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Reisetagebuch

3/18/2004   Kenia / Isiolo

Hakuna Matata

Wollt ihr fleissige Handwerker sehen?

(Harald) Duschen, Fruehstueck nebenan: Szamoszas -indische Teigtaschen, Milchtee, Passionsfruchtsaft, Mandaszi (schmeckt und sieht aus, wie eine aufgeblasene Apfeltasche ohne Fuellung).

Eine der wenigen, unabhaengigen Zeitungen Kenias, die “Daily Nation” aus Nairobi, berichtet ueber eine Konferenz der 10 Staaten, die Nutzniesser des Nils sind. Neben dem “Buhmann” Aegypten sind dies der Sudan, Aethiopien, Kenia, Uganda, Kongo, Tanzania, Burundi, Ruanda und Eritrea. Diese Interessengruppe nennt sich “Nile Bassin” und streitet um die Wassernutzungsrechte des Nils.Ein Fanal fuer das, was bei immer groesserer Bevoelkerung weltweit geschehen wird, z.B. um den Euphrat in der Tuerkei, Syrien und Irak, oder den Jordan in Israel, Palaestina und Jordanien.

Und die Zeitung berichtet ueber Bestrebungen, die Groesse der Nationalparks zu reduzieren, um Platz fuer die Farmer und neue Siedlungen zu machen. Motto: zuerst der Mensch, dann die Natur. Das wir uns selbst das Wasser abgraben, indem wir schwimmen muessen, leuchtet hier wie in Europa vielen nicht ein.

Wir Deutsche glauben, es wuerden immer neue Parks gegruendet und erweitert, ein Segen, die einzig richtige Entscheidung. Die Wirklichkeit sieht anders aus, denn den saisonal umherziehenden Herden werden die Wanderwege versperrt und den Nomaden ihre traditionelle Lebensweise untersagt.

Im schmalen Innenhof des Hotels haengt die Waescheleine bald voll mit meinen Habseligkeiten, die ich habe waschen lassenn: Innen- und Aussenzelt, Schlafsack, Kleidung. Meine Matratze hat im Bereich der ungewaschenen Fuesse noch die Farbe der Wueste. Auch das Fahrrad bekommt eine Abreibung, waehrend ich fruehstuecke, bevor ich meine Liste abarbeite.

Die Fahrradreparatur gestaltet sich als Abenteuer. Mein Guide heisst Adam Ali, spricht sehr gut Englisch und scheint mich nicht uebers Ohr hauen zu wollen. Wir gehen zu einem der Fahrradmechaniker, die auch hier unter freiem Himmel, im Schatten der Baeume am Strassenrand, ihrer oeligen Taetigkeit nachgehen. Der Boss sieht irgendwie nicht rechtwinklich aus, aber ich denke mir, dass er wohl Speichen einziehen kann und das Loch im Schlauch finden wird und seinen trueben Blick erklaere ich mir mit dem auch hier weitverbreiteten Genuss von Tschatt/Mida.

Den einzigen Internetanschluss der Stadt hat das Postamt. Hier funktionieren von sechs Stehcomputern gerade mal drei. Ich kaufe eine Pre-Pay-Karte, aber nach 20 Minuten gebe ich den Versuch auf, wenigstens meine Mails lessen zu koennen. Die Verbindung ist zu schlecht, stuerzt immer wieder ab. Tagebuch schreiben kann ich so natuerlich auch nicht.

Als ich zurueck zum Fahrrad komme, ist es, entgegen der grosspsurigen Ankuendigung des Mannes, nicht fertig. Das Hinterrad sei aber repariert, sagt der Mann. Schon auf den ersten Blick sehe ich das Felgenband breit zwischen Mantel und Felge hervorquellen. Hat der Mensch Tomaten auf den Augen? Ich zeige ihm das Malleur. “No Problem, Hakuna Matata!” Hier liegt viel Zeug herum, nur wenig Wergzeug. Und der Mantel ist nicht in Laufrichtung aufgezogen, so dass sich bei Regen das Wasser im Profil aufstaut. Jetzt hebelt der Mann den Mantel mit einem Kreuzschraubenzieher von der Felge. Ich versuche einzuschreiten, aber es ist zu spaet. Der neue Mantel hat ueberall Gummiabrisse vom ungeeigneten Werkzeug, der Schlauch tiefe Kratzer, die Felge ist innen und aussen vermackt.. Am liebsten moechte ich der Nulpe alles abnehmen und es jetzt selber machen. Aber ich weiss, dass er trotzdem sein Geld verlangen und mir sein Werkzeug nicht geben wuerde. Also: Geduld.

Ich ueberwache jetzt jeden Handgriff. Ich habe ihm zweimal erklaert, dass die Ventiloeffnung in der Felge durch Bohren erweitert werden muss, damit die breiteren Autoventile hindurchpassen. Das hat er vergessen und versucht nun gewaltsam, dass zu grosse Ventil hindurchzupressen. Was ist das fuer Mechaniker? Ich erinnere ihn ans Aufbohren. Er nimmt einen gewaltigen Hammer und ein Schlageisen und ich kann ihn nur mit Muehe daran hindern, die Felge damit zu verbeulen. Bohren, nicht schlagen!

Die Speichen sind eingezogen, aber beide Felgen schleifen an den Bremsen- vom Nachziehen der Speichen hat der Mensch wohl noch nie gehoert.

Adam sagt, der Mann sei betrunken, was natuerlich einiges erklaert.

Dann will er die Reifen aufpumpen, aber die Pumpe ist derart laediert, dass die Luft immer wieder entweicht. Entnervt verzichte ich nach anderthalb Stunden auf weitere Reparaturversuche. Dann findet der Mensch das Ventilzubeheor nicht mehr, will mir unpassendes Zubehoer andrehen.

Als ich bezahle, gibt er mir das Wechselgeld nicht heraus, weil er soviel Arbeit gehabt habe. Ich bin kurz davor, den Kerl mit einem nassen Handtuch zu erschlagen. Adam uebernimmt die Klaerung, denn ich wuerde dem Unverfrorenen jetzt einfach den Geldschein entreissen und ohne zu bezahlen gehen.

Adam und ich gehen zum naechsten Mechaniker. Das Abziehen des Mantels uebernehme ich mit eigenem Werkzeug jetzt selbst. Dieser Mann hat mehr drauf und naeht erstmal den vom Schraubenzieher voellig zerfetzten Reifen mit starkem Garn. Ich kaufe Schmirgelpapier, um die Felge zu schleifen, denn die tiefen Kratzer innen wuerden den Schlauch platzen lassen und die Kratzer aussen die Bremsbelaege im Nu abscherbeln.

Derweil hat Samuel vom Restaurant meine Zeltstange zum Schmied gegegen und stolz haelt er mir eine Flickschusterei sondergleichen vor die Nase. Ich fasse diese geradezu kindliche Unfaehigkeit nicht! Ein leichter Druck aus dem Handgelenk und die Stange bricht voellig auseinander. Gute Handwerker hier! Samuel eilt damit wieder davon…

Der Mechaniker stellt die Felgen exakt ein- gute Arbeit. Und er erklaert, warum mein Rad da drueben nicht puenktlich fertig war, als ich von der Post kam. Der Trunkenbold ist in Gegenrichtung mit meinem Fahrrad durch die Gegend gefahren, zum Spass und um anzugeben. Ich pruefe die Gaenge: Aha! Alles verstellt, der Mann wusste natuerlich nicht, wie er damit umgehen sollte. Und weil er wahrscheinlich wie ein Wilder beim Schalten getreten hat, sind mehrere Zaehne der Kraenze abgebrochen und beim Rueckwaertstreten hat sich die Kette im Werfer verkeilt und mit Gewalt diesen derart verbogen, dass saemtliche Gaenge nicht mehr einwandfrei geschaltet werden koennen. Der groesste Kranz ist nicht mehr zu gebrauchen. Das muss ich in Nairobi machen lassen. Am liebsten moechte ich jetzt zur Polizei gehen und nicht nur mein Geld zurueckfordern. Aber Adam sagt: Leave it! (Lass es) Das gibt nur grossen Aerger. Ich bin nicht in Stimmung fuer Streit und bezahle dem zweiten Mechaniker nochmal das Doppelte.

Isiolo ist eine Kleinstadt, staubig, muslimisch gepraegt durch die vielen Somalis und Borana. Die einzige Teerstrasse ist flankiert von Lagerhaeusern, in denen kleine und kleinste Einzelhandelslaeden Matratzen, Konserven, Oel, Getraenke anbieten. Wie in Aethiopien, werden hier auch die duennen Zweige des Mida-Baumes angeboten, kiloschwere Buendel, eingewickelt in Bananenblaetter. Strassen, Buergersteige, die Boeden in den Restaurants, ueberall liegen die Stiele herum. Und ueberall diese trueben Augen, die nichts mehr fixieren koennen. Die Maenner sind forsch, unhoeflich, laestig.

Eine Waage auf dem Buergersteig zeigt 72 kg- mit 84 bin ich gestartet. Aber das wird schon wieder.

In einem Videokino sehe ich eine deutsche Filmadaption eines aelteren amerikanischen Films: Resident Evil.

Es gibt Joghurt, frischen Avokadosaft mit Papayamus, Kuchen und am Abend ein zaehes, Huhn mit Chips und Cadbury Schokolade.

Meine Hemden sind genaeht, alles ist erledigt- es kann wieder losgehen.

geschrieben am 5.4. in Nanyuki


 

 

 

 

 


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