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Reisetagebuch

5/2/2004   Kenia / Nairobi

Dinosaurier?

Besuch im Museum

(Harald) 1.5.

Nach einem gemeinsamen Fruehstueck fahren Renata und Ralph auf ihren Raedern Richtung Mombasa ab. Vor ihnen liegen etwa 550 km Asphaltstrasse, die sie unter anderem mitten durch den Tsavo-Nationalpark fuehren wird. Es regnet heute immer noch, aber weiter im Osten, an der Kueste, ist es trockener.

Fuer die naechsten Wochen werden wir ueber 1000 km Distanz zwischen uns haben, denn ich fahre in die fast entgegengesetzte Richtung nach Norden, nach Marsabit

2.5.

Ich radle zum Museum, mein dritter Besuch. Im Untergeschoss gibt es eine kleine, feine Ausstellung exakt nachgebildeter Schaedel- und Knochenfunde der ersten Hominiden und eine Nachbildung der Fussabdruecke, die man in Tansania gefunden hat: Offensichtlich hat eine dreikoepfige Gruppe aufrechtgehender Menschenaehnlicher, ein Mann, eine Frau und deren Kind, vor etwa 3,6 Millionen Jahren, auf einer Laenge von ueber 20 Metern, ihre Abdruecke in weichem Untergrund hinterlassen und dies ist dann durch seltene Umstaende versteinert. Ein fuer Millionen Jahre eingefangener Augenblick, eine Botschaft fuer uns: Es gab aufrechtgehende Hominiden Millionen Jahre vor der Steinzeit, die uns ja schon so unglaublich alt vorkommt, aber sich nur in Jahrzehn- bis hunderttausenden misst. Die Knochenfunde beweisen, dass es viele "Versuche" der Natur gab, intelligentere, aufrechtgehende Affen zu entwickeln, die aber alle wieder ausstarben. Welche Urmuetter und -vaeter wir haben, ist umstritten. Heute gibt es nur noch eine Menschenrasse, auch wenn uns Afrikaner und Chinesen so unterschiedlich von uns erscheinen. Aber vor etwa 30-35.000 Jahren gab es neben dem Homo Sapiens sapiens eine zweite Rasse: die Neandertaler. Entgegen frueherer Annahmen waren das keine Halbaffen mehr, sondern dem heutigen Sapiens-Typ sehr aehnlich sehende echte Menschen, mindestens so aehnlich, wie es das Museum im Duesseldorfer Neandertal zeigt. Und entgegen bisheriger Lehre hat der Homo Sapiens diese Rasse nicht ausgerottet, sondern es gab neben Verdraengung und Krieg auch Vermischungen, wie das fast ueberall in der Welt geschehen ist. Wahrscheinlich ist in unser aller Erbgut ein Stueck Neandertaler. Zuletzt lebten die Neandertaler noch in Spanien und auf der Krim, dort hat man die juengsten, eindeutig zuordnenbaren Funde lokalisiert.

Kleine Plastiken zeigen Dinosaurier, die laut Erklaerungstafeln komplett ausgestorben sein sollen. Meines Wissens nach sind aber die Krokodile und Schildkroeten direkte Nachkommen der Saurier und eigentlich auch die Voegel, deren Federn vormals Schuppen waren.

Ich schaue mir nochmal die Schaukaesten mit den Alltagsgegenstaenden der Nomadenvoelker Kenias an. Die Art und Weise, wie diese hier dokumentiert werden, legen den Schluss nahe, das es sich bei den Hirtenvoelkern ebenfalls um eine austerbende Spezies handelt. Ist es wirklich unabwendbar, noetig, richtig, dass diese "primitiven" Lebens- und Gesellschaftsformen aussterben sollten, sich adaptieren, assimilieren oder verschwinden muessen? Ich will dieser Frage weiter nachgehen.

Welche Voegel, gross wie Adler, schwarz, mit knallroten Hautwangen und Hals und langem gebogenem Schnabel, haben wir auf der Rueckfahrt von Nakuru neben der Strasse gesehen? Der Schaukasten zeigt ein ausgestopftes Exemplar des groessten Vogels seiner Spezies- den Abyssinischen Hornvogels, dessen Namen zeigt, dass er im ehemaligen italienischen Protektorat Abyssinien, heute Aethiopien, frueher vorkam.

In einer kleinen Halle wird die Geschichte Kenias dargestellt, d.h., dass was dokumentierbar davon ist: Besiedlung der Kueste durch Araber, Englaender, Inder, Bau der Ugandabahn, Entstehen der Swahili-Kultur, einer Mixtur aus islamischen und afrikanischen Einfluessen.

Die jahrtausende alte Kultur der Nomaden hat weder Gebaeude, Schriftstuecke noch Kultstaetten o.ae. hinterlassen. Diese Kultur hat ihre eigene Geschichte. In ihren Mythen spielen Wanderungen der Staemme und ihre sagenhaften Herkunftslaender eine Rolle, die Gruende der Wanderungen und die Schwierigkeiten, mit denen man dadurch zu kaempfen hatte. Es ist eine nur erzaehlte Geschichte, die durch den Glauben daran lebendig bleibt, eine Geschichte im erzaehlerischen Sinne. Fakten zaehlen fuer die heute wirkende Kraft dieser Geschichten nicht, Jahreszahlen, Zahlen von Toten, Landesgrenzen, reale Herrscher und Dynastien usw. kommen nicht vor. Natur, Mensch und Mystik vermischen sich zu einem spannenden Konglomerat. Nimmt man diesen Menschen ihren natuerlichen Glauben, verlieren sie auch ihre Geschichte, ihre Identitaet. Was bedeutet es fuer die Identitaet eines Stammes, wenn man wissenschaftlich sagt, sie seien z.B. im 18. Jh. von Somalia oder Sudan nach Kneia eingewandert, seien Niloten und haetten diesen oder jenen Stamm verdraengt und seien mit jenen oder diesen verwandt? Das sind Fakten, ist europaeisches Denken der Aufklaerung. Ich bezweifle stark, dass man aus diesen Menschen Christen oder Moslems machen kann, ohne das dies einen voelligen kulturellen Wandel erzeugt.

Witzig die ueber 70 Jahre alte Plakatwerbung der englischen Fahrradmarke "Raleigh": Ein Knabe auf einem Fahrrad radelt einem ihn verfolgenden Loewen solange davon, bis dieser mit heraushaengender Zunge aufgibt.

Die kenianische, moderne Geschichte ist auch die Geschichte der eingewanderten Inder, die von den Englaendern zum Bau der Eisenbahn als Kulis "importiert" wurden und fuer immer hier geblieben sind.

Erstaunlich die Erklaerung zu dem hinduistischen Hakenkreuz, dass ich schon auf dem Tempel in Thika gesehen habe: Es ist ein "Swastik" und hat, trotz verblueffnder Aehnlichkeit, nichts mit dem skandinavischen Hakenkreuzpendant der Naziz zu tun.

Die vier Enden des Swastik-Kreuzes symbolisieren die Moeglichkeiten der Wiedergeburt: Himmel (im spirituellen Sinne), als Mensch, Tier oder in der Hoelle. Da man im Hinduismaus bemueht ist nicht wiedergeboren zu werden und glaubt, das die Seele rein wie ein Kristal und von weisser Farbe ist, wurde das Swastik aus weissen Reiskoernern gelegt. Reis heisst auf indisch "Akschatt", was soviel wie ungeteilt heisst und ungebrochene Freude bedeutet.

Das Reis-Swastik bedeutet also die Befreiung vom Kreislauf von Wiedergeburt und Tod.

Am Nachmittag besuche ich das ehemalige Wohnhaus der Schriftstellerin Karen Blixen. Es liegt 20 km ausserhalb der City und es geht die ganze Zeit hoch, so dass ich, angekommen, voellig durchgeschwitzt bin- und ausserdem zu spaet, denn mangels Besuchern haben die Angestellten des Museums frueher Feierabend gemacht. Immerhin kann ich einen Eindruck von der Lage der Ex-Farm gewinnen und den schoenen Blick auf die bewaldeten Ngong-Berge geniessen. Das kleine, herrlich gelegene Haus, samt riesiger Kaffeeplantage hat das frisch verheiratete, daenische Ehepaar Blixen gekauft. Karen heiratete gleich nach ihrer Ankunft 1914 in Mombasa ihren Vetter, den Baron Bror Blixen-Finecke im Alter von 28 Jahren. Blixen jagte jedem Rock nach und infizierte seine Frau mit Syphillis, 1920 trennte sich Karen von Bror, 1925 wurden sie geschieden. Dann verliebte sich die 40-Jaehrige unsterblich in den britischen Adligen Grosswildjaeger und Flieger Dennys Finch-Hatton, der sie auch zum Schreiben animierte, so dass sie ihre gemeinsamen Erlebnisse festhielt.

1930 war die Farm finanziell am Ende, denn der Boden war fuer Kaffee zu sauer. Sie verkaufte die Farm und der neue Besitzer verkaufte das riesige Gelaende in kleinern Parzellen. Daraus entstand der heutige Stadtteil "Karen", der diesen Namen somit unsterblich machte.

Im selben Jahr stuerzte Karens grosse Liebe Dennys im Tsavo mit dem Flugzeug ab. Sein Grab liegt am Fusse der Ngong-Hills. Karen kehrte 1931 nach Daenemark zurueck und hat bis zu ihrem Tod 1962 Afrika nicht wiedergesehen.

Einige Jahre nach ihrer Rueckkehr schrieb sie den Roman "Afrika-dunkel lockende Welt" der ihr zu Weltruhm verhalf und von Sydey Pollack in der Naehe verfilmt wurde (nicht im Orginalhaus). 1954 wurde sie fuer den Literatur-Nobelpreis nominiert, den aber Ernest Hemingway erhielt.

Der Film ist einer meiner Lieblingsstreifen.

geschrieben am 8.5. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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