Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

7/4/2004   Ol Maisor Ranch

Das neugeborene Kamel

Besuch auf einer der grossen Ranchen

(Harald) Eine der schoensten Radstrecken meiner Reise! Ein weicher Trampelpfad neben der Strasse, voller Radspuren, windet sich durch die bluehenden Akazienbaeume, vorbei an Viehherden und rotbekleideten Hirten. Die Akazien stroemen einen betoerenden Duft aus, manche bluehen weiss, manche mit kleinen roten und gelben Pom-Poms.

Der Staub knirscht in der Kette, ich muss in einem Baumschatten putzen und oelen.

Am Nachmittag erreiche ich die Zufahrt zur Babong-Ranch, von der mein Reisefuehrer sagt: heruntergekommen, weiterfahren. Also waehle ich als Zeltplatz die 7 km weiter gelegene Ol Maisor Ranch. Die Besitzer sind nicht da, aber die Angestellten zeigen mir den Campingplatz am Fluss, nachdem sie mich mit dem Preis noch kurz ueber den Tisch zu ziehen versucht haben.

Der Platz ist ein Traum. Der Fluss speist hier einen Teich, indem es bis zur letzten Duerre im Jahr 2000 noch Nilpferde gab. Mehrere Rundhuetten stehen hier, ueberschattet von grossen Baeumen. Zwei Cottages fuer Gaeste gibt es, aber die sind zu teuer. In einer Huette lebt eine Familie, dahinter ein Steinbau fuer die Dieselpumpe, indem auch der Nachtwaechter schlaeft. Mein Zeltplatz ist das flache, gelbe Gras vor den Huetten.

Der Verwalter erzaehlt von einem neugeborenen Kameljungen und ich ergreife die Gelegenheit beim Schopfe und steige ins Auto, neben den Koch der Ranch. Wir fahren wieder huegelaufwaerts, ueber die Strasse hinweg, tief ins Gelaende der Ranch, ein alter Hirte steigt zu und der findet auf Anhieb die Kamelstute, die stehend ihr Fohlen bewacht. Das dunkelbraune Wollknaeuel liegt in der sengenden Sonne und quaekt jaemmerlich, als der Verwalter es auf die Ladeflaeche hievt. Die Stute beugt sich beunruhigt ueber ihr Junges und rennt anfaenglich zuegig hinter dem Auto her. Aber bald biegt sie ab, da hilft auch das Zeigen des Fohlens nicht mehr, oder das Anstubsen desselben, damit es bloekt. Also steigt der Koch aus und treibt mit zwei Jungs die Stute hinter dem Wagen her. Ich selber mache mich nuetzlich, indem ich das Kalb auf der Ladeflaeche festhalte, damit es nicht aufsteht. Es wurde heute nacht geboren und die Nabelschnur ist noch dick und nicht eingetrocknet. Es kann kaum stehen, geschweige denn laufen und waere eine leichte Beute fuer die vielen Loewen, Leoparden und Hyaenen hier. Es lehnt sich nach 10 Minuten in meine Hueftbeuge, stubst mich mit seiner kleinen, schmalen Schnauze an, saugt an meinem Hemd und ich gebe ihm meine Finger zum Nuckeln, womit es unverzueglich beginnt.

Wir setzen Muttertier und Junges innerhalb der Farmmauern, zwischen einem dutzend Autowracks, Oelresten, Traktoren und Ersatzteilen ab und ich werde zum nahen “Shoppingcenter”gefahren. Das ist eine Reihe bunter Holzdukas, also kleiner Laeden, zwei Metzger, zwei Hotelis, wo der Verwalter sein taeglich Bierchen Marke “Tusker” geniesst, waehrend ich Mandasis und Szamoszas esse.

Dann gehts zurueck zum Camp. Vor uns springen Impala-Antilopen ueber den Weg, ein Erdhoernchen flitzt davon. Im Camp gesellt sich sogleich ein Knabe zu mir, der gut Englisch spricht. Er heist Alex Naukot Eloto, ist 13, wurde in Nairobi geboren und gehoert zum Stamm der Afhamkast, einem der vielen Kalendschin-Staemme aus der Gegend von Kericho. Er habe Vater und Mutter in Nairobi, aber im Laufe der Stunden bekomme ich den Eindruck, dass diese entweder nicht existieren, oder ihn verlassen haben. Die Huette gehoert jedenfalls seiner Tante.

Fuer die Gaeste gibt es eine schoen gemachte Ueberdachung mit vielen Tierschaedeln und einem Ofen von 1929, Marke “Ideal”. Auf den Sesseln liegen Zebrafelle, auf dem Boden Kamel- und Kuhhaeute. An den Waenden lehnen riesige Elefantenknochen, ein Loewenschaedel liegt auf einer Anrichte, Zaehne, gross wie Daumen. Alex hasst Loewen, verstaendlicherweise, da sie seinesgleichen ja gelegentlich toeten. Manchmal liegen die Katzen direkt an der Hauptstrasse.

Ich fahre mit Alex mit einem Metallboot auf dem Teich umher, eine Rohrdommel fiept derart aufgeregt, dass sie mir das Finden ihres Nestes leicht macht- ein fast fluegges Kueken sitzt still darin. Ueber uns fliegen Hadada-Ibisse hinweg, Stoerche, ein Eisvogel stoesst ins Wasser, am Ufer riesige Spuren der Elefanten, die hier nachts trinken oder ein Schlammbad nehmen, eine Meerkatze hoppelt vor uns davon, als wir zurueckgehen. An der Wand der Cottages huschen Agamen und Eidechsen auf und ab, im Waschbecken hat sich ein Gecko voellig bei dem Versuch verausgabt, den staubig-rutschigen Rand desselben hochzukommen. Ich setze das Kerlchen auf die Huettenwand.

Neben meinem Zelt hat eine grosse Spinne ihre Wohnroehre. Ich giesse Wasser in ihr sauber geformtes Wohnloch und sie krabbelt heraus, bis das Wasser versickert ist und sie wieder panisch in ihrem Haus verschwindet.

Die Tante kommt aus Nairobi, die Kinder freuen sich riesig. Die aelteste Tochter hat selbst schon ein Kind, aber keinen Mann, die Grossmutter ist wirr im Kopf. Ihr Mann war Fleischer und die Turkanas glaubten eines Tages, er habe Fleisch unterschlagen und sprachen einen Fluch ueber ihn aus. Kurz darauf starb er nach einem Autounfall und seitdem brabbelt Grossmutter zu imaginaeren Geistern. Mir gegenueber ist sie stumm und freundlich.

Ich bin eingeladen, man baut fuer mich ein Tischchen mit Tischdecke auf, zwei Stuehle werden herangeschafft, eine Paraffinlampe spendet Licht. Der Kater darf auf meinen Schoss und ungewohnte Krauleinheiten einheimsen, aber das dickbaeuchige Hundwelpen muss draussen bleiben. Hunde sind eben schmutzig.

Ich erzaehle ein paar Reiseschwaenke, einen Witz, den wieder keiner versteht, weil hier Witze unbekannt sind: “Ist der Mann wirklich mit dem Auge am Nagel haengengeblieben..?” “Und was hat der Mann gemacht, als er das Geld des Wuestengeistes im Casino verloren hat..?”

Trotzdem habe ich soviel gelacht, wie schon lange nicht mehr, so dass die Damen des Hauses hinter dem Vorhang immer wieder lugen, ob alles in Ordnung mit uns ist.

geschrieben am 13.7. in Maralal


 

 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope