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Reisetagebuch

3/23/2004   Kenia / Meru-Nschoro

Zu Gast bei den Meru

Oschoro, Erou, Biakuria und Kathanda

(Harald) Den 22. nutze ich zum Abhaengen, Essen, Lesen und Bummeln. Mal garnichts tun.

23.3.

Mary und ich fahren mit einem Matatu, einem Minubus, nach Meru, um ihre Schwester zu besuchen. Die Fahrt fuehrt ueber die Ringstrasse an den flachen Haengen des Mount Kenias Richtung Sueden und Osten. Meru liegt rund 80 km entfernt, auf der anderen Seite des ehemaligen Vulkans und ist Zentrum des Stammesgebietes der Meru, die heute aber fast ausnahmslos nicht mehr traditionel leben, sondern sich, wie die Kikuyu, Kenias groesste Ethnie, angepasst haben. Die Meru sprechen eine eigene Sprache, dass Kimeru. Da es in Kenia eine noch groessere Sprachvielfalt als in Aethiopien gibt, wurde Kisuaheli als Amtssprache gewaehlt, wobei Englisch ueberall verbreitet ist.

Wir passieren meinen Zeltplatz unter dem Baum im Weizenfeld und die Abzweigung nach Isiolo, wo der Blick heute weit in die Tiefebene der Halbwueste hinter Archers Post reicht, eine im blauen Dunst allmaehlich sich aufloesende Landschaft voller kleiner Berge.

In Meru, einem Staedtchen, etwas groesser und hektischer als Nanyuki, voller Matatus, Marktstaenden, roter, unbefestigter Strassen und herumstreunender Jugendlicher, muessen wir umsteigen. Zeit fuer eine schnelle Sprite an einem der roten Cola-Staende. Jugendliche, die Augen trueb vom Kleber schnueffeln, den sie in Plastikflaschen in den Aermeln oder unter dem Pulloverkragen verbergen, betteln mich um ein paar Muenzen an.

Als wir im Matatu nach Nschoro sitzen, eruebrigt sich die Frage nach der Abfahrtzeit, denn man faehrt ab, wenn der Wagen voll ist.

Bauchladenverkaeufer treten ans Autofenster, bieten Fruechte und Sonnenbrillen an. Mary fragt mich, ob ich ihr eine kaufe. Widerwillig tue ich das, aber ich mag die Rolle des Spendieronkels nicht, auch wenn die Brille nur einen Euro kostet. Ich habe mir laengst angewoehnt, einen Wert nur in einheimischer Waehrung zu betrachten.

Die Fahrt fuehrt aus Meru hinaus zwischen die Huegel einer ueppig-gruenen Landschaft und Mary erzaehlt, dass hier oft Elefanten ueber die Strasse laufen.Uberall Avokado- und Mangobaeume, Bananenstauden, alles waechst hier, auch der Mira-Baum. Meru ist Hauptumschlagplatz fuer die rotgruenen Stengel.

Wie alle Matatu-Fahrer, rast auch dieser viel zu schnell ueber die loechrige Teerstrasse, hupend, schlingernd, nahe an der Grasnarbe entlang, ueberholend trotz Gegenverkehr. Ich muss mich dauernd zusammenreissen, den Fahrer nicht zu ermahnen. Aber schliesslich, nach einem Fastzusammenstoss, sage ich ihm: 80 km/h sind erlaubt und 100 km/h sicher schnell genug. Er lacht und rast weiter.

Mitten in der Landschaft steigen wir aus, es ist warm, die Luft feuchter, als in Nanyuki. Ueber einen Trampelpfad erreichen wir nach 20 Minuten Fussmarsch ein Grundstueck mit einer rechteckigen Wellblechhuette und zwei Schuppen. Hier lebt Marys aeltere Schwester Sally. Sie ist 35, traegt offene, wild umherstehende Haare, ein Kleid. Sie ist mit einem Pastor verheiratet und hat einen Sohn. Sie begruesst uns herzlich, auf dem Feld vor dem Haus arbeitet ein Mann zwischen den Bananen an einem Wassergraben, denn die jetzt beginnende Regenzeit fuehrt Wasser, dass von den Bergen abfliesst, direkt durch das Grundstueck.

Im Haus ist es eng und sauber. Ich sitze auf einer Couch und mir wird Oschoro, ein joghurtaehnliches Gaergetraenk aus zerstossenem Mais, Sogam und Millet, beides Getreidesorten, serviert, Marys Lieblingsgetraenk. Aus einer riesigen Kalebasse wird der hornartige, obere Zipfel des Riesenkuerbis gefuellt und aus diesem wiederum in eine Tasse umgefuellt.

Hier gibt es keinen Strom, nur ein kleines Transistorradio. Das WC ist ein Holzverschlag, neu und sauber mit Lochklo. Draussen zwei Ziegen mit einem zwei Tage alten Zicklein, die getrocknete Nabelschnur baumelt noch am Bauch. Was fuer ein weiches Fell und die schwarze Schnauze so winzig.

Ein graues Katerchen ermuntert mich, ihn zu kraulen, zwei Hunde schleichen aengstlich davon. Ich beschaeftige mich notgedrungen laenger mit der Katze, denn Mary und ihre Schwester plappern in Kimeru und ich verstehe natuerlich nichts.

Spaeter kommt Sallys Sohn Eric mit Marys Sohn Dan nach Hause. Eric ist 13 und erstaunlich gebildet, spricht fliessend und einwandfrei Englisch und man wuerde nicht erwarten, hier in der kenianischen Provinz, einen Bub anzutreffen, der soviel ueber die Welt und das Universum weiss.

Dan ist 6 und alsbald aufgetaut, haengt an mir und will mich nicht mehr loslassen.

Vor dem Essen wird andaechtig gebetet. Jeder verbirgt sein Gesicht in einer Hand, einer spricht in Englisch einen langen Dank, dann murmelt jeder sein eigenes, inniges Tischgebet. Hier, mitten in den Feldern, den Geruch der Erde, des Regens, der Pflanzen in der Nase, vor mir die Fruechte des selbst gezogenen Gemueses, bekommt solch ein Dank etwas elementares, hat er eine direkteren Bezug, als verpackte, fremderzeugte Lebensmittel in der Stadt haben.

Es wird Erou serviert, eine ruebenartige Wurzel, die gekocht und geschaelt, lecker wie eine suesse Kartoffel schmeckt.

Dann gibt es Biakuria, ein Eintopf aus Kartoffeln, Weisskohl, Moehren und Reis.

Wir gehen mit Sally zum oertlichen Spital, denn sie hat sich vor Tagen mit einer Panga, einem Langmesser, tief ins Handgelenk geschnitten, die Wunde muss versorgt werden. Aber man schickt sie wieder zurueck. Die Aerzte und Schwestern sind zwar da, aber Sally muss morgen wiederkommen. Ich frage, ob ich die Stationen sehen und fotografieren kann, aber die schwarze, runde Nonne macht ein Gesicht, als ob sie Zitronen kauen wuerde und stellt eine Menge Fragen und lehnt ab. Was gibt es in diesen Barracken zu sehen, die mit amerikanischen Geld gebaut und unterhalten werden, was ich nicht sehen darf? Ich haette einfach hineingehen sollen, ohne zu fragen.

Auf dem Rueckweg passieren wir Marys alte Schule, eine Secondary School, unserem Gymnasium aehnlich. Damals war Mary 14 Jahre alt, die Schule hiess St. Kizito, hatte einen krichlichen Traeger. Einem College gleich, wurden hier 14-18jaehrige Junen und Maedchen unterrichtet und die ganze Woche untergebracht. 1991 fand hier ein unglaublicher Vorfall statt. (mehr s. 2. Eintrag)

Auf dem oertlichen Markt treffen wir Sallys und Marys Mutter, die dort auf dem Lehmboden sitzt und ein paar Bananen auf einem Stueck Sackleinen anbietet, die ich saemtlich kaufe. Die alte Frau hat kaum noch Zaehne, strahlt mich beim Haendeschuetteln an. Mich wundert, dass es den Toechtern doch relativ gut geht, waehrend die betagte Mutter hier sitzt.

Als ich eine selbstgezimmerte Schubkarre fotografiere draengen sich wieder mal alle Kinder um mich, denn hier kommen Weisse selten hin.

Spaeter am Abend serviert Sally die naechste Spezialitaet: Kithanda, ein Brei aus Mais, Bohnen und Bananen, ebenfalls sehr lecker.

Vor dem Zubettgehen zeige ich den Eric und Dan noch ein paar Tae-Kwon-Do Kniffe und versuche ihnen die Ethik dieses Kampfsports nahe zu bringen.

Ich schlafe neben der Ziege und ihrem Jungen im Schuppen. Das Kleine kann die naechtliche Kaelte noch nicht ertragen. Die Tiere sind leise, nur der lange Magen des Muttertieres rumort laut und das Tier wiederkaut die ganze Nacht.

geschrieben am 5.4. in Nanyuki


 

 

 

 

 

 

 


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