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Reisetagebuch

7/27/2004   Kenia / Kurungu

Homo Sapiens Geizikus

Anlauf auf Loyangalani...

(Harald) Die Strecke nach Loyangalani ist etwa 90-96 km lang, je nach Lesart, und mit wem auch immer ich spreche, jeder raet mir ab, sie mit dem Rad zu befahren. Der Priester erzaehlt mir von Andy und seinem Freund, den Schweizer Radfahrern, die wir in Addis getroffen haben. Sie waren hier und sie haben es geschafft.

Ich setze mich unter die Papageienkaefige und uebersetze weiter und breche erst nachmittags auf. Da eine Weiterfahrt von Loyangalani nach North Horr im Norden zwar noch moeglich ist, aber die Strecke danach bis Marsabit ist ca. 150 km lang und mit langen Tiefsandpassagen versehen, die mit dem Rad nicht zu bewaeltigen sind. Deshalb gebe ich meine Ursprungsidee auf, einen Bogen ueber North Horr nach Marsabit zu machen. Ich bin ja nicht hier, um mich zu beweisen- dazu ist der naechste Abschnitt gut genug geeignet-, sondern um die Nomaden zu studieren.

Also lasse ich alles hier, was ich fuer die naechsten paar Tage nicht unbedingt brauche: Kleidung, Buecher, Kochgeschirr, Ladegeraete, Moskitonetz etc. Das ergibt einige Kg und ein Gepaeckstueck weniger. Dafuer muss ich aber Wasser in Mengen aufladen, insgesamt 9 Liter/Kg.

Der Priester erzaehlt mir beim Fruehstueck nochmals in aller Breite was von "Essen wie im Hilton Hotel" und das "alles so teuer sei", weshalb ich ihm nochmals 200 KSH gebe und so ist mein Aufenthalt eher ein Geschaeft fuer die Kirche, denn Gastfreundschaft.

Und der Mann scheint das Gefuehl zu haben, er muesse sich fuer sein suesses Leben hier erklaeren, denn er erzaehlt, er moege es beschaeftigt zu sein. Nur- bis zum Nachmittag hat er, ausser einem Gottesdienst abzuhalten, nichts gemacht. Er ist rund, wird von einem halben Dutzend Samburufrauen bedient, bekocht, alles wird gewaschen, gesaeubert, es gibt Gaertner und Werkstattleute, Fahrer und die italienischen Nonnen, zwischen 60 und 70 Jahre alt, nennen den 30-jaehrigen Vater" Sein Tag teilt sich vorallem in Mahlzeiten auf. Ich glaube ihm sein Schlaraffenlandgerede auf Anhieb, denn South Horr ist kuehler, gruener, ein frischer Wind weht, es ist ruhig, es gibt leckeres Wasser das ganze Jahr und das Missionsgelaende mit seinen Blumen und Gaerten voller Fruechte ist wie eine Oase der Fruchtbarkeit. Priester der katholischen Kirche zu sein, ist keine schlechte Wahl. Hier gibt es Strom und Wasserleitungen, warme Duschen, blitzsaubere Toiletten, gekuehlte Nahrung. Das hat hier nicht mal die Polizei oder Armee oder der Distriktvorsteher.

Ueber mir drehen die Papgeien wieder Kreisel um die Sitzstangen und ich wundere mich ueber die offensichtliche Intelligenz dieser schlauesten aller Voegel, deren Gehirne so ganz anders aufgebaut sind, als unsere und die trotzdem zu Leistungen faehig sind, die denen von Walen, Elephanten, Affen und Kraken aehnlich ist.

Ich habe Indscheras und gebratenes Fleisch vorbestellt und hole es bei der somalischen Wirtin mit den vielen Kindern ab. Dann fahre ich gegen 17 Uhr los.

Am Ortsausgang will ich, erstmals waehrend meiner Reise, die Telefonnummer der oertlichen Polizei erfragen, um im aessersten Notfall, z.B. bei einem Schlangenbiss, Hilfe anfordern zu koennen. Der Beamte am Funk traegt nur eine Zivilhose und Badelatschen, kommt mir mit nacktem Oberkoerper entgegen und ist gerade mit privatem Funkvervehr beschaeftig, nichtsdestotrotz freundlich und hilfsbereit. Aber diese Station verfuegt nur ueber Funk, der naechste Telefonanschluss, den ich mit dem Satelitentelefon erreichen koennte, ist in Marsabit und von dort muesste dann jemand die Beamten hier verstaendigen. Aber die Nr. in Marsabit ist nicht vollstaendig zu erfahren, niemand kennt die Vorwahl von Kenia.

Zwei Samburu-Moran, die ich in Baragoi getroffen habe, haben sich wg. eines Streites um Geld gerade eingefunden. Der Betrogene spricht leise und beherrscht, aber sein ganzer Koerper zittert und schlottert foermlich vor lauter Adrenalin beim Erklaeren. Von dieser fast unbeherrschbaren Wut der Moran hat man mir schon oefter erzaehlt, hier sehe ich das zum ersten Mal live. Ein Stepke von 8-10 Jahren, einer der Soehne der somalischen Wirtin, muss uebersetzen, denn die beiden Polizisten sind Kikuyus und sprechen kein Ma-a und die Moran weder Kisuaheli noch Englisch.

Ich fahre etwa 7 km aus South Horr hinaus durch z.T. tiefen, groben Sand, ein riesiger Pavian kreuzt 10 Meter vor mir die Oiste. Immer im Baumschatten, erreiche den Weiler Kurungu. Sogleich laufen die Maenner zusammen, es wird gebettelt und gelogen, um an mein Geld zu kommen: der oertliche Campingsplatz sei verlassen, ich solle doch privat unterkommen etc.

Ich lasse mich nicht einwickeln und fahre einfach weiter und -richtig- auf dem Campingsplatz stehen sogar zwei 4x4, eine Gruppe Wissenschaftler ist auf dem Weg nach Kobi Fau, einem der beruehmtesten Fundstellen vor- und fruehmenschlicher Knochen und Werkzeuge. Der amerikanische Professor hat drei Studenten dabei, eine davon kommt aus Venlo, unserer naechsten Nachbarstadt in Holland.

Sie ist es auch, die mich nach dem Zeltaufbau einlaedt, mich zu ihnen zu setzen. Der Professor bietet mir dann aber nicht mal einen Tee an und ich esse zwar mein eigenes Essen, aber auch eine kleine Portion Spaghetti, die von zwei Koechen zubereitet wird, wird nicht offeriert. Meine Fragen nach offenen Aspekten der Archaeologie und Anthropologie beantwortet der Professor derart muerrisch, dass ich bald aufgebe, eine lockere Unterhaltung aufbauen zu wollen, Lachen will nicht aufkommen. "Musungus halt", denke ich wieder mal, der asoziale Menschenschlag, Homo Sapiens Geizikus. Haben am meisten und geben nichts ab.

In der Nacht wache ich auf, weil neben dem Zelt drei offensichtlich betrunkene Maenner lamentieren. Der Besitzer des Campingsplatzes hatte schon rote Augen als ich ankam und die im voraus kassierten Gebuehren hat er wohl gleich in Chaenga, dem Billigbrandy in kleinen Platiktueten, umgemuenzt. Vor allem einer der Kerle ist ein richtiger Widerling, will partout neben meinem Zelt bleiben, sein Kumpel tritt ihm sogar ins Gesicht, um ihn zum Aufstehen zu bewegen, aber auch das ficht den Trunkenbold nicht an. Erst der kenianische Begleiter der Expedition kann den Mann umstimmen und ich versuche noch eine Muetze Schlaf zu nehmen.

geschrieben am 14.8. in Nairobi


 

 

 

 


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