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Reisetagebuch

5/31/2004   Kenia / Kiptaberr

Cheranganiroesties

Durch einen Urwald geht es bergauf ins Stammesgebiet der Marakwet

(Harald und Renata) Da unser erster Wandertag nur mit drei Stunden Dauer veranschlagt ist, lassen wirs ruhig angehen, fruehstuecken gemeinsam im Amani-Hotel, kaufen in einem von Indern gefuehrten Supermarkt das Notwendige fuer die naechsten Tage ein. Im Zielgebiet, den Cherangani-Bergen, wird es nicht viel Gewohntes zu essen geben und ich kann die anderen, trotz mehrfacher Versuche, nicht davon ueberzeugen, doch mal "local-food" zu essen: Maisbreigerichte z.B., oder Ugali, ein porridge-aehnlicher, weisser Getreidekuchen, der erst wirklich Geschmack bekommt, wenn man Sossen oder Fleisch dazu isst.

Allein die gut 20 Reissorten, die hier sackweise angeboten werden, zeigen wer Herr im Hause ist. Das Angebot ist fast international, dies ist wirklich ein Supermarkt. Noch einmal Schokolade, Sodas Cashewnuesse, Eis. Ansonsten deckt sich Oliver mit Mangos, Avokados ein, wir kaufen Bananen, Spaghetti, Tomatensossen, Wasser u.s.w.

Kitale ist eine Kleinstadt mit etwa 55.000 Einwohnern, eher beschaulich, in etwa 1900 Metern Hoehe am Fusse des 4321 m hohen Mount Elgon gelegen, somit Kenias zweithoechstem Berg, der Mittelpunkt eines Nationalparks ist. Im Umland wird viel Pyrethrum angebaut, ein nauerliches Insektizid. Hier war einst ein Herzgebiet der weissen Siedlerschaft. Buren, Siedler aus Suedafrika niederlaendischer Abstammung, hatten hier bis zur Unabhaengigkeit ihre grossen Farmen. Da es keine Staedte im kenianischen Inland gab, wundert nicht, dass auch Kitale erst in der 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gegruendet wurde. Davor gab es hier nur einen Versorgungsposten an einer der Sklaven-Karawanenwege, die Ostafrika durchzogen und ueber die vor allem die Araber sich mit Leibeigenen versorgten.

Uns fallen die vielen Fahrradtaxis auf; keine Rikschas, sondern Raeder chinesischer oder indischer Herkunft, die mit einem rechteckigen, gut gepolsterten Gepaecktraeger ausgestattet sind. Maennlein und Weiblein sitzen darauf, letztere im Damensitz, und lassen sich durch die Stadt kutschieren. Die Menschen sind durchweg freundlich und nicht so aufdringlich, wie in Nairobi. Die Bewohner dieser Region gehoeren der Kalendschin-Volksgruppe an. Hierunter sind verschiedene kleine und grosse Staemme zusammengefasst. Der letzte Praesident Kenias, Daniel arap Moi, gehoert dieser Gruppe von unterschiedlichen Ethnien an. Das Wort "Kalendschin" bedeutet "Ich sage Dir" und geht auf eine Radiosendung in der nilotischen Muttersprache dieser Ethnien zurueck. Um ein Gegengewicht zu den zahlreichen, maechtigen Kikuyus und Luo herzustellen, vereinigten diese Staemme ihre Interessen.

Vor etwa 2000 Jahren wanderten Niloten aus dem Suedsudan nach Nordkenia aus und vermischten sich mit den dort ansaessigen Kuschitenstaemmen. Zu den Kalendschin gehoeren die Nandi, Tugen, Sabaot, Elgeyo, Kipsigis, Marakwet und die beruehmt-beruechtigten Pokot, deren Gebiet wir morgen erreichen werden.

Wir suchen den Matatu-Stand, von dem aus es weiter gehen soll. Unser Startort fuer die Wanderung ist Kapscherop. Dieses Oertchen erreichen wir ueber eine Zwischenstation, dem Dorf Kapenguria. Als wir den Matatu dorthin besteigen wollen, sitzt drinnen schon ein Mann mit einem gewaltigen Ring von Fahrradmaenteln um den Hals. Hier wird jeder Quadratdezimeter genutzt und unser Gepaeck muss auf dem Dach verstaut werden. Von der Bestimmung, nur 14 Passagiere aufzunehmen, haelt hier auch keiner etwas. So quetschen wir uns auf die Sitze, fuer den grossen Mike bleibt nicht mal ausreichender Platz fuer die Beine.

Die Strasse fuehrt weiter bergauf, nach einer Stunde sind wir da, steigen an einer Abzweigung in den naechsten Kleinbus um, der noch ueberfuellter ist. Selbst stehend im Fussraum, wg. des niedrigen Dachs gebueckt, pressen sich die Leute hinein, an der Tuere haengen vier Maenner, Hintern an Schultern, Knie und Fuesse muessen sich Platz suchen, mein Kopf schlaegt dauernd gegen das Dach. Mein Protest verhallt ungehoert, hier ist niemand an Einhaltung der Bestimmungen interessiert. Das erhoehte Unfallrisiko muessen wir hinnehmen, es hilft nichts. Thats Africa, man! Keine Insassenversicherung, keine Haftpflicht, keine Berufsgenossenschaft, keine Polizei hat hier etwas zu melden.

Wir erreichen Kapscherop am spaeten Mittag und essen in einem Hotel etwas. Dann wird es Zeit zum Abmarsch, denn wir wollen den naechsten Ort vor der Dunkelheit erreichen.

Mein neuer Rucksack, den wir in einem indischen Geschaeft fuer kleines Geld erstanden haben, ist von derart schlechter Qualitaet, dass er schon allein beim Packen zu reissen begann. Die Trageriemen sind so schmal, dass ich meinen Pullover unterlegen muss, damit sie mir nicht in die Schultern schneiden. Aber mein Rucksack scheint nur halb so gross, wie Oivers und Mikes. Oiver macht seinem Namen als "Der Mann aus den Bergen" wieder alle Ehre: Auf seiner Brust baumelt noch ein zweiter, kleiner Rucksack und in beiden Haenden schleppt er Wasser und Lebensmittel in einer Plastiktuete. Und er traegt Badelatschen, statt Wanderstiefeln.

Zunaechst passieren wir auf einem braunen, breiten Weg grosse Teeplantagen, die huefthoch geschnitten sind. Immer wieder kommen uns Menschen entgegen, die freundlich gruessen. Das sind Marakwet, die aber keine traditionelle Kleidung mehr tragen. Aber manche haben noch ausgeschlagene, untere Schneidezaehne, wie dies bei einigen Staemmen im Nordwesten Kenias ueblich ist.

Nach kurzem Weg erreichen wir einen Urwald, der warm und feucht ist, aber insgesamt ist das Klima sehr angenehm. Im dichten Gestruepp singen viele Voegel, dann sehen wir die ersten grossen Guerezza-Affen, auch Golobus genannt. Die Tiere sind gross wie Dreijaehrige und hangeln sich schwer und geraeuschvoll durch die Baumkronen, einerseits aengstlich, andererseits neugierig auf uns.

Dann entdecken wir grosse, schwarze Bruellaffen. Die Maennchen sind genauso gross wie die Guerezzas und brummen unsicher vor sich hin. Etwas weiter bricht sich eine groessere Antilope laermend Bahn im Dickicht.

Ziegenherden fressen sich durch den Dschungel und entlang des Weges haben die Dorfbewohner reichlich Kahlschlag betrieben. Wenn das so weiter geht, ist bald nichts mehr uebrig von diesen kleinen Waldresten.

An einem Bachuebergang machen wir kurz Rast. Hier schreiten zwei Hadada-Ibisse durch den sumpfigen Uferstreifen voller Papyrus und Farnen.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir Kiptaberr, den letzten Ort vor der Grenze zum Pokot-Gebiet. Uns kommt ein junger Mann entgegen, zeigt uns den Weg zum "Zentrum". Der Weiler aus ein paar Rundhutten liegt an einem Hang voller Wiesen und Farnen, im Tal hoert man eine Motorsaege, dann bricht krachend ein Eukalyptus-Baumriese. Ueberal Baumstuempfe, z.T. verbrannt.

Der Junge stellt sich als Nicholas vor, ist ueberaus freundlich, hat einen offenen Blick und ein strahlendes Lachen. Er laedt uns ein, vor seiner Huette die Zelte aufzuschlagen, zeigt uns sein bescheidenes Heim, eine Rundhuette, vier Meter im Durchschnitt, hoch genug, um zu stehen. Drinnen ein Bett, ein Hocker, die Waende komplett mit Zeitungspapier ausgekleidet. Alles ist sauber und nett und sieht aus, als habe er Besuch erwartet. Vielleicht wusste er von unserer Ankunft und hat uns abgepasst.

Kinder kommen zu den Zelten, schauen zu, wie wir alles aufbauen, kochen. Wir verteilen unsere letzten Bonbons. Mike ist auf die Idee gekommen, Schweizer Roestis zu machen, es werden Kartoffeln organisiert, Zwiebeln haben wir.

Mit viel Muehe und Oel gelingt die Mahlzeit zu spaeter Stunde. Wir erzaehlen uns noch unsere Eindruecke und sinken, in wohliger Ruhe und frischer Luft, auf unsere Schlaflager. Renata hat ihre Matte nicht mitgenommen- die Harten kommen in den Garten...

geschrieben am 11.6. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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