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Reisetagebuch

4/19/2004   Kenia / Nairobi

Kenianischer Alltag

Ueber den " Kleinen Mann von der Strasse"

(Harald und Renata) Ich bin in die Zahra-Lodge umgezogen, ein unter moslemischer Leitung stehendes Hotel im River-Road-Viertel, einem der dunkleren, gefaehrlicheren Viertel der Innenstadt. Nachts sollte man hier nicht lange alleine umherlaufen und so habe ich mein Meroemesser immer in der Tasche oder im Guertel.

Auf der Strasse werden wir oft mit "Musungu" angesprochen und ich antworte dann mit "hello black", denn ich halte die Anrede "Hallo Weisser" fuer unpassend und oft lachen die Maenner und scheinen zu verstehen, dass diese Anrede bei mir nicht gut ankommt. Man stelle sich nur vor, wir wuerden einen Afrikaner auf der Strasse mit "Hallo Schwarzer" ansprechen!

Meine Hautfarbe wird hier zur wichtigsten Determinante, nicht mein Name, mein Beruf, meine tatsaechliche geografische Herkunft. Zwar gab und gibt es in Kenia keine Apartheit, eine Rassentrennung wie in Suedafrika. Aber neben den durchweg wohlhabenden Kenianern englischer Abstammung und den ebenfalls erst seit 90 Jahren im Land lebenden Kenianern indischer Abstammung, gibt es eine kleine Gruppe reicher Kenianer und diese Wohlhabenden bilden eine soziale Kaste. Ein breites Buergertum fehlt nahezu voellig und dann gibt es da noch die Masse der Armen in den Vorortslums, die den groessten Teil der etwa 3 Millionen Einwohner ausmachen.

Die meisten Kenianer haben keine Arbeit in unserem Sinne, sondern sie jobben, d.h., sie nehmen kurzfristige Arbeiten an, fuer Monate, Wochen oder einen Tag, eine Nacht. Ein Nachtwaechter ist hier spottbillig, fuer umgerechnet 50 Euro riskiert er Nacht fuer Nacht, 12 Stunden lang, auch bei Regen, sein Leben.

Dann sind da die vielen Werber, die den Touristen gegen Provision Touren andienen. Und die Karrenschieber, die an den Busstationen warten, um Koffer und Waren mit einer zweiraedrigen Karre durch die Innenstadt zu ziehen. Die Taxifahrer, die Busfahrer, die durch Provisionen und Entlassungsdrohungen gezwungen sind, schnell und draengend zu fahren. Und die vielen Wachleute, die in dunkelblauen Uniformen, teilweise mit kuriosen Helmen, stets mit Schlagstoecken oder traditionellen Holzkeulen bewaffnet, tagsueber vor den Geschaeften und Banken stehen. Ueberall gibt es Strassenhaendler, die Zigaretten, Kekse, Feuerzeuge, Bon-Bons usw. anbieten. Die vielen Frauen, die auf einem der Marktplaetze, oder irgendwo an der Strasse Obst und Gemuese anbieten. Sie sitzen auf dem Boden, eines ihrer Kinder auf dem Schoss und essen selbst, was sie anbieten. In den engsten Gassen stehen die Staende der Kleiderverkaeufer. Hier wird Gebrauchtes angeboten, fleckig, z.T. verschlissen. Immer wieder zischt es von irgendwoher: "Tschtscht-Psssst! Want a mobile?" Dann halten einem junge Maenner gestohlene Mobiltelefone entgegen und gegenueber bieten auch gleich Laeden per Aussenwerbung die Entsperrung derselben an.

Werkzeug, Batterien, Kaemme, Stifte- mit allem wird auf der Strasse gehandelt und ein kleines Geschaeft, eine Existenz betrieben. Steuern zahlt da natuerlich niemand, dass ist eine Schattenwirtschaft, die den "Kleinen Mann von der Strasse" zum Anarchisten macht. Er lebt ohne soziale Absicherung und boxt sich durch, stets auf der Flucht vor der Polizei. Wie in Kairo, so sehen wir auch hier Maenner, die panisch und blitzschnell ihre Waren zusammenraffen und im Laufschritt in irgendeiner Gasse oder Einfahrt verschwinden- ein Warnruf hat eine Kontrolle angekuendigt.

Wichtigste Standorte sind die vielen Busstationen, wo Maenner mit Bauchlaeden den Fahrgaesten durch die offenen Autotueren und -fenster Last-Minute-Angebote machen: Kaugummi, Kekse, Obst, Sonnenbrillen, garantiert echte Rollex-Uhren, wobei die Waehrung hier nicht Schilling, sondern kurz "Bob" heisst.

Bei all dem Existenzdruck wundert es fast, dass es so wenig Hass in dieser Gesellschaft gibt. Weder im menschenarmen Norden, noch in der Provinz, noch in der Kapitale hoert oder fuehlt man Wut. In den Zeitungen wird viel und offen geredet, kritisiert, auf hohem Niveau argumentiert. Manchem Kommentator wuerde ich es wuenschen, in einer deutschen Tageszeitung gelesen zu werden. Auch der schwedische Botschafter kann sich kritisch und scharf aeussern, ohne dass ihm jemand sagt, er solle sich heraushalten. Der amerikanischen Politik steht man sehr kritisch gegenueber, gleichzeitig versucht man mit Sicherheitsmassnahmen vor Kinos und Hotels der kriminellen und terroristischen Bedrohung Herr zu bleiben.

geschrieben am 29.4. in Nairobi


 

 


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