6/6/2004 Kenia / Sigor
Der schoenste Gottesdienst
Letzter Tag der Wanderung, letzte Nacht im Zelt
(Harald und Renata) Was fuer ein herrlicher Campingplatz das hier ist! Aufzustehen und den sanften, frischen Wind zu spueren, am Fluss die Zaehne zu putzen, um die Fuesse winzige Kaulquappen, Tagebuch auf den runden Felsen zu schreiben, um mich herum die vielen exotischen Vogelstimmen, die lachenden Schulkinder, die zu mir schauen- einfach perfekt. Mike ist etwas verkatert oder morgenmuffelig. Jedenfalls verjagt er den ersten alten Bettler des Tages recht ruppig. Wir fruehstuecken am Lagerfeuer den Rest des Babyporridge mit Trockenmilch, Zucker und Kakao, dass ist fast ein Schokoladenpudding. Wir wollten um 9, 1o Uhr aufbrechen, aber keiner hat rechte Lust. So bleibt Oliver und mir Zeit, der Einladung des Schuldirektors zu folgen. Aber heute ist Sonntag und der Mann ist zur Kirche gegangen. Ich bin fuer Aufbruch, weil wir sonst zu spaet nach Sigor und sicherlich von dort nicht mehr weiter kommen. Aber anderseits hat mein Freund Olli recht, wenn er ausmalt, wie sich die Leute freuen werden, wenn wir in die Kirche gehen. Also gehen wir ein paar hundert Meter hangaufwaerts und finden einen rechteckigen, relativ neuen Steinbau mit Wellblechdach und Fluegeltueren. Die meisten der etwa 60 Besucher sind Jugendliche, nur zwei aeltere Frauen sitzen da und ein Mann. Die Maedchen tragen ihre ihre Schuluniform aus gruenen Roecken und weissen Blusen und ueber Gesangsein- und -auszuege. Da wird mehrstimmig gesungen, geklatscht, eine Trommel geschlagen und wiegenden Schrittes geht es Richtung Tuere. Dann, um 11.30 Uhr, beginnt der Gottesdienst. Ein etwa Dreissigjaehriger Mann spricht auf Kisuaheli mit leiser Stimme, predigt mit bescheidenen Gesten. Es wird gesungen, dann spricht er ploetzlich Englisch und Olli und ich schauen uns an: das macht der unseretwegen! " Wir haben heute Gaeste, sagt er. Schliesslich erscheint sogar ein Uebersetzer und der Prediger laesst dem Jungen, der sich sichtlich mueht, gute Zeit zu uebersetzen. Die einfachen Worte des Mannes beeindrucken mich tief. Er spricht von der Dreieinigkeit und dass er das selbst nicht ganz verstuende, aber es weiter studiere. Am liebsten moechte ich dem Mann fuer seinen Mut auf die Schulter klopfen. Er spricht von seiner Ansicht von Dreifaltigkeit, die er in den drei Notwendigkeiten des Lebens wiedererkennt: Nahrung, Unterkunft(Schutz) und Kleidung. Ueber letzteres liesse sich diskutieren. Diese Erinnerung an das Notwendige klingt in meinen Ohren wie eine Ermahnung vom Ueberfluss abzukommen, auch wenn der Mann das sicher so nicht gemeint hat. Ihm geht es nicht um Plaene, Entscheidungsnoete, Hoffnungen, sondern ums einfache, taegliche Leben. Eine daumengrosse, schwarz-weisse Hummel brummt durch den Raum, dessen Fenster und Tueren offen sind, der Wind zieht angenehm hindurch, es ist hell und das Draussen kommt herein wie diese Hummel. Eine Spinne klettert zum Fenster herein, an den Waenden kleben kleine Wespennester, Vogelstimmen. Hier drinnen singt eine duenne, fast zerbrechende Maedchenstimme ein Lied, dann stimmen die anderen ein. Wir klatschen mit, die leise Trommel klingt, die Maedchen tanzen ein ums andere Mal herein, wieder und wieder heisst es "Karibu" in unsere Richtung- noch nie hat mich ein Kirchenbesuch so beruehrt. Wuerde ich bleiben, ich kaeme naechsten Sonntag wieder. Ein wenig benommen, aufgewuehlt, stehen wir draussen in der Sonne und die Maedchen sagen uns, wie sehr sie sich gefreut haben, als wir zur Kirche kamen. Danke Olli, war ne gute Idee, ich klopfe ihm freudig auf die Schulter, Olli grinst. Auf dem Sportplatz machen wir noch ein paar Erinnerungsfotos mit den Girls, dann muessen wir endgueltig aufbrechen. Das waren die gefaehrlichen Pokot? Keine Drachen in Cheranganis... Auf dem Marktplatz kaufen wir nochmal Obst- eine Mango kostet hier einen Schilling (ca. 1 Cent EU), statt 10-20, wie in Nairobi. Es geht, dem Strassenverlauf folgend, sanft bergab. Es wird immer waermer, wir sehen die ersten Termitenbauten, grosse Akazien, Stachelkakteen, viele Eidechsen huschen im Laub. Unter einem Baum sitzen drei Maenner auf der Erde, worauf sie warten, ob sie ueberhaupt warten, ist nicht ersichtlich. Einer macht mit zwei Spalthoelzern Feuer, indem er einen duenneren in ein Loch eines breiteren steckt und den duennen dann mit den Handflaechen zwirbelt und ins Loch presst. Nach 5, 6 Durchlaeufen glimmt Holzmehl auf. Dies ist das erste Mal, dass ich diese Art des Feuermachens mit eigenen Augen sehe. Der Mann braucht nie ein Feuerzeug. Die Strasse windet sich bergab, eigentlich eine leichte Strecke. Aber Mike geht es schlecht, er fuehlt sich wie fiebrig, schwach, muss immer wieder pausieren. Wir begegnen einem jungen Mann, den wir gleich als Traeger und Fuehrer engagieren. Er laedt sich Mikes Rucksack auf und so kann es weitergehen. An einem breiteren Fluesschen sitzt ein alter Mann mit einem Bogen und Pfeilen auf einem Stein und schaut sich hlabbelustigt unsere Ueberquerung an. Im schwarzen Ufersand saugen Schmetterlinge Wasser auf, darunter riesige schwarz-blaue Falter. Kurzerhand faengt Renata eine Exemplar mit sanfter Hand, weil es Olli partout nicht gelingen will, eine Nahaufnahme zu machen. Diese fliegenden Gemaelde, ihre Symetrie und leuchtende Lebensfreude, die wir in ihnen sehen, sind ein Staunen wert und es wundert nicht, das mancher diese Insekten zu seinem Hobby gemacht hat. Wir erreichen wir wieder den Fluss, an dem wir in Tamkal lagerten, den Wei-Wei. Eine von den Schweden gespendete Stahl-Haengebruecke ueberspannt das Wasser. Ollo und ich springen gleich wieder nackert ins kuehle Nass. Man, mir weicht das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, dafuer schmeiss ich jeden Swimmingpool, jedes Freibad weg. Unsere Fuesse stehen im Sand, wir schwimmen gegen die starke Stroemung an, seifen uns ein. Der Uferbereich scheint wie eine perfekt arrangierte Naturcollage: helle, runde Felsen, das klare Wasser, gruener Papyrus, die Sonnenreflexionen. Ich liebe Kenia! Mike ist trotz Entlastung voellig fertig, haelt aber tapfer schritt. ich bin heute wieder fit wie ein Apfel und fliege foermlich mit dem Traeger voraus. Die beiden Bergkaemme weichen allmaehlich zurueck, werden flacher. Immer mehr Mangobaeume und Bananen wachsen hier, der erste Fahrradfahrer kommt uns entgegen. Wir ueberqueren einen Trockenfluss. Hier muessen gewaltige wassermassen nach dem Regen herunterkommen, denn das Flusbett ist voller riesiger Brocken, viele Tonnen schwer. Eine Stauanlage zeugt vom Bemuehen der Regierung, die Leute hier trotz des zu schnell abfliessenden Wassers ausreichend zu versorgen. Jetzt, am Ende der Regenzeit, gibt es noch genug Wasser im Wei-Wei. Bei Sonnenuntergang machen wir eine letzte Rast. Hier sind wir schon in einer Ebene, die Vegetation ist fast eine Halbwueste. Schliesslich sehen wir die ersten Autos, die auf der staerker befahrenen Route vom Lake Turkana im Norden nach Kitale fuehrt und somit in Sigor. Erst im Dunkeln kommen wir ins Zentrum des Oertchens, steuern gleich ein Hotel(Restaurant) an und verputzen heisshungrig eine Rindersuppe und Reis und Tee. Die Wirtin gibt uns einen Begleiter mit, der uns zu einem Campingplatz fuehrt. Auf dem Weg krabbeln zahlreiche Skorpione umher, fuer mich und Oli, die Sandalentraeger, nicht ganz ungefaehrlich. Wir zertreten die Kameraden. In der Dunkelheit leuchtet Renata mit ihrer dicken Taschenlampe voraus, wir erkennen kaum, wo wir sind. Unser Traeger wollte, wie er mehrmals versichert hat, in der Dunkelheit zuurecklaufen, hat jetzt aber offensichtlich seine Meinung geaendert. Da wir ihn bereits bezahlt und zusaetzlich zum Essen eingeladen haben, bin ich nicht bereit, ihm eine Uebernachtung im Camp zu bezahlen. Renata ist anderer Meinung, laedt den Jungen ein, aber schliesslich war die ganze Aufregung unnoetig, weil der Manager des Platzes ihn kostenlos bei sich schlafen laesst. Wir bauen unsere Zelte auf, ich liege noch lange wach: wie soll es weitergehen? Marsabit ja oder nein? Richtung Sueden oder nach Uganda, wohin Olli weiterzieht? geschrieben am 16.6. in Nairobi
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