7/16/2004 Maralal
Buntes Maralal
Letzter Aussenposten der Zivilisation
(Harald) Maralal ist ein 20.000-Seelen-Staedtchen ohne Teerstrassen, voller Holzbauten, einer Post mit Internetanschluss, mehreren Tankstellen und voller buntgekleideter Samburus und Turkanas. Und es gibt Schnueffelkinder und die stets betrunkenen oder bekifften Jungs, die den Touristen, mit z.T. abenteuerlichen Geschichten, das Geld aus der Tasche zu ziehen versuchen. So setzt sich einer an meinen Tisch im Restaurant neben mich, er hat mir gestern bei der vergeblichen Suche nach einem neuen Reifenmantel geholfen und somit erstmal Kontakt und Vertrauen aufgebaut und das will er jetzt ummuenzen. Wie zufaellig erscheint ein zweiter, ein betrunkener Samburu und laedt mich zur Hochzeit seiner Schwester ein, die morgen heiratet, eine echte Samburuhochzeit, um 6 Uhr werde der Bulle getoetet, und 200 Morani wuerden tanzen, nein 1000 und alles sei kostenlos. Ich frage, was denn sein Nutzen sei, wenn ich nichts zu zahlen haette und er wiederholt einfach seine Geschichte und fuegt hinzu, ich solle Geschenke mitbringen, Kautabak und Suessigkeiten im wesentlichen, der da- er zeigt auf den anderen- werde mir zeigen, wo ich den bekaeme. Ginge ich nun tatsaechlich mit ihm, muesste ich fuer den Tabak das Doppelte oder mehr bezahlen und morgen frueh kaeme natuerlich niemand, weil es garkeine Hochzeit gibt. Das bestaetigen mir die Aelteren der Samburus und auch, dass es keine 200, geschweige denn 1000 Taenzer gaebe, sondern, wie ich das in Lokologo erlebt habe, koennten selten mehr als 30, 40 Krieger zusammengetrommelt werden. In der Post kann man in der Halle vor Computern stehen und dann, binnen 20 Minuten, eine einzige Mail lesen- die Verbindung ist langsam. Ich suche also einen Betrieb, der einen Computer hat und spiele alles auf eine Floppy. Ich esse im “Hard Rock Café”- kein Lizenznehmer dieser weltweit verbreiteten Franchisekette, sondern unter den Fittichen einer somalischen Familie, die leckere Indscheras anbietet (suesse Varianten, nicht die aethiopische), Kuchen und ein echtes Pilau mit Nelken, Zimt, Pfefferkoernern und Kardamom, sowie Massala-Schai. Ausser im August, waehrend des Kamelrennens, halten sich hier, tief in der Provinz, nur sehr wenige Weisse auf. Aber der Hotelbesitzer erzaehlt mir, dass viele Jungs nach Mombasa gehen, um eine aeltere Weisse (er sagt “sehr alt” und meint 50 Jahre) zu umgarnen und zu heiraten, damit sie aus Kenia raus und an Geld kommen. Und das die Maedchen es genauso machen, um sich dann nach ein, zwei Jahren, im Besitz der jeweiligen Staatsabuergerschaft und Rechte, sofort wieder von den 20, 30 Jahre aelteren Maennern scheiden zu lassen. Diese Beziehungen gehen sehr selten gut und beruhen mehr auf einem Geschaeft nach der Formel: Jugend gegen Geld. Auch Benson, der 22-jaehrige Mitarbeiter des Computerladens, hat ein solches Angebot bekommen. Eine aeltere Deutsche hat ihm einen Heiratsantrag gemacht, aber sie hat nicht genug Geld, kann nicht mal seinen Flug nach Deutschland und die Kosten einer Visagenehmigung aufbringen. Und so konzentriert sich Benson auf die negative Seite der Sache: sie sei doch zu alt fuer ihn. Ja, sie habe seinen Computerkurs in Nakuru bezahlt und dadurch habe er diesen Job bekommen, dass stimme. Aber jetzt? Wenn ich hier sitze und aus dem Fenster im ersten Stock ueber den zentralen Kreisverkehr der Stadt schaue, sehe ich die Taxis und Loris voller Buntgekleideter, die in alle Richtungen des menschenarmen, trockenen Nordens fahren und auf der Strasse hunderte von befiederten, mit Decken umschlungene Hirten mit ihren Staeben, Schwertern und Keulen, rotgefaerbten Haaren und Haelsen, loechrigen Ohrlaeppchen voller Schmuck. Am 15.7. finde ich endlich, nach vergeblichen Versuchen eine Internetverbindung zu bekommen, einen katholischen Priester, der mir eine Moeglichkeit anbietet. Aber ich habe die Rechnung ohne die italienischen Padres gemacht, die erstmal 2 Tage lang keine Zeit fuer mich haben, um dann am dritten Tag Warten auf eine Verbindung, festzustellen, dass ein Netzugang nicht moeglich ist- worauf ich mit einem jungen Katechisten durch die Stadt von einer Kirche zur naechsten, von einer Organisation zur anderen irre. Schliesslich sitze ich in einem Innehof an einem Holztischchen, ein Telefonkabel durchs Fenster haengend und versuche endlich einen Zugang zu bekommen. Ich werde wahrscheinlich uebermorgen hinauf zum Lake Turkana weiterfahren, ueber Baragoi, South Horr nach Lonyangalani. Dort wird es wahrscheinlich kein Internet geben, sondern erst wieder in Marsabit. geschrieben am 17.7. in Maralal
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