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Reisetagebuch

3/19/2004   Kenia / vor Timau

Nairobbery

eine Waffenschmiede / kenianischer Alltag / Mount Kenia

(Harald) Der Guide Adam kommt eine Stunde zu spaet und trifft mich beim verlaengerten fruehstueck auf der schmalen Terrasse vor dem Roots Restaurant. Unter gelben Sonnenschirmen sitze ich hier und lese staunend, wieviel Gewalt hier in Kenia Alltag ist. Wie ueberall auf der Welt artet jede Entwurzelung der Menschen, jede Verarmung, jeder Verlust von Identitaet in Gewalt aus. Vor allem, wenn dies ersatzlos geschieht, wenn es keine neuen Ideale gibt, denen man glauben und folgen kann. Es gibt eine reiche Oberschicht in Kenia und viele dieser Profiteure haben sich weniger mit Fleiss und Geschick, als mit Ruecksichtslosigkeit und Machtmissbrauch zu Reichtum verholfen. In der Schusslinie steht jetzt gerade u.a. der letzte Premierminister Arap Moi, dem glaubhaft ein Mordkomplott angelastet wird. Seine Regierungszeit war von einer auswuchernden Korruption und stattlicher Willkuer gekennzeichnet. Trotz dieser bekannten Misstaende versucht Moi immer noch mitzumischen, staendig steht er auf den Titelseiten. Heute hat er wieder mal Geld gespendet, Geld, dass er sich in seiner Amtszeit unter den Nagel gerissen und in die Schweiz und andere Gelddepotlaender transferiert hat. Dafuer, dass er jetzt das dem Volk gestohlene Geld jetzt schenkt, schuetteln ihm nun die Kirchenoberen und Politiker grinsend vor den Kameras die Hand.

Immer wieder werden hier hohe Funktionaere erschossen, verschwinden, oder man toetet deren Leibwaechter, um sie einzuschuechtern.

Und aus den Slums Nairobis kommen Fotos, Meldungen, die man nicht glauben mag. Hierhin fluechten die abertausenden Gestrandeten, die ihres Landes beraubten Nomaden der Massai, Samburu, Turkana, hier gibt es kaum Arbeit, keine Wohnungen, keine staatliche Hilfe. Die Verzweifelten stuerzen sich in Prostitution, Drogenkonsum, Gewalt und Bandentum. Adam war frueher in Nairobi und nennt die Stadt nur noch "Nairobbery" ("Robbery" heisst Raub). Er und andere, mit denen ich gesprochen habe, meinen, dass der jetzige Premier Mwai Kibaki es ehrlich meint, mit seinen Anstrengungen gegen Korruption und Machtmissbrauch von Politik, Gerichten und Polizei.

Samuel hat den Schmied ins Lokal bestellt, wahrscheinlich weil er ueberwachen will, was ich dem Mann gebe. Und dies, weil er von der voellig ueberhoehten Summe eine saftige Kommission erhofft. Ich zahle ein Drittel der geforderten Summe, aber wahrscheinlich trotzdem das Dreifache des wahren Lohns. Hinter meinem Ruecken meint er zu Adam, dass sei typisch fuer Deutsche, die wuerden nichts bezahlen wollen. Ist doch o.k., wenn man als Volk bekannt ist, dass sich nicht so einfach mit sechsfach ueberzogenen Preisen betruegen laesst. Samuel betrachtete mich als "seinen" Touristen und fragte mich heute morgen geradezu herrisch, wo ich gestern abend denn verlorengegangen sei, er habe mich gesucht. Ich sage ihm, dass ginge ihn ja wohl nichts an und das ich mich nicht bei ihm abmelden muesse, oder? Zu einem bestaetigendem Nicken kann er sich aber nicht durchringen. Ich schenke Samuel noch eine Tafel Schokolade, die er sich selbst wohl nie leisten wuerde.

Die Guides kleben an einem dran, ob man sie braucht oder nicht. Nur ein betont energisches, wenn nicht barsches Auftreten verhindert, dass sie einen als ihren Job betrachten.

Adam ist ein gebildeter Mann, der sich gut in der kenianischen Politik auskennt. Er redet mir zwar nach dem Mund, versucht aber nicht, mich reinzulegen. Er fuehrt mich zu seinem eigentlichen Arbeitsplatz, einer Messerschmiede. Unter freiem Himmel glimmen ein paar kleine Feuerchen, mit den nackten Fuessen werden selbstgebastelte Blasebaelge aus Autoschlaeuchen zum Anfachen benutzt. In der Glut liegen Metallstuecke, die rotgluehend mit einem Hammer, am Boden hockend, von jungen Maennern auf einem Stueck Vierkanteisen zu Klingen geformt werden. Ein dornartiger Fortsatz der Klinge wird dann, heissgluehend, in einen grob zugeschnittenen Kuhhorngriff gebrannt und das am Griffende herausragende Ende wird platt geschlagen. Der griff wird geschliffen und poliert. Die schoensten Messer haben gemaess der somalischen Tradition, gebogene Klingen und die Griffe sind mit Messing-, Kupfer und Eisenringen verziert und kosten zwischen anderthalb und sechs Dollar. Dazu gibt es gefaerbte Rindlederscheiden, in die Verzierungen geschnitzt werden.

Ich fahre erst um 10 Uhr los, die Sonne brennt schon heiss und ich schiebe meinen Hut schraeg auf den Kopf. Adam bettelt mich nicht an, sondern verabschiedet mich mit dem Hinweis, in Nairobbery gut aufzupassen.

Es geht jetzt aufwaerts, geradewegs auf den Mount Kenia zu, dessen zwei schneebedeckte Gipfel heute aus dem Dunstschleier auftauchen. Schnee in Afrika- als dies die ersten "Entdecker" (wie kann man etwas entdecken, was seit tausenden von Jahren den Menschen bekannt war?) des Kilimandscharo Mount Kenia beschrieben, glaubte man ihnen nicht. Wie konnte es in diesem heissen Kontinent Schnee geben?

Aber das da vor mir ist real, wenn auch ein klaeglicher Rest der einstmaligen Schneemassen, denn die globale Erwaermung hat die Gletscher fast abgeschmolzen.

Aufwaerts, der Kuehle entgegen. Nach 20 km spuere ich nicht nur einen kuehleren Wind, der mir vom Bergmassiv aus entgegenweht, sondern auch eine sinkende Lufttemperatur.

Rechts der Strasse liegt einer der in Kenia zahlreichen privaten Wildschutzgebiete. Gegenueber ein kleines Restaurant und eine schoene Halle aus Holz voller Souveniers. Die wohlbeleibte Besitzerin heisst Gladys, serviert mir leckere Tschapatis, Soda und Tee.

Ich streife durch Auslagen. Die Batik-, Holz- und Steinarbeiten sind ausdrucksstark und faszinieren mich. Besonders die ungewoehnlichen Gesichter der Figuren haben es mir angetan. Draussen werden rot-weiss-schwarz bemalte Holzschilde angeboten, die mit Leder bespannt sind. Es gibt Speere, Schwerter und rotkarierte, duenne Wolldecken im Stil der Turkana und Massai.

Erst nach zwei Stunden kann ich mich trennen. Zum Abschied, obwohl ich nichts gekauft habe, schenkt mir Gladys ein gruenes Steinherz an einer silbernen Halskette. "Verpasse keine Chance dir einen Freund zu schaffen" sagt sie sanft laechelnd.

Es geht weiter steil aufwaerts, geradewegs auf die Gipfel zu. Hier wurde stark abgeholzt, aber ueberall waechst Gras, stehen saftiggruene Buesche, bluehen Straeucher, Schmetterlinge flattern umher und es gibt viele Voegel.

Ich erreiche die Ringstrasse, die das ganze Bergmassiv umrundet. Links liegt Meru, auf der anderen Seite Thika und rechts von mir Nanyuki. In einem kleinen Restaurant an der Abzweigung trinke ich einen Tee und erfreue mich an Kekse wie bei Muttern. Hier leben Angehoerige des Merustammes, die aber keine traditionelle Kleidung mehr tragen. Aber wie meistens, versucht man auch hier kleine Gaunereien: zu wenig Ware, zuviel Geld.

Aufbruch. Nach etwa 32 km Anstieg bin ich ueber 2000 Meter ueber NN und mit der untergehenden Sonne wird es kalt. Ich fahre zwischen riesigen, abgeernteten Weizenfeldern durch, auf denen tausende dicker, brauner Schafe grasen. Hier und da fahren riesige gruene Maehdrescher die Ernte ein, ein weisser Farmer steht da auf dem Feld, mit kurzen, khakifarbenen Hosen und kurzaermligem Hemd und Schlapphut.

Es wird Zeit, einen Zeltplatz zu finden. Das Feld da rechts der Strasse, sieht geeignet aus. Es faellt etwas ab, niemand weit und breit zu Fuss unterwegs. Die Strasse ist zwar recht gut befahren, aber hinter diesem Baum und dem umgebenden Gruen duerfte ich mich mit meinem hell-khakifarbenen Zelt unsichtbar machen koennen.

Ich schiebe durch die Stoppel, 150 Meter, und baue das Zelt im starken Wind auf. Himmel, was ist Kenia kalt!

Ein letzter Blick auf den Berg, der diesem Land seinen Namen gab, Vorfreude auf die Aussicht morgen frueh, dann ins windschuetzende Zelt.

geschrieben am 5.4. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 

 

 


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