6/4/2004 Kenia / Tamkal
Unter dem Wasserfall
5. Wandertag- hinunter Richtung Norden
(Harald und Renata) Am Morgen bringt uns die Eigentuemerin der Huette ungebeten Kuhmilch in einem Blechkessel. Eine nette Geste. Mit flinken Fingern stochert sie in den Ascheresten und trotz des heftigen Regens haben sich tief unter den Holzkohlebrocken und weissen Flocken Glutreste erhalten- ein paar mal pusten, geeignete Aestchen hinzu- das Feuer brennt wieder. Ich gehe ein Stueck des Weges zurueck, den wir gestern gekommen sind, bergab. Dort fliesst ein Baechlein das ein winziges Becken ausgewaschen hat. Wenn man sich daraus mit beiden Haenden das Wasser ueber Kopf und Koerper wirft, kann man eine Art Naturdusche nehmen. Das kalte Wasser waermt herrlich. Dieses Wasser ist auch unser Trinkwasser. Wir sind etwa 1000 Meter abgestiegen und nur schaetzungsweise 15 km Luftlinie vom letzten Uebernachtungort entfernt, aber hier ist es warm, selbst die Nacht war sehr angenehm. Nach einem Fruehstueck aus den letzten Vorraeten- Baby-Kakao-Porridge-, brechen wir auf, steil bergab, vorbei an frischen Maisschoesslingen, ueber die Astzaeune, durch braune, weiche Erde. Wir erreichen die Schule am Mittag. Wir bereiten ein kleines Mahl. Die Schueler kommen in der Pause scheu naeher, dann erscheint der Direktor. Ich habe mich auf meine Luftmatratze gelegt, bin sehr muede, die Beine wollen heute nicht recht und als die anderen die Schule besichtigen, ruhe ich mich aus. Und weiter gehts abwaerts, durch Buschwerk, fussbreite Engen, die Sonne scheint, es wird heiss und so zoegere ich nicht lange, als wir einen groesseren Bach erreichen, in Schatten von Baeumen und grossen Felsen, ein Bad unter dem Schwall eines kleinen Wasserfalls zu nehmen. Mike ist der Naechste, dann folgt Nicholas. Wir Maenner klettern auf den Felsen herum wie Buben, Renata liegt baeuchlings auf einem grossen Ast, lacht- es ist einer unserer letzten geloesten Momente. Sie fotografiert mich jetzt oft, aber die Stimmung zwischen uns ist angespannt. Wir erreichen einen kleinen Kamm, der das langezogene Tal noch einmal zweiteilt und wandern an seiner linken Seite durchs Baumwerk. Hier haben die Bergbauern wieder alles gerodet, verbrannt und ein neuer, hoher Zaun aus verdorrtem Buschwerk und Baumaesten hat den urspruenglichen Weg abgetrennt. Wir uebersteigen ihn und umrunden den Huegelkamm, uebersteigen eine Kuppe und sehen das Dorf unter uns. Noch zwei, drei Kilometer, aber meine Oberschenkel verschaffen mir nicht mehr genuegend Halt und die Sandalen aus Khartum sind nicht rutschsicher. Auf einem sandigen Abschnitt stuerze ich und mein linker Oberschenkel schlaegt auf einen Stein, verkrampft sich augenblicklich. Den weiteren Abstieg muss ich ohne Rucksack machen, humpelnd. Wir ueberqueren einen kleinen Fluss voller rinder, heller Kiesel, hier wachsen Bananen, Mango, Avokado, alles blueht. Im Dorf kommen uns auf der Strasse traditionell gekleidete Pokotfrauen vom Markt entgegen. Sie tragen um den Hals Schmuck, aehnlich wie die Massai und Samburu, auch sie bevorzugen Rot. Die Dorfbewohner selbst sind westlich gekleidet, beaeugen uns neugierig, man gruesst sich: "Abarai? Musuri sana!" (Wie gehts? Sehr gut!) Im einzigen Hotel der Stadt essen wir Tschapatis, es gibt Milchtee, Sodas, Szamosas, Mandasis, Reis, Huehnchen. Es ist schon Nachmittag und wir suchen einen Zeltplatz. Hinter dem Hotel ist es zu laut, zu zentral, zu uneben. Und das Fluesschen lockt mit leisem Rauschen. Wir gehen ein Stueck zurueck, weg vom Marktplatz mit seinen riesigen Feigenbaeumen und schlagen unser Lager direkt auf der Wiese am Fluss auf, 20 Meter neben dem Wasser. Sofort laufen Kinder zusammen, auch Erwachsene kommen. Jemand erzaehlt uns, dass die letzten Weissen vor einem halben Jahr hier waren- da ist unser Erscheinen eine kleine Sensation. Nach und nach erscheinen immer mehr Menschen, jeder will mal zusehen. Nach ca. 20 Minuten mache ich den Zuschauern klar, dass auch wir gerne etwas ungestoerter sind, dann gehen sie und die naechste Schicht erscheint. Das geht bis zur Dunkelheit so. Die Leute sind freundlich, lachen, heissen uns- Karibu!- willkommen. Wir fuehlen uns wohl und beschliessen, hier fuer einen Tag zu bleiben. Da es von hier aus nur noch ein paar Stunden Fussmarsch, flach bergab bis zum Ziel unserer Wanderung sind, benoetigen wir Nicholas Hilfe nicht mehr und zahlen in aus: Tageslohn, Fahrtkosten zurueck und ein Trinkgeld. Der nette Junge moechte so gerne mehr Touristen begleiten und wir wuerden in empfehlen, aber diese Trekkingtour scheint nicht viele Anhaenger zu finden. Der Abschied faellt auch mir schwer, Nicholas war ein sehr angenehmer Kamerad und sichtlich betroffen, als ich stuerzte. Mit dem Murmeln des Wassers im Hintergrund schlafen wir nach einem obligatorischen Feuerchen ein. geschrieben am 16.6. in Nairobi
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