7/24/2004 Kenia / Baragoi
Wo ist das Starterkabel?
Im Grenzland von Turkana und Samburu
(Harald) In der Nacht wurde irgendwas langsam umgebracht, aus Richtung der Strasse erklang es quiekend, quaekend, ersterbend. Ansonsten ist das Zelt, das Buschland und die Wueste, der Schlafplatz meiner Wahl. Jede Nacht in den lauten Hotelzimmern, mit schleimigen Duschen und stinkenden Toiletten sehne ich mich nach draussen, hierher, wo es weit und offen ist, wo es nach Kraeutern duftet und mir Voegel singen. Beim Pinkeln auf Erde und Gras zu sehen, ist entschieden aesthetischer, als der Blick in die Toilettenloecher, aus deren atemverschlagendem Brodem Schaben und Fliegen aufsteigen- wehe, man hat nachts in diesem Augenblick des abwaertsgerichteten Blickes die Kopflampe nicht ausgemacht- der Anblick kann einem den Appetit nehmen. Den Aufwand, 30 Meter durch die Dornen geschoben zu haben, haette ich mir sparen koennen, denn seit 15 Stunden ist kein einziges Auto vorbeigekommen. Ich trage alles zur Strasse und fahre mit knirschenden Gaengen los. Alsbald setze ich mich in den Schatten am Strassenabhang und fruehstuecke. Ein weisser Allrader kommt vorbei, zwei bleiche Nonnen darin, die mich keines Blickes wuerdigen, man kommt sich vor wie in Krefeld zur Rushhour. Wenn das die Herzlichkeit der Mission in Baragoi widerspiegelt, kann ich mir den Besuch sparen. Dann faellt die Landschaft in einer neuen Absenkung um nochmals um ca. 100 Meter vor mir und ich stehe ploetzlich vor der gigantischen Elbarta-Ebene, die sich bis zum weitentfernten Horizont erstreckt. Zwei grau-gruene Bergketten begrenzen den Blick; rechts, im Osten, die Ndoto-Berge, etwa 2600 m hoch, vor mir ragt der heilige Berg der Samburus, der 2850 m hohe Mt. Mgiro empor. Zwei einsame Bauarbeiter hoeren Radio neben der Strasse, sie klopfen Steine, um die Riesenloecher in der Fahrspur auszubessern. Der Regen spuelt an allen Steigungen das Erdreich weg und nur der blanke Fels bleibt zurueck und zerschneidet die Reifen. Die Maenner zeigen mir am Horizont Baragoi. Allein, - ich sehe es nicht. Gut, irgendwo da ist es, verfahren werde ich mich ja wohl kaum, gelle? Unten ist es noch ein paar Grad heisser und nur der kuehlende Wind vertreibt den Schweiss. Seit gestern habe ich wieder Kopfschmerzen, vielleicht die Hitze denke ich, daran muss ich mich erst wieder gewoehnen. Heiligs Blechle, was rumpelt die Kette, man ist geneigt bei dem Geraeusch mit den Zaehnen zu knirschen. Und aus dem Vorderreifen ragen schon wieder zwei seitliche Beulen hervor, Vorboten eines erneuten Sturzes. Also: Pole-pole (langsam, langsam). Rechts biegt eine selten genutzte Fahrspur Richtung Barsaloi und Wamba ab, wo ich mit Jane und Stefan war. Am Mittag erreiche ich Baragoi, ein Oertchen, klein, aber auf jeder Keniakarte verzeichne. 2 Unterkuenfte, 20 Dukas, 3,4, Restaurants, ein paar Maismuehlen, 2 Videokinos und dutzende Huetten aus allem, was geeignet ist: Zweigen, Blaettern, Maisstroh, Kakteenranken, Plastikplanen und Wellblechstuecken. Mein Vorderreifenmantel muss fast ringsum beideitig vernaeht werden, sonst fliegt er mir um die Ohren. Ich fahre zur katholischen Mission. Eine grosse Kirche, mehrere Gebaeude, ein unfreundlicher Italiener, der mich binnen zwei Minuten abfertigt, Empfehlungsschreiben aus Maralal hin oder her, nein, kein Platz, kein Essen, nicht mal Wasser. Der Mann geht einfach weg und kommt nicht wieder. Bei solcher Ungehobeltheit kocht es in mir, ich bin kein Bittsteller, sondern zahle, wenn es angenommen wird. Na, herzlichen Glueckwunsch! Der Freund von Father Joshua und Peter aus Maralal kommt, ein freundlicher Samburu, entschuldigt sich mehrfach fuer das ungebuehrliche Betragen des Padres, bietet mir einen Zeltplatz an, aber ich moechte nicht auf diesem Gelaende bleiben und suche mir eine Unterkunft im Ort. Die Lodge ist sauber und enigermassen ruhig, es sind wenig Gaeste da. Eine kleine, zierliche japanische Aerztin checkt ein, sie arbeitet fuer MSF, Medicines sons frontier, aber an einem Gespraech ist sie nicht interessiert. Ich uebersetze jetzt die Schrift von Roberto Salsa ins Deutsche, dann gehe ich ins Videokino, dass seinen Strom aus LKW-Batterien zieht. Ein amerikanischer Ballerfilm, ich beneide die Chronisten fast um ihr so einfach-sicheres Weltbild: Offensichtlich islamische Boese-Buben mit Narbengesichtern metzeln Mamas Lieblinge (gezirkelte Scheitelfrisuren) aus den USA ab, die ja nur gekommen sind, um Frieden mit Waffen zu bringen und den verdammten Motor nicht anbringen, die Einschlaege kommen immer naeher, wo um alles in der Welt ist das Starterkabel hin... "Imtowana lomoni amu miyiolo niperoo." (Beherrberge den Fremden, weil du nicht weisst,wo du einst schlafen wirst) Sprichwort der Samburu geschrieben am 13.8. in Nairobi
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