7/7/2004 Ol Ari Nyiro Ranch ("Ort der dunklen Quellen")
Kuki Gallmann
Ich traeumte von Afrika
(Harald) Morgens gehe ich zum Besucherzentrum hinueber, vorbei an Impalas, die zwischen den Akazienbueschen gelassen grasen. Der grosse, dunkle Holzbau ueberdacht eine Steinterrasse mit Sofas aus groben Holzstaeben, die mit karierten, roten Wollstoffen ueberzogen sind, Muster, wie sie die Hirtenvoelker tragen. Englisches Fruehstueck: Eier und Wuerstchen. Eine Schweizerin sitzt neben mir, ein liebliches Geschoepf, die Mutter Inderin. Die 18-jaehrige heist Anouk und spricht fliessend Englisch, Franzoesisch, aber leider kein Deutsch. Mich duerstet mittlerweile nach einer Unterhaltung in meiner Muttersprache. Anouk hat einen Kontrakt mit der UNO und assistiert einem Kenianer, der ein gemeinsames Projekt mit der Gallmann Stiftung betreut. Man will versuchen herauszufinden, wozu der Lelechwa-Busch, der hier massenhaft vorkommt, geeignet ist. Die hier lebenden Pokot verbrennen das Holz entweder, oder verarbeiten es zu Holzkohle. Da die wilden Weidetiere wie Bueffel, Antilopen, Gazellen, Zebras usw. nicht genug Gras faenden, wenn dieser Busch sich weiter ausbreitet, wurde er stellenweise abgebrannt. Auf dem Gelaende der Ranch haben Hirten keinen Zutritt und Andy berichtet, dass gerade wieder ein Hirte zwei Ziegen Strafe zahlen musste, weil er unerlaubt seine Tiere an einer der zwei offenen Seiten der Farm hat weiden lassen. Die Ziegen werden an arme Pokotfamilien weitergegeben, damit nicht der Eindruck aufkommt, man bereichere sich durch die Strafen. Hier braucht es keine Polizei und keine Gerichte fuer solche Strafen, dass machen die maechtigen Ranches selbst mit ihren Rangern, kleinen Privatarmeen. Und Andy erzaehlt, dass heute morgen ein Mann der Polizei uebergeben wurde, der im Gelaende Leoparden mit vergifteten Pfeilen gewildert hat, um die Felle fuer 5 Euro zu verkaufen. Ein Ranger hat sich als Interessent ausgegeben, nachdem ein Informant sich an die Ranch wendete. Dann erscheint Frau Gallmann, ganz Grand Dame, eine grauhaarige, grosse, schlanke Frau voller Energie und mit freundlicher Gelassenheit stimmt sie einem kurzen Interview zu. Mein Anliegen dieser “Samburu-Tour” ist es, mehr ueber deren Leben zu lernen und herauszufinden, inwieweit es moeglich und richtig ware, sie auch fuer die naechsten Jahrzehnte ihr traditionelles Leben fuehren zu lassen. Ergo frage ich Frau Gallmann auf Englisch (sie ist Italienerin, der Vater war Schweizer), ob sie es fuer moeglich und richtig haelt, das Nomadentum im Norden Kenias zu schuetzen. Ihre Antwort, sagt sie, sei doch klar: natuerlich seien die Hirtenvoelker schuetzenswert, die Vielfalt der Voelker eine der Attraktionen Kenias, gehoerten zur Wildniss wie die Wildtiere. Ihre Kenntnisse seien wertvoll, aber sie besaessen fast ebensowenig politische Macht, wie die Elefanten. “Wenn die Elefanten im Parlament in Nairobi abstimmen koennten, wuerden sie ihre Ruessel heben und fuer Kuki (Gallmann) stimmen.” Ich komme garnicht dazu weitere Fragen zu stellen, es sprudelt aus ihr heraus, Worte, oft gesagt, Gedanken lange ausformuliert, finden ihren Weg leicht. Die Traditionen seinen bewahrenswert, sagt sie und die Nomaden zoegen umher wie die Wolken und gehoerten unter diesen Himmel. Ich frage, was sie von der Missionierung halte. “Die Missionen finde ich nicht gut. Sie bringen Gesundheitsversorgung, erwarten dafuer aber Glauben, Teilnahme an den Gottesdiensten und bauen Kirchen.” Ich kann nicht weiterfragen, weil hier UN-Angestellte einen Termin haben und nach 20 Minuten ist die mir zugestandene Zeit um. Kuki signalisiert mir noch, ich koenne bis morgen bleiben, fuer die Parkgebuehr faenden wir eine Loesung. Ich fahre spaeter mit den beiden UN-Leuten, einem Fahrer und einem Projektbegleiter hinaus in den Busch. Hier wachsen tausende der Lelechwa-Buesche. Ich zerreibe die Blaetter, die Blueten zwischen den Fingern. Ein aetherisches Oel wird frei, riecht wie Fichtenharz mit exotischer Note. Dieses Oel wird unter einem Wellblechdach in zwei Kesseln dampfdestilliert und in Kanister abgefuellt. In Nairobi lagern 400 Liter, aber es gibt keine Abnehmer. Aetherische Oele gehoerten zu meinem Fachgebiet in meinen 13 Jahren als Anbieter fuer biologische Farben. Ich mache Vorschlaege, wozu sich das Oel als Ganzes oder Komponenten verwenden lassen, aber mir draengt sich der Eindruck auf, dass der kenianische Projektbetreuer zwar ein netter, eifriger Kerl ist, aber keinerlei Ahnung hat, was er eigentlich machen soll. Und der UNO-Mann ist ganz Dozent, redet von Satelitenaufnahmen aus Nairobi um Mengen zu ermitteln, waehrend noch niemand ueberhaupt weiss, was man mit dem Oel eigentlich machen soll. Ohne Abnehmer rechnet sich das nicht und es werden wiedermal nur UNO-Gelder und Stiftungsmittel verschleudert. Fuer die Mitarbeiter geht es ja darum, ein Projekt eben NICHT abzuschliessen, sonst werden sie ja joblos. So wird eben reichlich geforscht und getagt und Papier bedruckt und es werden Vortraege gehalten und naechste Woche wird besichtigt, dass kostet pro Nase pro Tag mal eben rund 200 Dollar- nur verkauft wird das Zeug nicht. Naja- nicht mein Bier. Unter der Ueberdachung haben die Elefanten wohl in der Nacht Schutz vor dem Gewitter gesucht und weil ihnen der grobe Schotter darunter nicht zusagte, haben sie ihn weggescharrt, ohne die empfindlichen Anlagen zu zerstoeren. Abends gibt es eine kleine Party. Andy faehrt uns in ein Schulungszentrum mitten im Busch, ein Lagerfeuer prasselt, darum sitzen ein Dutzend ca. 18-jaehrige Schueler aus Hong Kong mit ihren zwei englischen Lehrern, ein Taiwanese, ein Kanadier- eine multinationale Truppe. Die Schueler kommen alle zu mir, stellen Fagen. Woher, warum, wohin, wie lange, was kostet dies und das etc. Ich gehe schnell zu Inhalten ueber, Erfahrungen, spreche von “Menschen fuer Menschen”, von meinen Eindruecken in Syrien, im Sudan, in Aethiopien. Einer meint erstaunt und nachdenklich, er denke nur an seine erste Million (Dollar) und habe noch nie darueber nachgedacht, seinen Wohlstand zu teilen. Ein Samenkorn gesaet? Ich erzaehle den Maedchen und Jungs, dass die Welt zu klein geworden ist, um noch ignorant zu sein, dass der Eine die Luft einatmen muss, die der Andere verpestet hat, dass hier in Kenia die Klimaveraenderungen, die wir Weissen verursacht haben, zu Duerren fuehren, die die Nomaden zwingen, ein fuer allemal ihr Jahrtausende gelebtes Leben aufzugeben, waehrend wir zynisch denken: Was solls? Zwei, drei Grad waermer waer doch toll in Deutschland! Und das wir glauben, alles nehmen zu duerfen, was wir bezahlen koennen. Ein Junge spielt auf einer Klampfe ein christliches Lied, Stimmung kommt auf, als ein Chinese Eric Claptons Requiem “In Heaven” erklingen laesst. Und einer spielt Bob Marleys “No woman, no cry”- Bob, du hast ja so recht! Es gibt Shoarma vom Grill, Salate (endlich mal Rote Beete), Nachtisch, Wein, hinter uns trompeten die Elefanten im Gebuesch. Ein wunderschoener Abend. geschrieben am 14.7. in Maralal
|