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Reisetagebuch

7/19/2004   Kenia / Porro

In den Lorochi Hills

Im Land der Samburus

(Harald) Die letzten zwei Tage habe ich im Gelaende der katholischen Mission des Consolata Ordens in Maralal verbracht. Mein Zelt steht auf dem Sportplatz, ein wunderbar ruhiger und sicherer Standort.

Father Joshua und Peter, der Katechist, ebenfalls auf dem Weg zum Priester, sind beide in der Gegend um Maralal geboren. Besonders mit Peter, einem Sohn eines Turkana-Samburu-Paares, freunde ich mich herzlich an. Sein strahlendes Lachen, seine unkomplizierte Art und Freundlichkeit haben es mir angetan. Joshua und er erzaehlen mir stundenlang von ihrem Volk, von ihren Sitten, Sichtweisen und ihre Welt wird mir mehr und mehr vertraut.

Zwei junge Priester aus Italien sind kurz zu Besuch gekommen und gestern abgereist. Unter den Geistlichen scheint es einige zu geben, die eine traditionelle Lebensweise der Nomaden unterstuetzen. Einer war dafuer, dass die Hirten in ihrer traditionellen Kleidung zur Messe kommen sollen, was durchaus nicht ueblich ist.

Morgens wecken mich die schoenen, mehrstimmigen Chorgesaenge aus der nahen, achteckigen Kirche, die mich an die aethiopische Bauform erinnert. Die Schueler der Mission sind vorwiegend Samburus, ein paar Turkanas, Boranas, Gabbras, Somali und ein einzelner El Molo ist darunter- Kenias kleinster Stamm, der nur am Lake Turkana lebt.

Ich habe alles gepackt und verabschiede mich herzlich von den schwarzen Priestern- zu den vielen Italienern hier habe ich keinerlei Kontakt aufbauen koennen. Diese sind voellig desinteressiert, bleiben verschlossen und unter sich. Den oertlichen, italenischen Bischof habe ich leider nicht kennengelernt. Das muss ein ungewoehnlicher Mann sein, der stets mit seinem Motorrad unterwegs ist, daaselbe selber, auch mit weissem Kragen, repariert und es liebt, dauernd unterwegs zu sein.

In der Poststation versuche ich ein letztes Mal Mails zu beantworten- erneut vergebens. Ich kaufe Wasser, Bananen, Kekse und fahre los, hinauf in die Lorochi Berge hinter Maralal.

Die Strecke ist selbst den Titel "Piste" nicht wert. Blanker, rauher Fels, Steigungen, gegen die eine Garageneinfahrt wie ein Spuelenabtropf wirkt. Da hilft nur Absteigen und Schieben. Gelegentlich fahren klapprige Sammeltaxis vorbei und ein paar weisse Toyotas der Regierung, mit Offizieren der Polizei, die anhalten und mich fragen, ob alles o.k. sei. Die Musungus fahren wieder mal durch, auch als ich spaeter eine Panne habe. Das aergert mich immer noch, obwohl ich das schon so oft erlebt habe. Wahrscheinlich mag ich das Spiegelbild nicht, dass mir dergestalt vorgehalten wird.

Es beginnt zu regnen, ich stelle, hocke mich unter einen Baum und beginne sogleich damit Aeste abzubrechen, um es mir bequemer zu machen. Mir wird klar, dass die Nomaden nicht staendig die Umwelt nach ihrem Gustus umwandeln, weil sie von deren Natuerlichkeit abhaengen und nicht lange an einem Ort bleiben- wozu also den Aufwand zur Optimierung betreiben? Der Nomade sucht sich wahrscheinlich gleich einen passenden Unterstand. In "Haben oder Sein" hat Erich Fromm ein aehnliches Beispiel gewaehlt, um unsere westliche Haltung zu vergegenwaertigen: der Westler sieht am Wegesrand eine schoene Blume und bricht sie ab, um sie mit nach Hause mitzunehmen. Der Asiate schaut sie sich an und kommt morgen nochmal vorbei und hat so viel laenger etwas von der Schoenheit. Wir sind eben Konsumenten, Umwandler, Beherrscher und Besitzer.

Der Regen weicht den Boden alsbald auf, verwandelt die Strasse in eine Schlammstrecke, ueber die die Autos schlingern wie auf Eis. Ein Taxi bricht sich in Sichtweite die Achse, die Passagiere steigen schweigend aus und gehen im Regen zurueck.

Ich will weiterfahren, aber der Lehm haftet wie kalter Knetgummi an meinem Profil, setzt es zu, dann schichten sich Lagen aus Erde und Steinen um die Reifen, blockieren die Bremsen und schliesslich haengen die Raeder fest, weil zwischen Schutzblechen und Reifen alles aufgefuellt ist.

Ich baue die Reifen und Bleche aus, reinige alles und versuche mein Glueck neben der Piste im flachgefressenen Gras, das geht besser. Als die Piste in den ersten, zaghaften Sonnenstrahlen etwas angetrocknet ist, sitze ich wieder auf und radle weiter. Ich erreiche Porro, ein Bergdoerfchen in etwa 2500 m Hoehe, mit einem kleinen Staudamm aus Erde und Beton, sehr gruen und einsam. Auf der hoechsten Huegelkuppe liegt die kleine Kirche und ein Aussenposten der Mission in Morijo. Als ich dort ankomme, bin ich voellig groggy, alle, platt, ausgelaugt, obwohl ich heute nicht weit gekommen bin. Die Hoehe? (Wochen spaeter stellt sich heraus, das mein Blutdruck extrem niedrig ist).

Der Priester ist nicht da, dafuer ein Gast, ein grosser, hagerer, grauhaariger Rendille aus Lokologo. Der 56-jaehrige hat ein schmales Gesicht und feine Zuege, eine Haut wie Kakao, spricht fliessend Englisch, Kisuaheli und Samburu-Maa. Und da ist ein angetrunkener Samburu-Aelterer mit roter Baseballkappe, der ueber die Probleme der Nomaden spricht und mir hierzu das Statement eines itlienischen Anthropologen uebergibt. Der Author heisst Roberto Salsa, wohnt in Loyangalani am Turkanasee und als ich den Text uebersetze, will ich ihn kennenlernen.

Da es hier keinen Strom gibt, nicht mal ein Generator in Betrieb ist, bricht frueh die Nacht an. Im Schein einer Gaslampe sitzen wir noch ein paar Stunden beieinander, essen das Ugali mit Ziegenfleisch, dass uns die Frauen gekocht haben und dann sinke ich in einer Kammer auf eine Liege. Neben mir liegt der Rendille und atmet schon ruhig.

"Nicht genug"- heisst: nie zufrieden.

Sprichwort in Uganda und Kongo

Keme sipat alang sapare. (Wahrheit ist schmerzlich)

Sprichwort der Samburu

geschrieben am 11.8. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 


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