7/8/2004 Maralal
Der erste richtige Unfall
Holterdipolter
(Harald) Beim morgendlichen Waschen am Betontrog ein Blick zum KFZ-Mechaniker hinueber- das ist mein Abschied von ihm. Im Zelt esse ich den Rest vom Reis, als eine der Bulldoggen schwanzwedelnd zu mir kommt. Ich sage: “Na?”, dass ist mein Abschied von den Hunden. Als alles verstaut ist, fahre ich unter der Schranke am Tor durch, winke dem Wachmann: “Kwaheri” (Auf Wiedersehen), dass ist mein Abschied von der Mugie-Farm. Nach ein paar km stuerze ich im Geroellschutt am Strassenrand- einfach zuviel Gewicht zu hoch ueber dem Schwerpunkt und zuwenig auf dem Vorderrad. Der Rucksack kippt mir ueber den Kof, weil es keinen Hueftgurt mehr gibt. Ich trage Handschuhe, nur ein paar Schrammen, Glueck gehabt. Nach 17 km das Dorf Kisima. Ein junger Mundschenk versucht mich uebers Ohr zu hauen und ich gehe: dann machst du eben kein Geschaeft, mein Guter. Der Ort besteht im wesentlichen aus zwei bunten Ladenzeilen, mit einer staubigen Freiflaeche voller Abfall dazwischen, wie fast alle kenianischen Doerfer. Bunte Dukas, Werkstaetten, Hotelis. Alles ist voller rotgekleideter Hirten, Samburus und Turkanas. Ich esse etwas, ein Sonderling bettelt mich um einen Tee an. Ich unterhalte mich erstmal mit ihm, er soll etwas geben. Ich verlasse den Ort. 1 km weiter ein Knall und ehe mir Zeit fuer irgendeine Reaktion Bleibt, fliege ich kopfueber ueber den Lenker, den Rucksack wieder im Genick, krache ich in den Geroelldreck. Rechter Unterarm, linkes Schienbein laediert. Der aehtiopische Reifenmantel ist geplatzt, der seitlich hervorquellende Schlauch hat sich an der Bremse verfangen, blockiert und ab gings. Waere mir das auf Asphalt bergab bei 30 kmh passiert, saehe ich jetzt noch ganz anders aus. Ich bin einen Moment verwirrt, stehe ratlos herum und sortiere meine Knochen und checke, was alles beschaedigt ist. Ein Samburuhirte kommt herbei: “Lass Luft heraus,” raet er richtigerweise. Ich schiebe nach Kisima zurueck und suche eine Werkstatt. Zwei Stunden lang wird nun repariert, fast der ganze Mantel muss beidseitig vernaeht werden. Solche Reparaturmoeglichkeiten kennen wir garnicht. Der Bursche, der mein Rad repariert hat, wuerde zu meiner Traumcrew gehoeren, wenn ich eine neue Frima aufmachte. Ich gebe ihm doppelten Lohn. Es ist fast zu spaet, um Maralal noch zu erreichen, aber ich trete rein. Es ist wolkig, rechts von mir liegt die Huegelkette der Matthews Range. Hier ist das Land ueberweidet. Alle 10 Minuten rast ein Matatu staubwirbelnd vorbei. “Nur noch ein paar Kilometer bis Maralal ", sagt es am Strassenrand auf Deutsch. Was, habe ich richtig gehoert? Deutsch? Ich halte an, eine rundliche Kenianerin sitzt da im Gras und lacht mich an. Frau Bossard hat in der Schweiz gelebt, wie die Vokabel “Velo” verraet, genauer gesagt in Zuerich. Sie war verheiratet, ihre Kinder blieben beim Mann zurueck. Welches Vormundschaftsgericht wuerde einer Erziehung in Kenia Vorrang geben? Ich erreiche Maralal erst im Dunkeln. Vor dem Ortseingang weist ein Schild auf einen Campingplatz und das alljaehrliche Kamelrennen hin, dass hier Anfang August stattfindet. In einem Lokal esse ich erstmal Pilau- oder das, was man mir dafuer andreht. Dann schiebe ich mein Rad durch eine voellig duestere Gasse voller stinkendem Abfall und Schlamm, weil man mir diesen Weg zu einem Hotel gewiesen hat. Ich ziehe vorsichtshalber meine Simbe, das Schwert. Die Nachtwaechter sind derart aengstlich hier, dass mir an zwei Toren nicht mal geoeffnet wird. In der Peacock-Lodge werde ich fuendig, sauber, einigermassen ruhig, billig. In einem Tv-Videokino sehe ich mir noch einen suedafrikanischen Film an, dann schlafe ich tief und fest- bis, -ja bis mich der erste im Hof laufende Motor wieder weckt. Hey, that’s Africa, man! geschrieben am 14.7. in Maralal
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