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Reisetagebuch

7/1/2004   Ngare Njero

Suesses Wasser

Samburutour 1. Tag

(Harald) Nanyuki Guest House. 14. Uhr. Aufbruch. Endlich!

Mir brennt es in Oberschenkeln Seele: Loskommen, Weiterkommen. Neues sehen. Ich muss reisen.

Es ist kuehl, die Sonne scheint zwischen den schnell ziehenden Wolken hindurch, der Seitenwind haelt mir den Staub der Strasse vom Leib, den die vorbeifahrenden Autos aufwirbeln. Die Landschaft ist huegelig, Akazien, Buesche, fahlgruenes Gras. Hinter mir ragen die beiden Gipfel des Mount Kenia aus den Wolken, ein Anblick, den ich seit langem vermisst habe. Das ist sein Abschiedsgruss von mir. Wer weiss, ob ich nicht wieder hierher zurueck kommen werde?

Dieser Reiseabschnitt ist einmalig, denn bisher bin ich nie zurueckgefahren. Und diese Tour in den Norden ist kein Erreichen, Ankommen, sondern Stromern, Schlendern, Aufhalten, Sich-Zeit-Nehmen. Pole-Pole, Schwaije-schwaije, Jawasch-jawasch!

Die Strasse ist mittelpraechtig, geht alsbald von Teer in eine Lehmpiste ueber, breit und es ist immer eine gute Spur zu finden.

Mein Kopf ist noch nicht frei, zuviel ist in den letzten Wochen auf mich eingedrungen, muss verarbeitet werden, bevor es ad acta gelegt werden kann. Immer wieder wache ich foermlich aus meinen Gedanken auf, zwinge mich den Kopf zu heben, der tief ueber den Lenker gesunken ist, die Augen, die im Sand der Strasse, im vorbeifliegenden Profil des Vorderreifens versunken, eine Loesung fuer das Durcheinander im Kopf zu finden suchen, auf die Umgebung zu richten. Ich weiss, dass ich zum Gruebeln neige und ich weiss, dass es letztlich nichts bringt, immer wieder sich selbst W-Fragen zu stellen, die letztlich nur das Unangenehme verschleiern, verstellen und das Loslassen hinauszoegern. Also: Tief durchatmen, das tut gut und macht die beengte Brust frei. Augen auf, damit man das Schoene nicht uebersieht. Ich werde vielleicht nur einmal im Leben hier sein, dass ist meine Zeit, hier und jetzt und mancher waere gern an meiner Stelle. Diese einmalig schoene Landschaft um mich herum, das vor mir liegende Abenteuer, sollten genug Input geben, um mich abzulenken, Abstand zu gewinnen.

Ich gruesse die Fussgaenger, Radfahrer. Linker Hand verlaeuft kilometerweit der elektrisch geladene, mannshohe Zaun des Sweet Water Game Reserve. Eine Riesentrappe, die wie ein dicker Graureiher aussieht, schreitet im hohen, ockerfarbenen Gras davon, als ich anhalte. Sie ist eine nahe Verwandte der Riesentrappen, die wir in Deutschland fast ausgerottet haben und nur noch im polnischen Grenzgebiet vorkommen. Bei der Balz richten die Haehne ihr Federkleid spektakulaer auf. Die Voegel sind gross wie Puter und wiegen bis 12 Kg.

Mehrere Giraffen unterbrechen ihren nachmittaeglichen Akazienschmaus und fixieren mich. Mangels langer Brennweiten fuer meine beiden Kameras, kann ich keine Aufnahmen machen, aber dafuer den friedlichen Anblick dieser lebenden Kuriosa geniessen.

Nach 20 km erreiche ich jenseits einer kleinen Betonbruecke, unter der ein lehmbraunes Fluesschen traege dahinieht, ein Dorf namens Ngare Njero, ein Wort aus dem Ma-a, der Sprache der Massai und Samburu, was soviel wie “Suesses Wasser” bedeutet- englisch: Sweet Water.

Im Restaurant an der Landstrasse sitzen die Aelteren, die sich der Lieblingsbeschaeftigung der alten Maenner hingeben, dem Bier- und Brandytrinken und hier haelt auch James Nathea Embenyo Hof, der Vorsteher des Unterdistricts, sowas wie ein Buergermeister. Anstatt alleine in seinem Buero, sitzt er lieber hier unter den Maennern und hat ein offenes Ohr fuer die Anliegen seiner Dorfbewohner. Er erzaehlt mir, dass hier viele Staemme wohnen, wenn auch die Doerfer getrennt sind: Pokot aus dem Westen, Turkanas aus dem Nordwesten, Samburu aus dem Norden, Kikuyu aus dem zentralen Hochland, Boranas aus dem Nordosten, Kalendschin aus der Gegend um Kericho und Eldoret. Durch viele Versammlungen hat man es erfolgreich geschafft, die Stammesgegensaetze zu ueberwinden und den Viehdiebstahl einzudaemmen, durch den es immer wieder zu blutigen Gefechten gekommen ist.

Mehrere der Gaeste sind Ranger des nahen Nationalparks, die mich einladen, kostenlos das Reservat anzuschauen, nachdem ich erklaert habe, das mir die Parks zu teuer seien. Leider geht es aber nicht morgen und ich will hier nicht tagelang bleiben. Aber man erzaehlt mir von Nilpferden, hier Hippos genannt, die nachts den Fluss verlassen um zu weiden.

So ergibt es sich, dass ich mein Zelt hinter ein paar Holzbaracken im Gras unter einem Jacarandabaum aufbaue und nach Einbruch der Dunkelheit mit drei Jungs auf Hippojagd gehe.

geschrieben am 12.7. in Maralal


 


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