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Reisetagebuch

4/15/2004   Kenia / Thika

Thika

Licht und Schatten auf dem Weg

(Harald) Ein sauberes, dafuer guenstiges, aber zu lautes Hotel. Ich habe zwar auch hier mit Pfropfen aus Toiletpapier in den Ohren geschlafen, aber gegen sechs Uhr ist offizielles Wecken durch das Personal. Dann wird lauthals durch die Gaenge geschrien, mit dem Wischer gegen die Tuere gestossen. Ich erspare es mir, die Damen auf die Uhrzeit hinzuweisen und lese einfach etwas.

Ohne Fruestueck verlasse ich das Hotel und will losfahren. Und wieder faengt es genau in diesem Augenblick an zu regnen. Ich fluechte unter das Betonvordach am Markt. Man spricht mich ueberall an, im Vorbeifahren und bei jedem Stop: "Dschambo! How are you?" Dann will man wissen wo ich herkomme. Was? Von Nanyuki bis hierher mit dem Fahrrad? Und davor? Aus Deutschland...aha! Also aus Nairobi. Nein, aus Deutschland mit dem Fahrrad. Mmmmh. Also mit dem Flugzeug nach Nairobi...Nein! Mit dem Fahrrad, den ganzen Weg, jeden Kilometer mit dem Rad, nicht geflogen, kein Bus, kein Zug. Mmmmh. Es gibt nicht wenige, die das nicht glauben wollen.

Im Buchaneer-Club in Nanyuki ist mir beim Tanzen der kleine Tacho aus der Hemdtasche gerutscht, was nicht schlimm ist, weil er ja eh nicht mehr richtig funktionierte. Jetzt komme ich auch ohne Uhrzeit und Km-Angaben aus. Auch mein Hut ist mir im selben Etablissement "abhanden" gekommen.

Im Stehen esse ich zwei kleine Kuchen von gestern, vor mir breiten die Markthaendler Plastikplanen ueber ihre, meist auf dem Boden liegenden, Waren.

Nach zwanzig Minuten nieselt es nur noch und ich suche den Weg stadtauswaerts, halte nur kurz am Strassenstand eines Fahrradmonteurs, um mein Schutzblech fixieren zu lassen.

Die Strasse ist weiterhin schlecht, weshalb ich kaum den schoenen Blick auf die Aberdare Huegel geniessen kann, die den Mau-Mau als Unterschlupf dienten. Die in den 50er Jahren noch ausgedehnten Urwaelder, sind heute voellig abgeholzt und groessere Waldgebiete bestehen, wie in Aethiopien, aus Eukalyptusbbaeumen, dass man auch hier wg. seines schnellen Wachstums und seiner Robustheit angepflanzt hat.

Dort wo die Sonne durch die Wolken sticht, wandern hellgruen leuchtende Landschaftsflecken durch die regnerische Truebnis und auf den schraegen Haengen sieht das wie die Miniaturlandschaft einer Spielzeugeisenbahn aus. Die geradezu unwirklichen Wolkengebilde, nicht zu beschreiben, kein Vergleich mit irgendetwas faellt mir da ein, erzeugen eine romantische, dramatische Stimmung, wie einem Bild von Caspar David Friedrichs entlehnt.

Mit fortschreitender Tageszeit wird es sonniger, der Strassenbogen um den Mount Kenia ist fast vollendet. Die Luft wird heisser, feuchter, alles waechst hier ueppig, schneller als es abgeholzt wird. Lianen ranken in den grossen Baeumen, Schmetterlinge, Voegel, ein kultivierter Dschungel. Auf der Strasse liegen Massen ueberfahrener Chamaeleons, die man leicht uebersieht, weil die toten Tiere nicht mehr leuchtend gruen gefaerbt sind, sondern im Moment des Sterbens ihre strahlende Lebenskraft ist ein trauriges Grau-braun umwandeln und so den vielen schwarzen Bananenschalen aehneln, die die Fahrer aus dem Autofenster werfen. Riesige, manchmal orangefarbene Heuschrecken liegen da, viele Schlangen und eine 35 cm lange Eidechse. Da faellt mir ein, dass ich vorgestern Mensch- und Tierretter zugleich war: Aus einer Wohnbarracke in Nanyuki kamen kreischend Frauen gerannt und man uebersetzte mir, dass in einer Wohnung eine Schlange sei. Ich eilte sofort hin. Ein Mann versuchte halbherzig mit einer Taschenlampe das Tier zu finden, waehrend sich eine Frau aengstlich auf einem Turm aus Matratzen und Sitzpolstern in Sicherheit gebracht hatte. Vor der Tuere draengelten sich aengstlich und fasziniert die anderen Hausbewohner.

Ich nahm dem Mann die Lampe ab und fand die Schlange sehr schnell, die sich in Todesangst ob des Laerms und mangels eines Fluchtweges, am abgeblaetterten Putz unter einem Bett hochwand, aufgeregt zuengelnd. Das Tier war nur weniger als 30 cm lang, der Farbe nach koennte es eine gruene Mamba gewesen sein. Man draengte mich das Tier zu toeten, aber ich bugsierte ruhig meine Hand hinter den Kopf des Tieres und presste mit Zeigefinger und Daumen den Nacken zusammen. So konnte sie mich nicht beissen. Gerne haette ich sie fotografiert, aber das Gekreische der Leute, die vor mir auseinanderspritzten, als sie die Schlange in meiner Hand sahen, und die Tatsache, das die Schlange wohl ersticken wuerde, wenn ich sie laenger hielte, veranlasste mich schnell nach draussen in den Matsch zu gehen und das Tier in hohem Bogen ins Dunkel zu schleudern, wobei ich hoffte, sie wuerde nicht mit ihrem sich windenden Koerper an meinen Fingern festhalten. Aber das Tier machte es mir leicht es zu retten und ich hoffe, sie hat jetzt vom menschlichen Geruch buchstaeblich die Nase voll (wobei Schlangen ja mit der Zunge "riechen").

Als ich die Leute fragte, wieso sie annaehmen, die Schlange sei giftig, sagten sie mir, alle Schlangen seien giftig und niemand schenkte mir Glauben, als ich sage, dass 95 % der Schlangen fuer uns ungefaehrlich sind und es nur vier, fuenf Arten von Hunderten in Afrika gaebe, die fuer den Menschen problematisch seien( Schwarze Mamba, Puffotter, Kobras und Gruene Baumschlangen).

Neben der Strasse huschen Erdhoernchen umher, zutraulich lassen sie mich bis auf 10 Meter an sich heran und im Gebuesch raschelt es- eine grosse Agame fixiert mich pruefend: Was hast du vor, meinst du mich?

Ab und zu sehe ich kleine Zeburinderherden, deren Knabenhirten schuechtern gruessen. Dann passiere ich eine Gruppe von Halbstarken, deren Verhalten mir gleich signalisiert: das gibt Aerger! Und richtig, sie versuchen mich am Gepaeck festzuhalten, dann wirft einer einen Lumpenballen nach mir. Ich fahre dem Knaben nach, springe vom Rad, hole ihn ein, er wirft sich zu Boden und streckt mir Arme und Beine entgegen, laut immer wieder "sorry,sorry!" rufend. Ich mache ihm noch etwas Angst, indem ich ihn drohend angucke und ein "Uuuaaah!" ausstosse. Dann fahre ich weiter, die erleichtert-spottelnden Rufe der Anderen in meinem Ruecken.

Stuecke einer ueberfahrenen Pantherschildkroete liegen im Gruen, dann liegt da ein etwa desserttellergrosses Exemplar vor mir auf der Strasse, den Kopf aengstlich eingezogen, weil ein Autoreifen gerade um Zentimeter vor ihm vorbeigerast ist. Ich trage das Tier ueber die Strasse, weit in den Busch hinein und wie ich es so beobachte, klatscht mir aus einem Webervogelnest in der Baumkrone ueber mirein flaschengruenes Ei auf den Ruecken. Weiter unten plaetschert ein warmes Baechlein, zwischen den dichten Straeuchern fliegt ein Hadadaibis protestierend auf. Im Wasser wasche ich das Shirt und ich denke: Wieder ein Miniparadies. Ich liebe Kenia.

In einem Dorf kaufe ich mir eine Cola und eine dicke Papaya, die ich sofort mit meinem Meroe-Messer aufschneide. In einem Halbbogen stehen Marktstaende voller Obst und Gemuese und dahinter ertoent ploetzlich ein Gekreische wie in Todesangst. Ich lasse das Messer zurueck und eile hin. Zwei Maenner sind im Kampf, einer ist ein voellig betrunkener, zerlumpter Geselle. Er schreit vor Angst, ist zu benebelt, um sich gegen den jungen, hysterisch-wuetenden jungen Mann zu wehren, der gerade versucht, mit einem wasserrohrdicken Knueppel den Kopf des Hilflosen zu treffen, der ihm am Boden sitzend den Ruecken zudreht. Was fuer ein mieser Kerl, wie er gezielt den Kopf wieder und wieder sucht und mit voller Wucht zuschlaegt, dass es kracht, der naechste Schlag kann den armen Tropf toeten. Als der Knueppel wieder ueber dem Kopf erscheint greife ich von hinten zu, reisse den Mann nach hinten und umklammere ihn, damit er nicht mehr zuschlagen kann, schreie ihn dabei an, damit er sich auf mich konzentriert. Das wirkt, er bruellt nur noch herum, kann aber den Stock nicht mehr heben und windet sich in meinem Griff. Ich schleudere ihn von mir und stelle mich vor den Betrunkenen. Er laesst ab, ich schaue mir den Getroffenen an. Der Kopf ist nicht getroffen, aber der Mann hat offensichtlich Prellungen an Schultern und Ruecken, windet sich vor Schmerz. Aber da kann ich nichts machen.

Ich kaufe Bon-Bons fuer die vielen Kinder ringsum, die sie schuechtern aus meiner Hand nehmen, ohne Hast, mit einem Laecheln. Sonne im Herzen.

Als ich mein Messer saeubere und abfahren will, lachen mich die Leute freundlich an und einer sagt mir, dass sie sich bedanken wollen, weil ich eingegriffen habe.

Auf der Strasse nimmt der Verkehr zu. Die Fahrer fahren z.T. viel zu nahe an mir vorbei, zweimal muss ich ins Gruen ausweichen. 20 km vor Thika wird die Strasse vierspurig und schimpft sich jetzt Autobahn. Die loechrige Piste, die in den Ortsdurchfahrten durch haltende Busse und LKW nur noch einspurig befahrbar ist, geht aber viel steiler bergauf und -ab, als eine AB in Deutschland.

Ich erreiche Thika, fahre mehrere Kilometer sogar an der Stadt vorbei und muss zurueck. Es wird dunkel und im dichten Verkehr komme ich kaum vorwaerts. Das erste Hotel am Busbahnhof ist mir zu teuer, das zweite namens "Boni Kiumu Guest House" ist eher meine Kragenweite. Es gibt im Erdgeschoss eine Minifleischerei mit angeschlossenem Restaurant und im 1. Stock eine Bar voller Betrunkener, einer schaukelt im Rythmus der kenianischen Weisen umher. Diese Musik klingt aehnlich wie karibischer Calypso.

Aber weiter oben und hinten im Hotel ist es ruhig und eine heisse Dusche belohnt mich fuer die heutigen 90 km.

geschrieben am 21.4. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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