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Reisetagebuch

6/16/2004   Kenia / Nairobi

Camouflage

Tage in Nairobi / ueber das Chamaeleon

(Harald) Die letzten Tage sind ausgefuellt mit der Arbeit im Internet, Erledigungen.

Der Aufenthalt auf dem Campingplatz auf dem Nairobi-Hill trennt mich von den Einwohnern Nairobis. Hier quartieren sich fast ausschliesslich Weisse aus aller Herren Laender ein und die Gespraeche drehen sich dementsprechend um Reisen, lohnenswerte Ziele, Erfahrungen. Es gibt eine kleine Bar, Bier, zu teures Essen. Die 3 km bis ins Zentrum kann man laufen, aber in der Dunkelheit ist das nicht empfehlenswert, weshalb ich mit dem Rad fahre. Trotzdem nehmen mich am 15. zwei Gestalten aufs Korn. Sie warteten, einer mit ueber das Gesicht gezogener Kapuze, an einer einsamen Abzweigung und kamen schnellen Schrittes direkt auf mich zu, um mich abzupassen. Ich zog meine Sime aus dem Rucksack und Augenblicklich drehten sie bei. Als ich aus dem Netcafe komme, wird einem Mann vor meinen Augen aus seiner Hosentasche von hinten sein Mobiltelefon gestohlen, er rennt dem Raeuber nach, ich versuche dem Gangster den Weg abzuschneiden, indem ich um die Ecke einen Zugang bewache, aber die Gasse hat einen zweiten Ausgang zum Matatustand hin und der Dieb entwischt.

Jeden Tag spende ich den Bettlern etwas Geld und fuer die Schnueffelkinder kaufe ich Pommes Frites, auch dem Jungen mit dem abgebrochenen Schneidezahn, der sich auf Renata und mich "spezialisiert" hatte. Immer gruesst er strahlend, nie ist er laestig.

Einem kleinen Bettler-Maedchen erklaere ich, dass die Kenianerin da vorne in dem 40.000-Euro-Auto mehr Geld hat als ich, als ich je hatte, am Lenkrad blitzt und blinkt ihr Goldschmuck nur so. Aber, so uebersetzt mir die Losverkaeuferin, es ist nicht nur das Geld der Musungus, warum die Bettler auf uns zukommen, sondern vorallem, weil wir etwas geben. "The people in Germany have a good heart." Das gebe ich hiermit weiter.

An vielen Strassenecken stehen kleine, gruen lackierte Telefonstaende. Mancher hat auf dem Gepaecktraeger seines chinesischen Rades ein Metallgestellt installiert und ein grosses Tastentelefon mit Mobilanschluss schafft drahtlose Verbindungen.

Im Kino (The day after tomorrow) wird vor Beginn der Vorstellung die Nationalhymne gespielt und alles steht auf. Das Programm besteht durchweg aus erfolgreichen amerikanischen Filmen- Action, Trick, Spectakel steht im Vordergrund.

Im Camp treffe ich wiederholt Israelis, eine Nationalitaet, die wir im Ausland selten angetroffen haben. Aufgrund der vielen Animositaeten denen sie begegnen, reisen nicht viele Israelis individuell und Low-Budget. Und immer kommen sie von selbst auf die Lage in ihrem Land zu sprechen, beteuern, der Regierungspolitik ihrer Heimat kritisch, ablehnend gegenueber zu stehen. Es sind junge Leute, die den Wehrdienst hinter sich haben. Aegypten, Syrien, Sudan, Nigeria, fast alle islamischen Ziele im Osten und andere Staaten stehen ihnen nicht offen. Und selbst hier in Ostafrika habe ich nicht einen einzigen Kenianer oder Tansanier getroffen, der sich positiv ueber die Gaeste aus dem Mittleren Osten geaeussert hat. Das hat sicher vor allem mit der Politik zu tun und dabei wird oft vergessen, dass man es mit einem Besucher, einem einzelnen Menschen zu tun hat, nicht einem Staat. Wenn wir nicht miteinander reden, werden wir uns nicht verstehen.

Im Camp hat ein Mann ein Jackson-Chamaeleon gefunden. Es ist das vielleicht bizarste seiner Gattung, mit drei Hoernern auf der Stirn. Damit kaempfen die Maennchen um Revier und Weibchen, aber damit sieht das Tier auch gefaehrlicher aus und ist fuer Schlangen schlechter zu verschlingen.

Chamaeleons sind die einzigen Echsen und eine der sehr seltenen Tierarten, die ihre beiden Augen unabhaengig voneinander bewegen koennen: winzige, schwarze Pupillen in kegelfoermig vorstehenden Augen. Diese Form und Faehigkeit ist entstanden, damit das Tier Beute und Feinde unbewegt taxieren kann. Um einen deutlichen Eindruck zu bekommen, muessen Echsen und Schlangen ansonsten stets ihren Kopf bewegen.

Chamaeleons besitzen keine Zaehne, peitschende Schwaenze, Stacheln oder sonstige Waffen. Sie verschlingen ihre Beute, fast ausschliesslich kleinere Insekten, die sie mit lang herausschnellender, klebriger Zunge fangen, ganz. Sie koennen nicht abbeissen oder abreissen. Die Schnelligkeit der Zunge, die eine keulenartige Verdickung an der Spitze hat, steht in voelligem Kontrast zu ihrer Unfaehigkeit, sich schnell zu bewegen; eine Schildkroete ist viel schneller. Selbst in Todesgefahr stapfen sie ungelenk ueber den Boden, schwerfaellig und watschelnd.

Sie bewegen sich im Blattwerk selten zielstrebig, sondern oft ruckartig, dabei vor- und zurueckwiegend. Wie z.B. die Stabschrecken, erhoehen sie den Effekt, taeuschen das Wiegen eines Blattes oder Astes im Wind vor, verwischen den Bewegungsablauf.

Ihre Faehigkeit zum Farbwechsel der Haut ist legendaer, unuebertroffen bei Landtieren (Weltmeister sind die Kraken). Die Pokot und andere Staemme glauben, dass ein Chameleon gefaehrlich, giftig und ein magisches Tier ist und fuerchten es wie der Teufel das Weihwasser. Wem zu Rachezwecken unbemerkt ein Chameleon in seine Huette

gesetzt wurde, erkranke an Magenbeschwerden und koenne sterben. Der wahre Kern dieser Furcht ist die Tatsache, dass sich aus seinem Koerper ein Gift auskochen laesst, dass in kleineren Dosen ein starkes Rauschmittel ergibt, beliebt bei allen afrikanischen Diktatoren und Rebellenfuehrern, die ihre Kindersoldaten zu gnaden- und gefuehllosen Mordmaschinen formen.

Als ich mir im Camp das grosse Chamaeleon auf die Schulter setze, springen die Touristenguides, ansonsten ganz cool und voll auf dem westlichen Kurs, schreiend davon und fragen mich von ferne, ob DAS DA wirklich ungiftig sei? Ein Israeli pisackt das Tier immer wieder, sticht mit dem Finger danach, sein Gesicht verzieht sich dabei sadistisch und ich muss ihm nach gut 10 Attacken fragen, wieso ihm das mehr Spass mache, als zu sehen, wie ruhig das Tier auf mir werde. Selbst wenn man dem Wundertier den kleinen Finger vors drohend aufgerissene Maul haelt, beisst es, anders als z.B. die Geckos und Eidechsen, nicht zu. Hunde die bellen, beissen nicht, faellt mir da ein.

geschrieben am 17.6. in Nairobi


 

 

 

 


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