5/6/2004 Kenia / Nairobi
Kurz vor Exitus
Die hoechsten Landtiere der Welt
(Harald) In der Upper-Hill-Campsite habe ich ein junges israelisches Paerchen kennengelernt, die sich waehrend ihres Militaerdienstes kennengelernt haben. Kaum auf dem Campingplatz angekommen, werden sie schon von Einheimischen ruede angemacht- Israelis sind nicht beliebt, dass bestaetigen sie mir mehrmals selbst. In viele Laender trauen sie sich garnicht mehr. Ich schlage vor, sie sollten doch einfach verheimlichen, woher sie kommen, um Ruhe zu haben. Das sei zwecklos, heisst es, man gruesse sie staendig mit "Schalom!". Als wir uns heute morgen vor dem Hilton-Hotel an der Moi-Avenue treffen, kann ich mich sogleich davon ueberzeugen, dass die Guides ohne zu zoegern mit dem hebraeischen Gruss bei der Hand sind- verblueffend. Wir haben keine Ruhe, denn die zahlreichen Maenner, die fuer eine Provision Touristen in die Reisebueros schleppen, die sich "Touristeninformation" nennen (es gibt keine staatliche Info-Stelle), lassen uns nicht in Ruhe. Ganze Rudel haengen sich direkt an unsere Fersen, denn die helle Haut der Israelis und ihr unsicheres Auftreten verraten: Die haben noch keine Safari gemacht, ein Geschaeft winkt. Wir werden ohne Pause angesprochen, in Diskussionen, ja in Streit verwickelt. Man bezeichnet mich als "Resident", also als einen hier dauerhaft Lebenden, was fuer mich eher schmeichelhaft ist. Daraus dreht man mir aber den Strick, dass ich meine Freunde doch ins Buero fuehren soll/muss. Als ich dies wieder und wieder ablehne, wird man sauer, ich luege und wolle ihnen das Geschaeft verderben. Wir gehen im Wanderschritt um die Blocks, aber sie sind nicht abzuschuetteln, jedes vernuenftige Argument zieht nicht: "Ja, sicher, aber..." heisst es immer wieder. Ich schwanke zwischen Aerger und Belustigung ueber derart aufdringliche Verkaeufer, die nicht zu begreifen scheinen, dass sie nach dieser Aufdringlichkeit die Letzten waeren, bei denen man eine Tour buchen wuerde. Wir fluechten in einen der grossen staedtischen Busse. Die Linie 111 bringt uns, an mehreren, schlammigen Wellblechslums vorbei, nach Karen, wo wir in einen Mamatu zum Stadtteil Langata umsteigen und dann noch einen Fussmarsch machen muessen, um zu unserem Ziel, dem kleinen Giraffencenter zu kommen. Hier wird eine kleine Herde der sehr seltenen Rothschild-Giraffen gehalten. Mein Herz schlaegt sofort schneller, als ich die riesigen Tiere vor uns sehe. Der einzige Bulle ist gut 5 Meter gross, und damit sich Mensch und Tier auf Augenhoehe begegnen koennen, hat man einen Hochstand aus Holz gebaut. Ein Betreuer drueckt uns kleine Leckerchen fuer die Tiere in die Hand und die etwas Mutigeren diese auf die unglaublich langen, speicheltriefenden Zungen der Tiere. Die Tiere fressen ansonsten vornehmlich Akazienblaetter und ihre Zungen sind daher etwa 40 cm lang, um die feinen Triebe zwischen den Stacheln der Baeume herauszufischen und zu umwickeln. Es gibt nur eine Spezies der Giraffen, aber 8 Unterarten, von denen drei in Ostafrika vorkommen. Die Giraffen haben nur eine Verwandte im Tierreich- das im Kongo vorkommende, fast ausgerottete Okapi, eine optische Mischung aus Zebra, Giraffe und brauner Antilope. Die Rothschildgiraffen waren Mitte der 70er Jahre fast ausgerottet, nur noch etwa 170 Tiere hatten auf dem Gelaende einer privaten Farm ueberlebt. Das Ehepaar Leslie-Melville gruendete eine Schutzorganisation und heute gibt es wieder etwa 500 Tiere, u.a. im Nakuru-Park, wo ich sie nur von weitem sehen konnte. Aber hier kann man die Tiere anfassen, selbst Kinder streicheln die Riesen, die nur so lange freundlich sind, wie man ihnen ununterbrochen Leckereien auf die Zungen legt. Ansonsten schlagen sie mit ihrem Hals seitlich zu, oder bieten einem die Stirn. Der Bulle hat neben zwei kleinen, behaarten Hoernern auch eine dicke Schaedelplatte, mit denen die Maennchen Revierkaempfe austragen. Die Tiere koennen eine etwa kniehohe Mauer nicht uebersteigen, ihre Spezialisierung durch Groesse schraenkt auch wichtige Faehigkeiten ein. Dieser lebende Turm koennte zwar mit den Vorderbeinen auf die Mauer treten, wuerde aber das Besteigen nicht schaffen. Und das Fressen von Gras vom Boden ist den Tieren unmoeglich, weil ihr Hals nicht so lang ist, wie ihre Beine, die sich evolutionaer entwickelt haben, weil die obersten Baumkronen als Futterzone von keinem anderen Vegetarier besetzt war. Wenn die Tiere trinken wollen, muessen sie die Beine weit spreizen, ein Kraft- und Balanceakt, der zu den gefaehrlichsten Momenten im Leben der Tiere gehoert, weil die Tiere ihren Feinden, den Loewen, dann hilflos ausgeliefert sind, denn es dauert eine Weile, bis sie sich nach dem Saufen wieder aufgerichtet haben. Nur alte, schwache oder junge Tiere fallen i.d.R. Loewen zum Opfer, den ein einziger Tritt der riesigen Hufe kann einen Loewen toeten und es braucht schon mind. drei oder vier Loewen, um eine Giraffe zu toeten. Der laengste Hals der Tierwelt hat nur sieben Wirbel, wie der unsrige Hals und wie der der Maeuse auch. Das Herz ist bis zu 60 cm gross und pumpt pro Minute dabei 76 Liter Blut. Wenn die Tiere ihren Hals beugen, verhindert ein Kapilarsystem, das ihnen das Blut in den Kopf schiesst, aber auch so beschraenkt sich diese Faehigkeit auf wenige Minuten, denn diese Haltung schmerzt den Tieren. Die Tiere schlafen meist im Stehen und auch nur 10-30 Minuten am Tag. Man erkennt das dann nur, weil sie selbst den Fliegen verjagenden Schwanz nicht mehr bewegen. Ihre wunderschoenen, grossen, schwarzen Augen, von langen Winpern umgeben, sind dann meist halbgeschlossen. Bei der Geburt wiegen die Babys schon etwa 67 kg und sind 150 cm gross und koennen binnen Minuten laufen. Die Tiere werden 25-30 Jahre alt. Eines der Weibchen hier heisst Daisy und erinnert damit an ihre Mutter gleichen Namens, die vom Ehepaar Melville aufgezogen wurde und die darueber einen Bestseller geschrieben haben, so wie die Adams auch, deren Loewin Elsa fotografisch und literarisch verewigt wurde. Zu Fuessen der Giraffen laufen auf ihren Knien Warzenschweine herum, die sogar auf die Mauer springen, die die zehnmal groesseren Giraffen nicht uebersteigen koennen. Als wir zuruecklaufen, finde ich eine leuchtend gruene, duenne Baumschlange tot auf der Strasse. Chamaeleons, ihre vornehmliche Nahrung, suche ich in den Hecken aber vergeblich. Am Abend laden mich die beiden jungen Israelis zum Essen ein und dann bringe ich sie zu einem Taxi. Eine interessante Erfahrung, zu erleben, wie sich "frische" Touristen fuehlen. geschrieben am 9.5. in Nairobi
|