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Reisetagebuch

5/12/2004   Tansania / Mount Meru

Im Maerchenwald

2. Camp

(Harald) Noch in der Dunkelheit bereiten wir den Aufbruch vor, denn wir wollen moeglichst nicht entdeckt werden, wenn ein Ranger die gut uebersehbare kleine Ebene hinter uns mit dem Fernglas absucht. Und wenn ich meinen Blick auf den schwarzen Koloss da im Daemmerlicht richte, kann ich nicht glauben, dass wir das heute schaffen koennen.

Das Zelt ist derart nass vom Tau, dass ganze Pfuetzen auf der Plane stehen. Und alles andere ist klamm, aber wir haben keine Zeit, auf die trocknende Sonne zu warten.

Einer der Traeger, Franky, hat sich gestern abend als Koch betaetigt und er und der zweite Porter haben in aller Fruehe schon Wasser geholt. Dabei haetten sie fast vergessen, Olivers Flasche zum Auffuellen mitzunehmen. Wir fragen wiederholt, ob es dort oben noch eine Quelle gaebe, Oliver ist davon ueberzeugt, aber wir bekommen immer wieder afrikanische Antworten: "Yes, we will see, maybewe have to go..." Alles wischiwaschi eben.

Die Nacht war richtig kalt, ich habe in der kompletten Kleidung, sowie in einer dicken Winterjacke des Fuehrers geschlafen, sowie in einem Winterschlafsack, mit einer Wollmuetze auf dem Kopf. Der Mann heisst Lomajani, ist 33 Jahre alt, verheiratet und hat 2 Kinder. Er ist laut seinem Ausweis professioneller Fuehrer, aber als wir im Regenwaldguertel angekommen sind, finder er wieder keinen Weg. Bald stellt sich heraus, dass Franky, der Koch und Traeger der beiden kleinen Wasserkanister, ein besseres Gespuer fuer den besten Weg hat.

Der Regenwald ist kuehl und duftet nach Kraeutern, immer wieder zupfe ich Blaetter und Blueten ab, zerreibe sie zwischen Daumen und Zeigefinger und schnuppere daran, am liebsten wuerde ich diese Wohlgerueche mitnehmen. Alles blueht in Rot und Lila und Geld und Weiss, Gladiolen erkenne ich, Schluesselblumen, Vergissmeinnicht und Klee, aber alles andere ist mir fremd.

Riesige Baeume, dicht mit Flechten, Lianen und Moospolstern bewachsen stehen um uns herum, manche sind umgestuerzt, andere haben einen Teil ihrer Wurzeln wie ein Stuetzwerk ueber Felsen getrieben und es sind natuerliche Hoehlen entstanden, gross wie Huetten, wie eine Einladung, darunter Schutz vor Regen zu suchen. Eine Kulisse fuer einen Film wie "Herr der Ringe", faellt Oliver ein.

Der Wald ist dicht und es gibt keinen Pfad. Manchmal zeigen abgeschlagene Aeste, dass hier vor Monaten Menschen waren, gelegentlich liegen dicke Spaene im Erika-Kraut. Bis auf kurze Passagen, die zumindest einen kuerzeren oder lichteren Bewuchs aufweisen, muss uns Lomajani mit deiner Panga, dem Buschmesser, den Weg freischlagen. Ich knicke hunderte von Aesten um, um den Rueckweg deutlicher und leichter passierbar zu machen. Einmal stosse ich beim gebueckten Durchdringen eines Gebueschs einen abgebrochenen Ast knapp unter das linke Auge und bin erst erschrocken, dann dankbar erleichtert, dass ich mir das Auge nicht zerstossen habe, wie der Aelteste in Lokologo.

Graeser und Buesche sind nass und binnen kurzem sind unsere Hosen bis zu den Oberschenkeln hinauf durchnaesst. Mit zwei paar Socken und Pflastern darunter, halten sich meine Fersen ganz gut. Ich habe mir gebrauchte Schuhe fuer das Trekking kaufen muessen und die muessen sich meinen Fuessen erstmal anpassen.

Stundenlang kaempfen wir uns durch das Gestruepp, oft muessen wir umkehren, weil kein Durchkommen ist. Immer wieder beraten sich die drei Massai, weil im dichten Wald keine Orientierung moeglich ist.

Hier gibt es Elefanten, wie die grossen Dunghaufen beweisen, manchmal sehe ich auch Spuren kleiner Antilopen und wir hoeren das Gebruell von Guerezza-Affen, die wir erstmals in Bahir Dahr, Aethiopien gesehen haben.

Lomajani ist schweissueberstroemt, er hat die schwerste Last zu tragen und ist ausserdem der Vordermann. Der Juengste im Bunde, ebenfalls einen grossen Rucksack auf dem Buckel, schwitzt nicht mal, macht einen geradezu unverschaemt relaxten Eindruck. Ich selbst schleppe mich am Nachmittag nur noch voran, falle manchmal ueber die eigenen Fuesse. Ich habe Kopfschmerzen, fuehle mich matt und habe zunehmend Atembeschwerden. Ich habe mich offensichtlich durch den Temperaturwechsel und das Schwitzen, trotz aller Vorsicht, erkaeltet.

Irgendwann vergeht selbst Oliver, dem fast unverwuestlichen Optimisten, das Lachen. Himmelherrgott, die finden den Weg ja nie! Wo, Kruzifix, gehts jetzt wieder lang? Oliver meint, das sei keine Drei, sondern eine Vier-Tage-Tour. Und als wir wieder mal den Gipfel sehen, sind wir demoralisiert, weil die Baumgrenze noch so weit entfernt ist. Dort soll das 2. Camp aufgeschlagen werden.

Irgendwann sagt Oliver, nachdem wir wieder irgendwo im Gebuesch feststecken und alles wieder umherirrt, auf der Suche nach einer Luecke: "Ich denke wir sollten aufgeben und zurueckkehren." Aber ich weiss, dass der passionierte Trekker und Bergsteiger verdammt gerne auf den vierthoechsten Berg Afrikas moechte und das er das auch mit Ruecksichtnahme auf meine eigene Erschoepfung sagt. Ich sage ihm, dass er jetzt bloss nichts davon auf Englisch sagen soll, denn dann kippe die Moral vollends um- lass uns noch weiterkaempfen.

Als ob dies ein Losungswort gewesen waere, lichtet sich nach 20 Minuten der Wald, der Bewuchs wird flacher, die Sonne scheint durch die Kronen, die Laune hebt sich. Und dann sehen wir die Auslaeufer der Baumgrenze, stapfen mit einem Mal durch schwarzen Lavasand, der weich unter den Schuhen nachgibt. Die Sonne trocknet nach und nach die Hosen und Schuhe, jetzt werden die Baeume seltener. Die Flechten halten sich noch ueppig, weil hier dichte Nebelschleier die fehlende Bodenfeuchte ersetzen.

Kan es sein, dass da Edelweiss im Sand steht? Ich bin mir nicht sicher und Oliver, schon weiter oben, ist zu muede, um nochmals herunter zu laufen.

Jetzt sind meine Kraefte am Ende, ich atme schwer, mein Asthma macht sich bemerkbar, mein Kopf scheint zu platzen. Ist das schon Hoehenkrankheit? Wir sind auf 3500 Meter, der Gipfel noch 1000 Meter ueber uns.

Um 15 Uhr geht nichts mehr, aber die Fuehrer zeigen nach oben: noch 100 Meter!

Endlich schlagen wir das Camp auf, sofort wird gekocht und gegessen. Lomajani meint, wir sollten heute noch auf den Gipfel. Tatsaechlich haben wir kaum noch Wasser, denn eine Quelle hat sich nicht gefunden. Und ploetzlich weiss, wusste Lomajani es ganz genau: es gibt hier oben kein Wasser. Das haette er uns frueher sagen koennen, anstatt uns hinzuhalten. Dann haetten wir uns an der Quelle nochmals richtig sattgetrunken. Noch besser waere es gewesen, mehr Plastikflaschen mitzunehmen. Aber als wir hoerten, dass noch ein zweiter Traeger, extra nur fuer Wasser mitkaeme, waren wir beruhigt. Und jetzt reicht das Wasser nicht!

Auf dem ganzen Weg hiess es, eine Teilung der Gruppe kaeme nicht in Frage, dass sei zu gefaehrlich und auch Oliver beschwor Solidaritaet: Zusammen oder garnicht. Aber als ich ihm jetzt anbiete, alleine hochzugehen, weil ich nicht mehr dazu in der Lage bin, entscheidet er sich dazu, mit Lomajani hochzugehen. Es ist kurz vor 16 Uhr, als sie aufbrechen, viel zu spaet, denn sie muessen im Dunkeln absteigen. Man vereinbart Lichtsignale mit den Taschenlampen, damit die Beiden den Rueckweg finden.

Ich weiss genau, dass durch Olivers Entscheidung meine Chancen, den Gipfel zu erreichen, stark geschunden sind. Denn die Fuehrer werden darauf pochen, das die Aufgabe erfuellt sei, weil Einer es geschafft hat. Ich kann allerdings erst morgen fureh hoch und das sage ich Franke auch. Er meint, ich muesse dann morgen bis 9 Uhr warten, damit ich erst um 12, 13 Uhr auf dem Gipfel sei, sonst liefe ich den anderen Touristen und Rangern in die Arme.

Mit dem Fernglas kann ich die beiden Kletterer sehen, wie sie sich muehsam nach oben schleppen, immer wieder Pausen machen.

Dann kocht Franky, wir essen, ich baue das Zelt auf und gehe schlafen.

Als gegen 21 Uhr Oliver und Lomajani zurueckkommen, stellt sich heraus, dass Lomajani auch beim Abstieg den Weg nicht fand und die Beiden in die Irre gelaufen waeren, wenn Oliver nicht auf markanten Felsen kleine Steintuerme zur Orientierung errichtet haette. Die Taschenlampensignale waren nutzlos, weil die Hangneigung keine direkte Sicht erlaubte. Das war alles sehr leichtsinnig.

Und Oliver sagt, die "Idioten" haetten tatsaechlich das letzte Wasser beim Kochen verbraucht. Damit ist klar, dass ich morgen nicht mehr auf den Gipfel kann. Ich kann mir nicht helfen- aber das war Absicht von Franky, denn die Drei wollen sicher morgen schnell zurueck. Ich bin stinkesauer ueber die Versaeumnisse und diese intrigante Verhaltensweise.

Die Nacht wird erstaunlicherweise viel waermer, als die letzte, obwohl wir ueber 1000 Meter hoeher campieren, aber hier ist es trockener. Und ausserdem herrlich ruhig.

geschrieben am 17.5. in Arusha


 

 

 

 

 

 

 

 


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