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Reisetagebuch

7/22/2004   Kenia / Morijo

Patrick Lesiamito

Lasst uns in Frieden leben!

(Harald) Padre Aldo und ich fahren am Morgen Richtung Sueden, etwa 20 km, das dauert bei den hiesigen Strassenverhaeltnissen ueber eine halbe Stunde. In den Bueschen neben der Piste sehe ich Diggi-Diggis, wie die Staemme hier die winzigen Antilopen nennen, Rehe, so gross wie ein Dackel mit zu langen Beinen, grosse schwarze Augen und kleinen spitzen Hoernern. Sie leben stes paarweise und sind begehrte Jagdobjekte fuer fast alles was jagen kann, incl. der Menschen.

Ich moechte mir mit Aldo den Ort ansehen, der ihm so sehr am Herzen liegt: Mbukoi. Zwei flatternde weisse Fahnen rechts der Strasse zeigen den Ort an, der vor 34 Jahren Zeuge eines Mordes war und am 7.8. ein Versoehnungsfest beherrbergen soll. Frauen beider Staemme, Turkana und Samburu, schlagen eine Freiflaeche in den durchgrasten Busch, eine Tafel wird aufgestellt, die das Fest ankuendigt.

Tiefer im Busch- die urspruengliche Strasse ist fast unkenntlich zugewachsen- steht ein Kirchen- und ein Schulgebaeude, verlassen, z.T. zerstoert, die zahlreichen Schussloecher im Wellblechdach kuenden von den jahrelangen Kaempfen, die hier viele Tote forderte und schier endlosen Terror schuf. Allein Morijo wurde 25 mal angegriffen, Aldo hat so manche Nacht die metallischen Schussschlaege der automatischen Waffen gehoert, Bewohner, die schrien und mancher rettete sich in die Missionsgebaeude.

Unweit der Schulbarracke stehen wir an dem Ort, an dem 1970 Patrick Lesiamito, ein bei den Samburus hochgeachteter alter Laibon, ein Magier und Seher, von Viehdieben der Turkana ermordet wurde. Der Tod wurde nie gesuehnt.

Die Kaempfe eskalierten Ende 1996, ein Hubschrauber der Polizei wurde abgeschossen, das ganze Jahr 1997 tobten die Kaempfe, Mbukoi und das nahe Dorf Marti wurden von den Bewohnern aufgegeben, ein Vergeltungsreigen entfesselte sich, zehntausende Stueck Vieh wechselten wieder und wieder die Besitzer, hunderte Menschen wurden erschossen, immer mehr moderne Waffen herangeschafft. Erst 200o kehrte etwas Ruhe ein und jetzt moechte Aldo mit seinem Friedensfest so etwas wie ein offizielles Ende verkuenden.

Auf der Wandtafel in der Schule hat ein Turkana in Kisuaheli geschrieben: "Samburus! Lasst uns in Frieden leben. Wir respektieren gegenseitig unsere Arbeit (Viehhaltung)."

Dieser Ort hat etwas Trauriges, ja Gespenstisches und waere da nicht die erheiternde Sonne und Waerme, meinte man vielleicht die Toten klagen zu hoeren.

Wir kehren zur Strasse zurueck, die Arbeiten schreiten nicht recht voran, Aldo erwischt den Mann, der die Arbeiten leiten, beim Teetrinken und kann sich garnicht beruhigen. Sein italienisches Temperament geht mit ihm durch, er bruellt und aefft den Mann nach. Die Samburus hassen Schreien, verachten es als Ausdruck fehlender Disziplin und deshalb lachen viele jetzt verlegen, schauen oder gehen weg.

Die Turkanamaedchen faszinieren mich am meisten. Sie sind stets etwas muerrisch, verschlossen, kamerascheu sowieso. Sie haben Holz geschlagen, um es in Marti zu verkaufen, einige schlafen im Sand in der Sonne. Sie sind gross, schlank mit kleinen Bruesten, sehr dunkel und ihr Kopf ist beidseits kahlgeschoren, so dass nur ein handbreiter Streifen kleiner Zoepfe stehenbleibt. Auf ihren Schultern lasten schwere, bunte, breite Perlenkraenze, die Ohren sind mehrfach durchbohrt, die unteren Schneidezaehne ausgeschlagen.

Die etwa 15 Samburufrauen sitzen im Schatten einer grossen Akazie. Sie sind eher kakaobraun, haben kurze Haare und sind ueberaus bunt gekleidet. Ihre schweren Halskraenze sind breiter und lasten so nicht voellig auf den Schultern; infolgedessen sind diese gerade und nicht wie bei den Turkanas, abfallend.

Wir fahren zurueck und essen zu abend. Ein italienischer Padre kommt zu Besuch und bringt einen Videorecorder mit und wir sehen uns gemeinsam einen Film an, sehr amerikanisch auf italienisch.

In einem Buch des Consolata-Ordens ueber den Stamm der Kikuyu lese ich die selbstkritischen Worte:

"Das historische Verstaendnis war, dass der "Dunkle Kontinent" Erleuchtung durch Evangelisierung und Zivilisation durch die Kirche und die Westliche Welt brauchte." (Il Populo Kikuyu", 2002, Consolazione).

Diesem Verstaendnis fielen allein waehrend des Mau-Mau-Aufstandes etwa 120.000 Kikuyu zum Opfer und etwa 35 Weisse.

geschrieben am 12.8. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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