7/21/2004 Kenia / Morijo
Padre Aldo
Safari ya Amani / Nkai
(Harald) Nass, kalt- ich sehne mich nach der Wueste, der Hitze, der Trockenheit. Meine Fersen sind neuerlich geplatzt, ich feile sie ab und mir ist unerklaerlich, wie die Leute die tiefen Risse in den Fersen ohne Entzuendungen ueberstehen koennen. Vor der Kirche spielen Kinder, singen, als ich abfahrtbereit draussen stehe und mich von dem Rendille und dem Priester verabschiede. Nebenan wird ein neues Schulgebaeude gebaut und Padre Aldo ist aus Morijo gekommen, meinem heutigen Tagesziel, um nach dem Rechten zu sehen. Hier zu bauen, ist mit erheblichem Aufwand verbunden, denn alles muss von weit her herangeschafft werden: Zement, Steine, selbst zugeschnittenes Holz. Als ich ihm die Hand schuettle und ihm erklaere, dass ich hier bin, um mehr ueber die Nomaden zu lernen, drueckt er mir gleich das naechste Themenpapier in die Hand- eine Erklaerung der Aeltesten der Samburu. Father Aldo laedt mich ein, ihn zu besuchen und mit dieser frohen Botschaft fahre ich los. Es geht hinunter in den Weiler, ein schneller Tee, ein Mandazi, dann steil bergauf auf den Mount Porror, eine schoene Aussicht hier oben, auch auf meinen gestern erstuermten Gipfel. Neben mir ragt ein Telefonmast fuer das Mobilfunknetz empor, auch hier liefern sich die Provider ein Rennen um die zukuenftigen Kunden. Afrika wird nie ein Kabelnetz wie Europa haben, dass ist finanziell und technisch unmoeglich und die Funknetze sind die beste Loesung. Die folgende Strecke ist mit "schrecklich" liebevoll umschrieben. Unbefahrbar grossenteils, rauhe Brocken, loser Kies auf festem Grund, die reinste Achterbahn, mir rutscht selbst beim Schieben das Rad weg. Ich muss die Hinterradbremse dauernd anziehen, die vordere Bremse ist ausgehaengt, weil eine Speiche gebrochen ist und das Rad ein schleifendes Ei hat. Zwei Morani kommen mir mit einer kleinen Herde entgegen, sehr junge Krieger, deren einer mich auf Englisch um Suessigkeiten anbettelt. Das ist ungewoehnlich, denn ueblicherweise sind die Moran zu stolz, um zu bitten. Dann will der Junge mir seinen Koerperschmuck verkaufen, mir ist das peinlich, der ist jung, gesund, hat Arbeit, seinen Platz und er bettelt. Spaeter, ich schiebe wieder 120 Garageneinfahrten hintereinander aufwaerts, lanciert ein Einaeugiger sich stets hinter mich. Ich werde bald unruhig, der Kerl sieht mir nicht vertrauenswuerdig aus. Als er mein Misstrauen bemerkt, geht er voraus, verschwindet in den Bueschen. Wir sind hier draussen mutterseelenallein und als er ploetzlich wieder neben mir aus den Bueschen kommt, wird mir die Sache zu bunt. Ich steige auf und trete los, dann geht es bergab und der Mann kann mir nicht mehr folgen. Es beginnt wieder zu regnen, erst zoegerlich, dann entschlossen, schliesslich haltlos. Ich bin so kurz vor dem Ziel, sehe Morijo schon unter mir, eine einzige Abfahrt noch, 3 km vielleicht, aber es nutzt nichts, ich muss mich unter meiner Plane unter einen Baum verkriechen. Nach einer halben Stunde bin ich nass, denn die Plane leckt, ich bin durchgefroren und will losschieben, weil die Strasse nicht mehr befahrbar ist, wenigstens versuchen durch den Schlamm voranzukommen, hier gibt es keinen Seitengruenstreifen. Aber, oh Wunder!- Padre Aldo faehrt vor, auf dem Weg nach Hause und seine Angestellten laden mich und meine Habe ein, eine Riesensauerei, alles voller Modder. Morijo ist ein Dorf in den Bergen, zwanzig Steinhaeuser mit Wellblechdaechern in einem flachen Tal, alles ueberweidet, die Huegel ringsum noch schwach bewaldet. Es ist windig, kuehl, gruen, Kakteenhecken, grosser Sisal waechst allerorten. Am hoechsten Huegel stehen die Kirche und die Missionsgebaeude, Father Aldos Reich. Beim Ausladen fasst einer der Doeskoeppe (Schuldigung- aber wirklich!) meine Gepaecktaschen an der einzigen Stelle an, die man eben nicht, offensichtlich nicht, belasten sollte und fast waere es das fuer die Taschen nach 2 Jahren Reise gewesen. Auf Ideen kommen die Leute, man fasst es nicht. Der Torwaechter, ebenso breit vom Alkohol wie sein Gesicht, will sich gleich grinsend meine leeren Plastikflaschen unter den Nagel reissen und ich muss sie mir fast gewaltsam wiederholen. Irgendwie fehlt hier etwas der feste Griff in der Mission, scheint mir. Im Missionsgebaeude geht wie in einem Taubenschlag zu, das Wohnzimmer des Priesters ist wie ein Flur, aus der Kueche kommen Kindern mit Broten und Keksen, eine Frau wartet, eine verstohlene Uebergabe, eine Plastiktuete raschelt, schnell weg. Jeder blaettert hier in den Gehaltabrechnugen der anderen, in Papieren, Schluessel in jedermanns Hand. Ich glaube, der 73-jaehrige Aldo ist nicht mehr ganz Herr im Haus. Er hat schon drei Bypaesse kann nicht mehr selber fahren und hat kaum mehr Kraft in den Armen. Fuer die Angestellten ist das Nehmen so selbstverstaendlich, dass sich einer sogar meine Buecher vom Tisch vor mir nimmt, ohne mich zu fragen. Aldo klagt, dass Videokassetten verschwaenden. Wir beide essen gemeinsam, Antilopensteak, von welcher Spezies weiss nur der Moran, der das Tier erlegt hat. Und Salat gibt es und Kaese und Essig und Olivenoel und Rotwein... Herrlich! Ich grabe meine rudimentaeren Italienischkennntisse aus (prego, grazie, bon giorno, buene notte etc.) und wir beiden schwaermen von Koestlichkeiten wie Mozarella, Balsamico, Expresso, Cafe latte und Capuchino. Aldo ist seit 37 Jahren fuer den Consolata-Orden in Kenia taetig, leitet seit 14 jahren diese "Filiale". Ich frage ihn, was ihm besonders am Herzen liegt. "Frieden zwischen den Staemmen", sagt er. Er hat eine Friedensreise, eine "Safari ya Amani" organisiert, die ueberall im Samburudistrikt Halt machen wird und auch das am 7.8. in Marti, ganz in der Naehe stattfindende Versoehnungsfest zwischen Samburus und Turkanas ist sein Kind. Ich bekomme ein Zimmer zugewiesen. In der Nacht gehe ich mit der Taschenlampe zur Kirche, ein Licht brennt dort noch. Drinnen sitzt ein einsamer, junger Samburu auf einer der Baenke, tief im Gebet versunken. Auf dem Altar ist alles in Kisuaheli beschriftet und Gott heisst dort wie der Samburugott: Nkai. Padre Aldo ist ein ungewoehnlicher Priester, scheint mir. geschrieben am 11.8. in Nairobi
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