5/10/2004 Tansania / Arusha
Oliver
Reise nach Tansania
(Harald) Als ich morgens mein Rad, das Moskitonetz und eine Gepaecktasche wie abgesprochen in den Raum des Managers stellen will, ist der nicht da und der Raum abgeschlossen. Und man verlangt 40 KSH pro Tag fuer die Lagerung. Angesichts der Tatsache, dass ich viele neue Kunden in das Restaurant des Inhabers gebracht habe und wir seit Wochen gute Kunden sind, finde ich das unangebracht. Aber ich habe jetzt keine Zeit mehr, auf den Manager zu warten- geschickt gemacht von dem Mann! Unwohl ist mir bei dem Gedanken, dass mein Rad jetzt erstmal fuer jedermann sicht- und greifbar hier herumsteht, wenn auch abgeschlossen. Damit Verbindlichkeit entsteht, bezahle ich fuer 10 Tage im Voraus und sage dem Rezeptionisten, dass ich jetzt, da bezahlt, erwarte, dass das Rad versichert ist. Um 8 Uhr bin ich am Matatu-Stand. Ein starker Verkehr herrscht, es ist laut, verqualmt. Ein Peugeot-Taxi ist nur 50 KSH teurer, als ein Matatu, faehrt aber ohne Stop durch. Es dauert eine halbe Stunde, bis alle Plaetze besetzt sind, dann gehts los. Der Kombi schleicht sich durch die morgendliche Rush-Hour, Abgaswolken legen einen grauen Film ueber die Strassen, hunderte LKW und Busse stossen schwarzen Russ aus, jeder hupt vor sich hin, schneidet seinem Nebenmann, so gut er kann, den Weg, bahnt sich mit laessig aus dem Fenster gestrecktem Arm seinen Weg; gespreizte Finger heisse: Warte! In Deutschland wuerde es bei diesem egoistisch-rueden Vorgehen wahrscheinlich Schlaegereien geben. Wir erreichen den eher kleinen Nairobi-Nationalpark suedlich der Stadt. In Sichtweite des Geschaeftszentrums kann man hier Grosswild beobachten, nirgendwo sonst hat man diese skurile Kulisse: Zebras, Bueffel, Giraffen vor Hochhaeusern, nirgendwo kan deutlicher werden, wie sehr der Bevoelkerungsdruck auf den Wildparks lastet. Durch eine gruene, mit Bueschen, Akazien und Jacarandabaeumen bewachsene Huegellandschaft, vorbei an kleinen Ziegen- und Rinderherden, die von rotgewandeten Massai-Knaben getrieben werden, geht die Fahrt mit 80 km/h Richtung Tansanische Grenze. Ein Tempomat gibt fiepend Signal, sobald der Fahrer die erlaubte Hoechstgeschwindigkeit fuer Taxis ueberschreitet, jeder hat einen Sicherheitsgurt, meiner funktioniert auch. Pinkelpause im Amboseli-Nationalpark. Keiner der Maenner macht sich trotz der mitfahrenden Frauen die Muehe mehr als ein paar Schritte vom Wagen wegzugehen, einer pinkelt gleich neben die Tuere, wo ich einsteigen muss. Tiere sind nicht zu sehen, aber hunderte bluehender Buesche machen das wett. Grosse, blass-lilafarbene Bluetenkelche, ein herrlicher Kraeuterduft liegt in der warmen Luft, die Sonne scheint zwischen dahinziehenden Wolkenfetzen hindurch, ein blassblauer Himmel, Voegel zwitschern, kleine Bienen summen, ein wunderbarer Tag, der erklaert, warum Menschen viel Geld ausgeben, um aus aller Welt hierhin zu kommen, ein Stueck Paradies zu finden, dass so kostbar erscheint, aber dennoch allerorten bedroht ist. Mittags: Namanga, Grenzort zu Tansania, verschlafenes Ortchen. Ausreisestempel, Visum kaufen (erstaunlich guenstige 20 Dollar), die letzten Dollars in Tansanische Schillinge tauschen, Einreisestempel. Alles easy, denn zwischen den beiden Nachbarstaaten bestehen vereinfachte Vorschriften fuer den Grenzuebertritt, die z.B. auch mehrfachen Wechsel erlauben. Mein Pass laeuft allerdings ab und deshalb ist meine Aufenthaltsgenehmigung auf 2 Wochen begrenzt. Ein neuerliches Peugeot-Kombitaxi bringt mich weiter nach Arusha. Nur das es in Tansania keine gesetzlich limitierte Passagierzahl gibt- was reingeht muss rein. So sitzt neben dem Fahrer, auf einem winzigen Sitzpolster, dass die darunterliegende Handbremse verdeckt, erhoeht, mit dem Kopf unter dem Wagendach, noch eine Frau und neben mir quetschen sich drei, statt zweier Fahrgaeste. Ich solle doch meinen Sicherheitsgurt loesen, den brauche man in Tansania nicht. Ich sage dem Mann, dass der Gurt nicht fuer Tansania sei, sondern fuer mich und hinter mir lacht einer der Maenner herzlich ueber den Konter. Der Fahrer schimpft auf Massai los, als ich sage, ich sei doch keine Sardine in der Buechse- ohne das alle die Schultern schraeg stellen, einer vornuebergebeugt sitzt und ich die Arme nach vorne strecke, geht es garnicht. Knochen bohren sich in Weichteile, jeder drueckt sich Platz. Der Fahrer lamentiert, ich hoer "Petrol" und "Muzungu" und unterbreche seinen Redeschwall und sage ihm auf Englisch, was in Kenia ginge, gehe auch in Tansania und weniger Passagiere hiesse weniger Gewicht und das auch weniger Benzin und die Mehrkosten durch zwei Fahrgaeste weniger betruegen ja weniger als 10 %, die waere jeder bereit mehr zu zahlen, was immer er jetzt noch auf Massai von sich gaebe. Wieder lachen die Fahrgaeste, ein gutgefuehrtes Streitgespraech, ohne Gebruell und Beleidigungen, hoert man gerne, das lockert die Sache auf, gibt neue Einsichten und amuesiert. Natuerlich ist es in Tansania auch nicht gefaehrlich, schneller als erlaubt zu fahren- time is money! das voellig ueberladene Auto schwimmt merkbar, rumpelt, schlingert, die verbrauchten Stossdaempfer schlagen wie ein Hammer unter der Sitzbank, mit ueber 100 km/h haelt der Baerbeissige da vorne auf Schafherden zu, mehr als einmal stoesst er Kuehe fast an. Felsige Berge tauchen auf, dann zu linker Hand der Mount Meru, dessen braun-kahler Gipfel seine Hoehe verraet. Hier liegt die Baumgrenze, dank des Klimas, bei erstaunlichen 3500 Metern, in Deutschland bei 1800. Der Kraterrand des Meru erreicht 4500 Meter- Himmel, ist der hoch und steil! Und da will Oliver mit mir rauf? Nachmittags erreichen wir Arusha, eine Grosstadt, die wie eine Kleinstadt wirkt. Maessiger Verkehr, viel Gruen, ein angenehm langsames Tempo auf den Gehsteigen, fast kein Hupen. Kaum steige ich aus dem Taxi aus, schultere den Rucksack auf meinen arg beanspruchten Ruecken, ziehe die Fahrradtasche unter der Rueckbank hervor, sprechen mich zwei junge Maenner an: "Harald? You know Oliver?" Na prima, das laeuft ja wie am Schnuerchen. Sie fuehren mich um die Ecke zu einem kleinen Guesthouse, Oliver, 27 Jahre, Zimmermann aus der Schweiz, sitzt auf den Eingangsstufen und freut sich offensichtlich. Bald stellt sich auch Francis ein, Hamburger, der mit Oliver aus Nairobi gekommen ist und vorallem die grossen Parks Serengeti, Massai-Mara und den Ngorongoro-Krater besuchen will, waehrend es Oliver und mir ja um die Berge geht. Oliver will sofort morgen los, ein Mann erscheint, der sich als Bergfuehrer vorstellt. Ich hatte Oliver schon in Nairobi gesagt, dass ich skeptisch bin, was die jungen Maenner angeht, die sich als Bergfuehrer oder Safariexperten ausgeben, denn jeder braucht Arbeit und Geld, hat aber oft keine Ahnung vom Buisness. Der Mann aber ist puenktlich, gross und stark, ruhig und selbstbewusst, Anfang Dreissig, hat Familie und zeigt Fotos, die ihne neben Touristen auf dem Gipfel des Kilimandscharo zeigen. Wir gehen mit den beiden Anwerbern und ihm auf den Markt und kaufen Lebensmittel fuer die Drei-Tage-Tour ein. James, einer der beiden Anwerber, denen Oliver sogar noch 10 Dollar extra gezahlt hat, spricht sogar leidlich Deutsch. Ich kaufe eine kleine Kokosnuss, eine herrliche Leckerei, frisch und saftig. Der Verkaeufer zerschlaegt die Schale mit einem Winkeleisen, laesst das Wasser herauslaufen und ich loese mit meinem Meroe-Messer vorsichtig das Fruchtfleisch innen ab. Gleich greifen ungefragt mehrere Haende zu, auch mein Messer wird, kaum abgelegt, sofort benutzt. Es dauert nur eine Minute und einer der beiden Werber stoesst sich die spitze Klinge tief in den Handteller, das Blut stroemt foermlich aus der Wunde, binnen Sekunden ist alles voller Blut ringsum. Das muss genaeht werden und zwar schnell! Wir schicken den Mann ins Krankenhaus, alle sind betroffen, fast vorwurfsvolle Blicke treffen mich: es war mein Messer...Aber soll ich einem Massaimann Vorsicht beim Umgang mit meinem Messer erklaeren? Oliver bietet mir das einzige Bett im Hotel an und will auf dem Boden schlafen. Ich moechte Renata schreiben, aber nach dem Abendessen im African-Queen-Restaurant sind alle Netcafes geschlossen. So muss ich aus der Stadt heraus zu einem 24-Stunden-Net gehen, dass dem Impala-Hotel angeschlosssen ist. Eine Luxusherberge voller Touristen und man muss mindestens eine Stunde fuer 4 Euro Verbindungskosten kaufen. Das ist mir zu teuer, ich versuche den Weg in die Stadt, durch die Dunkelheit zurueck zu finden. Schon auf dem Hinweg haben mich ein halbes Dutzend Leute angesprochen, es sei zu gefaehrlich in dieser Gegend und das wiederholt sich jetzt. Ich achte darauf, ob mich jemand verfolgt, geht jemand hinter mir, lasse ich ihn vorbeigehen. Im Guertel steckt mein Messer, aber gegen mehrere entschlossene Brutalos, mit Pangas, den langen Messern bewaffnet, haette ich natuerlich keine Chance. Es wird mir letztlich zu mulmig, ich halte ein Taxi an. Aber der Fahrer kennt sich in Arusha nicht aus und spricht kein Englisch. Als er zum zweiten Mal nicht nur aussteigt, sondern sogar um die Ecke verschwindet, steige ich aus und gehe zu Fuss weiter. Es kommt mir entgegen, aber fuer das nutzlose Herumirren zahle ich ihm nichts. Schliesslich fuehrt mich ein freundlicher Kerl bis zum Restaurant, von dort will ich das Hotel finden. Auch das ohne Erfolg und die Leute kennen das Hotel auch nicht. Was ist hier los, dass man sich in 500 Meter Umkreis nicht kennt? Ein Wachmann vor einem Hotel kennt schliesslich meine Unterkunft und fuehrt mich hin. Oilver hat sich ungefragt meine Schlafmatte genommen und sie ohne Plane und mit der Oberseite nach unten auf den blanken Boden gelegt. Am naechsten Morgen stelle ich fest, dass hier, wie in Aethiopien und Kenia auch, die Boeden geoelt werden, damit sie leichter zu reinigen sind und die Matte voellig verklebt ist. geschrieben am 16.5. in Arusha
|