5/13/2004 Tanzania / Arusha
Rueckkehr
Bergab statt bergauf
(Harald) Mein Zelt steht an einem unuebertreffbaren Aussichtspunkt am Rande des Regenwaldes, hoch ueber den gruenen Huegeln und scheinbar himmelhoch ueber der weiten Ebene. Als wir in aller Fruehe im tiefen, schwarzen Sand vor dem Zelt stehen, umgeben von alten, knorrigen Baeumen voller hellgruener, langhaengender Flechten, malt die Sonne hinter dem Mount Meru dessen Gipfel als Schatten auf die blasslila Wolkendecke, die sich im Sueden ausbreitet. Eine wunderbare Stille umgibt uns, ein schwarz-weisses Rabenpaerchen kraechzt, ein paar Voegel traellern, der Wind streicht fluesternd durch die Buesche. Die Guides draengen zum fruehen Aufbruch, warum ist unklar, denn wir haben den ganzen Tag Zeit um abzustiegen. Aber ohne ein deutliches Wort will ich nicht aufbrechen. Ich sage dem Fuehrer, dass ich jetzt durchaus in der Lage waere, ausgeruht und besser an die Hoehe angepasst, den Gipfel zu erreichen. Der sagt, dass sei unverantwortlich, da wir kein Wasser haetten. Und der Zweite sagt zu Oliver, er sei eben cleverer gewesen, weil er gestern den Gipfel bestiegen haette. Ich moechte den Kameraden am liebsten sagen, dass ich beim Bezahlen durchaus zeigen koennte, wie clever ich bin. Aber Oliver laesst sich unwidersprochen den Bauch pinseln, die Taktik des Gegeneinanderausspielens ging fuer die Guides schon gestern auf und auch heute zuckt Oliver die Schultern: Tja, kann man nichts machen. Gestern liess er mehrmals verlauten, eine Splittung kaeme auf keinen Fall fuer ihn in Frage (Alle fuer Einen...), aber dann war ihm die Jacke doch naeher als die Hose. Waeren wir uns gestern nur einig gewesen und haetten das Wasser in unserem Zelt gehortet...Haette, waere, wenn- es aendert nichts, ich kann ohne Wasser, schon jetzt durstig, den Gipfel nicht erreichen und wieder absteigen, denn bei zunehmender Hoehe muss man gerade viel trinken. Es kostet mich grosse Ueberwindung, den so greifbar nahen 4500er unbezwungen zu lassen. Bergab geht es dann fast im Laufschritt. Wie gestern renne ich hinterher, von einer gefuehrten Gruppe kann keine Rede sein. Ueblich ist ein Schlussmann, aber, hey Mann! Das ist Afrika! Hier zaehlt nur koerperliche Faehigkeit, Respekt wird dem Starken gezollt, Schwaeche erzeugt kaum Ruecksicht. Die Jungs wollen heim, also geht es im Laufschritt durch die Buesche. Und bei diesem Tempo verfehlen wir natuerlich gleich auf den ersten 20 Metern den bereits gebahnten Rueckweg und fangen erneut an, uns durch das teilweise undruchdringliche Dickicht zu bahnen. Wozu meine Muehe, all die Aeste abzuknicken? Da sich die Guides vorne auf Oliver konzentrieren, bleibt mir nichts anderes uebrig, als hinterherzulaufen, auch wenn ich teilweise den alten Weg wiederfinde, den wir zwei, dreimal kreuzen. Auch die Richtung stimmt m.E. nach nicht und das sage ich Oliver und dem Fuehrer. Aber Oliver geht jede Wette ein, dass wir richtig sind. Je weiter wir absteigen, desto sicherer bin ich mir: Dieser Weg ist falsch. Wir treffen auf ausgetretene Pfade, aber selbst die kennt keiner unserer sogenannten "Guides"- und das ist ja ihre eigentliche Aufgabe, ansonsten waeren wir mit reinen Traegern besser bedient gewesen. Die Jungs haben schon morgens wieder gekifft und diskutieren jetzt sogar untereinander. Wir sehen eine Gruppe Guerezza-Affen, die wie Kinder in schwarzen Wintermaenteln aussehen. Ausser Spuren von kleinen Antilopen, sehen wir keine groesseren Tiere, dafuer Schmetterlinge, Voegel und Eidechsen. Aber keine Zeit, ich verliere meine Vorderleute aus den Augen. Welchen Tunnel in den Bueschen haben sie genommen? Schliesslich gelangen wir auf eine Graslichtung und wieder reklamiere ich die falsche Richtung, wieder ohne Erfolg, Oliver ist sich todsicher. Wir gelangen in eine steile Schlucht und spaetestens jetzt muesste allen klar sein: hier waren wir beim Aufstieg nicht. Stur geht es weiter und damit ist klar: Wir werden die Quelle vor dem Regenwaldguertel nicht finden, erklaertes Ziel der Guides. Der Durst wird quaelend. Als wir endgueltig den Wald hinter uns lassen, befinden wir uns kilometerweit von der Quelle entfernt. Ich stolpere mittlerweile ueber meine Fuesse, meine Oberschenkel brauchen eine Pause. Wieder und wieder heisst es, da vorne machen wir halt. Das geht so lange, bis ich mich einfach hinsetze und Oliver, der draengt sage, ich wuerde den Weg schon alleine finden, sie sollten ruhig schon ohne mich gehen. Am Fuss des Berges wird gerodet, mitten im Naturschutzgebiet. Die Guides bedraengen die Arbeiter uns von ihrem Wasser abzugeben. Nach einem kleinen Schluck lehne ich es ab, den Maennern ihr weniges Wasser wegzutrinken. Abwaerts, fast im Laufen, ueber eine Waldstrasse. Uns kommen Massai entgegen, die im Wald arbeiten. Ja, da vorne gaebe es Wasser, gleich, ganz nah. Afrikanische Hoffnungsmacherangaben sind das. Wozu die Wahrheit sagen? Das aendert ja doch nichts und macht keinen Mut. Und tatsaechlich dauert es noch ueber eine Stunde, bis wir endlich eine Quelle finden, nicht ohne uns zuvor noch in einem Maisfeld wie die Raeuber vor einem Forstbeamten versteckt zu haben, denn wir wollen ja nicht auf den letzten Metern noch Parkgebiehren zahlen. In einem Massaigehoeft fruehstuecken wir, direkt vor uns waelzt sich eine Kuh an einer kurzen Leine notgedrungen im Mist, waehrend wir Tee trinken, pisst sie anderthalb Meter vor mir. Its so basic! Es wird wieder gekifft, mich fragt man schon nicht mehr, ob ich auch mal ziehen moechte. Ueber eine weite Grasebene geht es im Sauseschritt sanft weiter bergab, die Guides haben die Richtung wieder erfragt, nur das es von hier aus weiter zur Strasse ist, als beim Aufstieg. Die Massai denen wir unterwegs begegnen, fragen manchmal: "Picture?" (Bild?)- eine beliebte Einnahmequelle fuer die traditionell Gekleideten. Ein kleines Dorf an der Teerstrasse, die Dalla-Dallas oder auch Hyace, wie in Tanzania die Matatus genannt werden, sind alle besetzt. In einem Restaurant fuellen wir Maengen nochmals, es gibt Bier und Zigaretten fuer die Guides. Dann, nach anderthalb Stunden, endlich ein paar freie Plaetze und nach einer Stunde sind wir wieder im Hotel. Um des lieben Friedens willen und weil Oliver einen Teil meines Anteils an den Guidekosten uebernimmt, sperre ich mich nicht gegen die Restzahlung an den Fuehrer. Aber als Guide fuer den Kilmandscharo kommt die Truppe fuer mich nicht in Frage. Der Werber, der uns an die Fuehrer vermittelt hat und sich mit meinem Messein die Hand stach, erzaehlt uns im "African Queen Restaurant" am spaeten Abend noch eine Raeuberpistole: Sein deutsch-sprechender Freund sei von fuenf Maennern mit Pangas, also Langmessern, niedergeschlagen worden, laege schwerverletzt in einem Krankenhaus. Als ich sage, ich wuerde ihn morgen besuchen, heisst es geschwind, dass sei weit entfernt. Macht nichts, sage ich. Und morgen bringe man ihn in ein anderes Hospital, dass sei 8 Fahrtstunden entfernt, weil dort seine Familie wohne. Aber sicher doch... Vor dem Hotel kommt dann, was kommen musste: Man fragt Oliver (nicht mich! Ich mache aus meiner Gewissheit keinen Hehl), ob er nicht den Freund unterstuetzen koenne. Aber die Geschichte ist selbst fuer den Optimisten Oliver unglaubwuerdig und er lehnt ab. geschrieben am 22.5. in Arusha
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