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Reisetagebuch

6/3/2004   Kenia / Naehe Tamkal

Minidaemon (Jaaachaaa!)

1500 Meter Abstieg

(Harald und Renata) Das war eine erholsame Nacht! Ruhig und geborgen. Oliver hielt einen seiner Schlafmonologe, wieder in Englisch. Uns ergeht es nicht anders: Manchmal suchen wir das deutsche Wort, weil uns auf die Schnelle, nur das englische einfaellt.

Oliver ist als Erster auf und alleine auf den Huegel hinter dem Compound gegangen, um sich den Sonnenaufgang anzusehen. Mike schnarcht noch leise, wohl Nachwirkungen der Whiskyportionen, die er und Oliver sich am Abend genehmigt haben. Wie Schnaps, kann man 50 ml in Platikbeuteln kaufen.

Als ich mich mit Mike und Oliver in die ersten, waermenden Sonnestrahlen vor der Huette setze, um Tagebuch zu schreiben, liegt noch Rauhreif auf der Wiese im Areal. Auch die anderen Bewohner der zwei Wohnhuetten sitzen vor den Huetten. Oliver bereitet Tee, Kaffee und Wasser fuer meinen Kakao, vom Holzzaun ueber dem Hof beobachten uns Nachbarkinder. Wir teilen die letzten Cashewnuesse und packen dann zusammen. In der Schlafkammer finde ich einen Bogen und Pfeile, an denen noch altes Gift klebt, dass die Pokot aus gekochten Blaettern herstellen. Oliver und ich machen Schiessuebungen. Dies ist der erste Bogen, den ich im Leben sehe, der tatsaechlich noch verwendet wird- auch zum Toeten von Feinden. Die Pfeile haben Metallspitzen mit Widerhaken, der Koecher ist aus Kuhleder. Wir treffen mit den Pfeilen auch, aber die legendaere Treffsicherheit der Pokot, die uns Nicholas beschreibt- davon sind wir meilenweit entfernt. Wir treffen auf 6-8 Meter gerademal einen dicken Baum.

Waehrend ich noch weiterschreibe, folgen die anderen der Einladung der Hofbesitzerin zum Tee. Dabei geben wir Geld und Gastgeschenke: Kochbananen, ein paar Tueten Whikey fuer die Herren (breites Laecheln). Alle scheinen zufrieden, Nicholas lacht, wir koennen aufbrechen.

Unser Weg fuehrt ueber die Hoehenkaemme, stets auf etwa 3000 Meter, entlang der Strasse, auf der nur ein einsamer Traktor faehrt. Wir erreichen Kasinion, das naechste Dorf, dass hinter einer Anhoehe vor uns liegt. Eine Schule, es wird mit Hilfe der Schueler, ein Anbau errichtet. Ich besuche die Schule, Renata geht voraus, dass Fruehstueck winkt.

Der Direktor zeigt mir die Klassenraeume, ich halte eine kurze Rede an die Schueler, die ehrerbietig geschlossen aufgestanden sind und mich im Chor begruessen. Dann bin ich im Buero des Direktors eingeladen. Im Nebenraum, einem Lager, stehen Reissaecke, beschriftet mit dem UNO-Wappen samt "Geschenk von Germany". Die silbrigen Dreiliter-Oelfaesser sind mit dem USA-Wappen bedruckt, genauso wie die Maissaecke. Wenn die Kinder nach Hause gehen, nehmen sie die kostenlosen Versorgungsgueter einfach mit. Die Hefte, Stifte und Buecher fuer die Schueler sind kostenlos, vom kenianischen Staat bezahlt. Der Direktor bittet um meinen Eintrag ins Gaestebuch der Schule und eine Spende. Ich lehne hoeflich ab, erklaere, dass wir nur ein Projekt gezielt unterstuetzen.

Als ich Fotos im Hof mache, draengelt sich die Hundertschaft der Schueler, als gaebe es Suessigkeiten kostenlos, jeder will vorne stehen und so steht binnen Sekunden alles vor meiner Nase. Es bedarf einer mit dem Schuh in den Sand gezogenern Linie, um klarzumachen, bis wohin die Kinder stehen duerfen. Das anschliessende Anschauen der Bilder auf dem Display ist ein Volksfest, so freuen sich die Kinder, sich selbst zu sehen, oder einen Freund zu erkennen. Was fuer ein Lachen, dutzendfach, so einfach zu zaubern.

Wir Fuenf legen, setzen uns auf den festen Boden vor einem Hotel und fruehstuecken die unvermeidlichen Tschapatti, dazu ein Milchtee.

Vor einer Huette werden Autobatterien mittels Solarpaneelen geladen, ein langwieriges Unterfangen. Es wird noch lange dauern, bis es hier in den Bergen eine Stromversorgung geben wird.

Spaeter begleiten uns die Schulkinder in ihren Uniformen auf dem Heimweg, auf den Koepfen die Maisrationen und Oelbuechsen. Eine froehliche, aber auch aengstliche Truppe ist das.

Wir sind immer noch im Pokot-Gebiet, aber jetzt geht es energisch bergab. Immer wieder uebersteigen wir die Zaeune, die Rinder und Ziegen einsperren und schuetzen sollen. Diese Uebergaenge sind mannshoch und sehr "individuell"- kleine Abenteuer.

Schliesslich bricht die Bergkante steil ab, jeder Schritt auf dem sandigen Geroelluntergrund will jetzt ueberlegt sein. Unter uns breitet sich ein fantastisches Panorama aus dunkelgruenen, bewaldeten Dschungelhaengen, braunen Maisfeldern, Gehoeften, verschlungenen Wegen und Wasserfaellen aus. Obwohl es seit Tagen nicht geregnet hat, kann der mit Erde und Baeumen bestandene Berg die Regenmengen auffangen und nach und nach ableiten, so dass es lange frisches Wasser gibt. Wenn diese Haenge weiterhin so radikal abgeholzt werden, wird es in 10-20 Jahren vielleicht keine Erdschicht mehr geben und das Wasser wird schwallartig abfliessen, so dass ueber laengere Perioden kein frisches, kuehles, sauberes Wasser mehr da sein wird. Und Brunnen kann man hier ober nicht bauen- es gibt nur Fels und kein Grundwasser.

Auf einer Baumwurzel entdecke ich ein winziges Chamaeleon, setze es mir auf den Brillenrand. Mich faszinieren diese ungewoehnlichen Kreaturen und frage mich, wie so ein harmloses Tier den Ruf eines Daemonen bei den Pokot haben kann.

Nach zwei Stunden stetigem, steilen Abstieg machen sich Oberschenkel- und Gesaessmuskeln immer staerker bemerkbar. Wenn ich noch lange weiterlaufe, kann ich morgen nicht mehr weitergehen. Irgendwann helfen dann auch keine Pausen mehr.

Aber es geht weiter, Ziel ist eine Schule, tief unter uns, Luftlinie nur ca. 3 km entfernt, aber am Nachmittag ist endgueltig keine Kraft mehr da, ich bestehe auf Rast. Ein kleiner Hof, auf einem kuenstlich angelegten Plateau, bietet sich an. Aber Nicholas sucht hangaufwaerts den Besitzer und ist, als er zurueckkommt, entruestet, ja fast veraengstigt, weil die Leute so unfreundlich zu ihm waren. Oliver und Nicholas gehen voraus, Mike und Renata dahinter, ich bin der Schlussmann. 100 Meter tiefer ein schoener Platz, wieder um eine verlassene Huette. Diesmal sind die Leute freundlich, wir duerfen sogar Holz fuer ein Feuer nehmen.

Zeltaufbau, ein feucht-rauchiges Feuer, Kochen, Katzenwaesche. Der Himmel droht seit Stunden mit einer tiefgrauen Wolkendecke, unwirklich, wie aus einem Filmszenario, dass Bedrohung symbolisieren soll, davor das in Sonnenlichtflecken getauchte Gruen der Haenge- ein Schauspiel.

Der Aelteste der Gegend erscheint und Nicholas ist nach einem langen Gespraech mit ihm wieder beruhigt, lacht und sagt: "Now everything is o.k.!" Der Mann laedt ihn zu sich ein, dass Abendbrot mit ihm zu teilen und in seiner Huette zu uebernachten.

Unter uns, um uns, ein unbeschreibliches Berg-und-Tal-Panorama, die Sicht reicht jetzt aus dem Tal heraus bis tief in die trockene Ebene, hinter der sich der Lake Turkana befindet. Und unser morgiges Tagesziel ist zu sehen, dass Dorf Tamkal, mit seinen silbrig schimmernden Wellblechdaechern.

Kaum sind wir in den Zelten, beginnt es heftig zu regnen, es prasselt derart, dass Oliver aus seinem Zelt lauthals jubelt: "Jaaachaaa!"

geschrieben am 15.6. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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