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Reisetagebuch

7/3/2004   Rumuruti

Capetown 4260

Das Wagalla Massaker

(Harald) Auch beim Zeltabbau habe ich Zuschauer. Hier gibt es kein Kino, ich bin Programm.

Ich fruehstuecke bei Hassan, wir reden lange miteinander. Sein Clan lag viele Jahre in blutigem Krieg mit Somalias groesstem und maechtigstem Clan, den Dagoudias, die wahrscheinlich vom Expraesidenten Kenias mit modernen Waffen beliefert wurden, um ihn im Falle einer Wahlniederlage zu unterstuetzen- ein toedliches Spiel, dass Moi auch mit den Kalendschin-Pokot im Westen trieb, die sich mit den Samburus Kaempfe lieferten und das die Regierung in Karthum mit den sudanesischen Toposas trieb, die die Turkanas im Nordwesten Kenias drangsalieren. Die Daguodias hielten sich nicht an die Abmachungen, fuehlten sich sicher, unantastbar. Als wieder dutzende Tote zu beklagen waren, wurde Ende 1983 von der Regierung Moi eine grosse Ratsversammlung der Aeltesten beider Clans einberufen, die kenianische Armee drohte ultimativ: wer jetzt noch schiesst, wird dafuer buessen. Als einen Tag spaeter 5 Clanmitglieder der Endschurans, Frauen und Kinder, von Daguodias getoetet wurden, trieb die Armee tausende Maenner der Clans 5 km suedlich von Wajir, in Wagalla zusammen, pferchte sie ein und liess in den nachfolgenden Wochen viele foermlich verrecken- verdursten, verhungern. Offizielle Zahlen sprechen von hunderten, inoffizielle von mehr als 2000 Toten.

Mein Weg fuehrt mich ueber einen Kamm, dahinter breitet sich eine trockene Buschlandschaft aus, eine tiefe Ebene, lichtgruen und ockerfarben, roetlich die Erde und der Himmel fahlblau.

Ich erreiche alsbald einen Weiler an einem Fluesschen, an der Bruecke stehen Hirten, junge Maenner. Hier wohnen ueberwiegend Turkanas, aber auch Samburus, Pokot und Turgen und auch hier, so heisst es, gaebe es wenig Konflikte, man rauft sich zusammen. Eigentlich ist dies Samburuland, aber die Konflikte im Norden und die wiederholten Duerren der letzten 20 Jahre trieben selbst die harten Turkanas in den regenreicheren und sicheren Sueden. Man lebt in eigenen Siedlungen, hat eigene Viehtraenken, haelt aber gemeinsame Versammlungen ab.

8 km vor Rumuruti, meinem Tagesziel, platzt der Vorderreifen, ein Akazienstachel wieder mal, und ich flicke in der Sonne so schnell es geht. Aber der Reifen verliert weiter Luft und nach jeweils 10, 15 Minuten muss ich wieder und wieder aufpumpen, bis ich die Kleinstadt erreiche.

An der Hauptkreuzung der Teerstrasse nach Nyahururu in Rumuruti steht ein Schilderwald und ich muss schmunzeln ueber die Beschriftungen: Cairo 3337, London 6970, Aequator 40, Zansibar 780, Capetown 4260 km. Wohl Luftlinienangaben, denn ich habe bis hierher ja schon ueber 15000 km zurueckgelegt.

Ich lasse meinen Reifen flicken: drei Loecher! Dann suche ich mir ein Hotel, ein Zimmer in einem langgestreckten Hof hinter einer Bar und esse in einem Lokal gegenueber Shoarma- Schwarz-gegrilltes Ziegenfleisch mit viel Knochen, Knorpel und Fett, dass ich mit meinem Meroe-Messer vom Magerem trenne.

Im Hof des Hotels gibt es auch ein Videokino, allerdings wieder nur Actionfilme, da ja kaum jemand Englisch versteht und die Tonqualitaet selbst mir das Zuhoeren fast unmoeglich macht.

In der Nacht gelingt es mir kaum ein Auge zuzumachen, weil jeder draussen herumschreit, Radios plaerren, Tueren geschlagen werden, als waere dies kein Ort zum Schlafen, sondern eine Kirmes. Jede Bitte, jede Ermahnung prallt an den Verursachern ab: Ja, sollen wir etwa leise sprechen? Resigniert fuege ich mich in mein Schicksal und sehne mich nach der Ruhe der Savanne da draussen.

geschrieben am 13.7. in Maralal


 

 

 

 

 


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