Meter breite Strassenschneise komplett ebnen. Allerdings wird der aufgeworfene Untergrund nicht mit Walzen verfestigt. Fuer Autofahrer mit breiten Reifen kein Problem, fuer mich nahezu unueberwindbar. Alles ist weich und sandig, kein Regen hat Lehm und Sand verklebt, keine Sonne eine harte Schicht gebrannt. Schieben, schieben, treten, bis das Hinterrad, trotz auf ihm ruhenden Gewichtes, durchdreht. Es geht jetzt stegig leicht bergauf, 100, 200 Hoehenmeter, immer mehr rotbraune Felsen und Berge tauchen auf. Vor Anstregung zittern mir die Beine. Ich pruefe die Reifen. Das Hinterrad reibt an der Bremse, hat sich wieder verzogen. Also haenge ich die Bremse erneut aus. Wasser, Kekse, Schatten, Wasser. Ich zaehle die Kilometer: noch 27, noch 16, 12. Eine gestreifte Antilope, ein Nyala, gross wie ein Esel, springt wuchtig ueber die Strasse, grad 20 Meter vor mir. Kleinere Antilopen, Klippspringer, huepfen auf steifen Beinen wie Flummis davon, immer wieder Gruppen von Perlhuehnern, manchmal ueber 100 Stueck, Greifvoegel, Tauben. Dann geht die Sonne unter, 6.40 Uhr, ich bin fast am Aequator, wo Tag und Nacht stets gleichlang sind. Mich umgeben granitene, uralte Berge, auffallend geformte Charakterkoepfe darunter. Im Schatten eines dieser Kolosse geht es kilometerlang bergab, der Untergrund ist jetzt fester, ein grauer Splitt erlaubt mir 30, 40 km/h. Dann rechts ein Abzweig, ein paar verzweigte Huetten- das ist Lerata, als Ortschaft kaum zu erkennen, kein Hotel, kein Restaurant, kaum Menschen, die ich auf Samburu mit “Szubba” (Hallo) gruesse, dass wie ein bayrisches “Supa” klingt. Ich will einen entgegenkommenden LKW-Fahrer fragen, wie weit es bis zur naechsten Ortschaft ist, aber der faehrt durch. Danke auch. Ich schiebe das Rad in die Buesche und baue im Halbdunkel das Zelt auf dem sandigen, ebenen Untergrund auf. Die in Awassa geschweisste Zeltstangenhuelse ist erneut gebrochen, haelt aber wegen des Isolierbandes noch so eben. Der heftige Wind macht den Aufbau fast unmoeglich, immer wieder fange ich von vorne an. Jegliches Zaehneputzen und Waschen muss entfallen wg. Wassermangel. Die Huetten von Lerata sind nur 1, 2 km entfernt. Zwischen den Akazienbueschen ist alles vom Vieh plattgetreten und kahlgefressen. Stinkend von Schweiss, schmutzig, krieche ich ins Zelt. Dann, nach Aufblasen der Schlafmatte, Bereiten des Kopfkissens aus gefalteten Kleidungsstuecken, esse ich nackt im kuehlen Wind, auf meinem Rucksack sitzend, meine letzte, kleine Buechse Thunfisch und Kekse. Gegen 21.30 Uhr schlafe ich ein. Keine Hyaene ist zu hoeren. Im nahen Shaba Reserve gibt es Loewen, dass sind nur 20, 25 km Luftlinie von hier und es gibt keine Zaeune, die Tiere wandern frei umher und von dort oft in das benachbarte Buffalo Springs Reserve und die Umgebung. geschrieben am 4.4. in Nanyuki
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