4/13/2004 Kenia / Nanyuki
Dschambo! Abari? Musuri sana!
Ueber den Wert der Begruessung in Afrika
(Harald) Die ganze Nacht hat es geregnet und auch am Morgen prasselt es noch ganz ordentlich. Ziege und Huehner haben unter dem Terrassendach Schutz gesucht. Jennifer und ich sind alleine im Haus. Bei diesem Wetter ist es unsinnig loszufahren, denn ich habe kein richtiges Regenzeug. Die Goretex-Jacke haelt nicht, was der Hersteller verspricht, weder ist sie regendicht, noch verhindert sie das Schwitzen. Sie taugt lediglich als leichte Windjacke. Erst am Nachmittag geht der Regen in einen Graupelschauer ueber und ich stake durch den Schlamm bis zur Teerstrasse, leider nimmt mich niemand mit. Als ich vor ein paar Tagen eine weisse Kenianerin, die uns besuchte, fragte, ob sie mich in die Stadt mitnehmen koenne, lehnte sie ab, sie fuehre nicht in diese Richtung, was eine fadenscheinige Ausrede war, denn der Zufahrtsweg ist eine Sackgasse. Ich sage Jenny, dass sei wieder typisch fuer uns Musungus. Kaum bin ich draussen zwanzig Meter gelaufen, haelt eine schwarze Familie an und fragt mich, ob ich mit in die Stadt fahren wolle. Ich liebe Kenia. Die wenigsten Touristen gruessen ueberhaupt, wenn ich ihnen im Netcafe oder Restaurant begegne, das Gleiche gilt fuer die einheimischen Weissen. Begruessungen misst man in Afrika eine viel groessere Bedeutung bei als in Deutschland. Sie dauern laenger und verdienen den Namen Ritual wirklich. Wenn sich z.B. zwei Maenner im Lokal begruessen, so beginnt das mit einem strahlenden Lachen, dem ein lautes “Dschambo!” folgt (Hallo), oder ein “Abari?” (Wie gehts). Das Gegenueber antwortet zunaechst mit “Musuri sana” (alles sehr gut), wobei mit grossem Schwung und lautem Klatschen die rechten Haende aufeinandertreffen. Wie in Aethiopien, so unterstuetzt auch in Kenia manchmal die linke Hand den rechten Unterarm, eine alte Geste, die besagt, dass auch diese Hand keine Waffe haelt. Den gleichen Grund hat auch das Hochhalten beider Handflaechen, wenn mich der Kellner begruesst, was ich anfangs fuer eine Verlegenheitsgeste hielt. Nachdem man lange Hand und Unterarm des Freundes festgehalten hat fragt man nach dem Wohlbefinden der Familie: Wie gehts der Frau? Und den Kindern? Und bei dir? Und was macht die Arbeit? Wie geht es dem Onkel, Nachbarn, Kollegen etc. Das dauert und dieses Grussstakkato festigt erneut die zwischenmenschlichen Beziehungen: Du bist mir wichtig, es freut mich, wenn es dir und den Deinen gut geht. In einer Gesellschaft, in der der Staat viele Sicherheiten im Leben nicht bieten kann, die fuer uns selbstverstaendlich sind, kommt den Beziehungen der Menschen zueinander groessere Bedeutung zu. Verliert hier einer seinen Job, gibt es keine Arbeitslosenunterstuetzung. Wer hilft dann, wenn nicht die Verwandten und Freunde? Wird einer krank, wer versorgt ihn, wenn es keine Krankenversicherung gibt und man oft nicht mal die Behandlungskosten aufbringen kann? Wer hilft mir auf die Beine, wenn ich fremd in einer Stadt ankomme, wenn man keine Wohnung mieten kann, weil man kein Geld hat, wenn nicht der Cousin? Wer warnt, schuetzt mich nachts, wenn es keine verlaessliche Polizei gibt, wenn nicht die Nachbarn? Wem kann ich trauen, in einem Staat, der von Korruption und Intrigen voellig verseucht ist, wenn nicht dem Freund in der Verwaltung? Wer gibt mir einen Kredit fuer das Brautgeld und die Hochzeitsfeier, wenn mir keine Bank hilft, weil ich keine regelmaessige Arbeit habe? Nur die Verwandten und Freunde. Und wer versorgt einen Alten, wenn es keine staatliche Rente gibt, wenn nicht die Kinder? So wird hier umarmt, laut gelacht, da werden Schultern geklopft und man verwendet viel Zeit fuer einen Plausch, schenkt Aufmerksamkeit und verschiebt Termine, nichts ist so wichtig wie die Begegnung. Hat man ein Anliegen, so faellt man auch nicht mit der Tuer ins Haus. Nach der Begruessung wird dann erstmal geplaudert, bis man nach einem Gespraechsbogen auf den eigentlichen Grund des Besuches kommt. Alles andere waere unhoeflich. Uns erscheint das ueberfluessig, man stiehlt uns die Zeit, wenn das Gegenueber nicht auf den Punkt kommt. Time is money! Komm zur Sache Mann, um was gehts? Schwafeln ist nicht erwuenscht. Morgen werde ich fahren, egal wie. Ich bestelle mir den Taxifahrer, der mich abends durch den Schlamm zum Haus faehrt, fuer morgens, denn es ist unmoeglich das Rad samt Gepaeck da durchzufahren. geschrieben am 19.4. in Nairobi
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