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Reisetagebuch

8/4/2004   Kenia / South Horr

Der Heilige Berg

Fotoshooting mit Samburumoran

(Harald) Ich habe gestern mit einem Guide die Umgebung etwas erkundet, weil ich einen aussergewoehnlichen Ort fuer Fotos suche.

Mein Zimmer musste ich gleich morgens raeumen, der Priester hat sich nicht einen Satz mit mir unterhalten, sondern mir nur deutlich klargemacht, dass es Zeit waere zu gehen. Als ich ihn frage, ob ich im Schatten bei den Papageien sitzen koenne, denn ich brauche zum Schreiben einen Tisch, verneint er- man glaubt es nicht. Ich bin der einzige Musungu in ganz South Horr und hier stehen 15 Stuehle.

Nun, so weit zum christlichen Gebot der Gastfreundschaft. Zwischen lauthals Gepredigtem und der Realitaet liegen halt, wie so oft, Welten.

South Horr waere einer meiner Empfehlungen fuer eine Kenia-Rundreise, jedoch nur, wenn man sich Zeit nehmen kann, denn Sensationen gibt es hier nicht. Alles will entdeckt sein und fuers richtige Wahrnehmen ist Musse unabdingbar.

Es ist gibt eine einzige Strasse im Ort, 30 m breit, sandig, linker Hand zieht sich in einer selbstgegrabenen Senke ein Wadi voller, fast weissem Sand dahin. Dieses Flussbett fuehrt nur ein paar Stunden im Jahr Wasser, das bei Regen in den Bergen mit grosser Wucht talwaerts schiesst, alles mitreisst und eine halbe Stunde nach Ende des Regens zu versickern beginnt.

Hier im Tal gibt es kein Wasser, aber die Menschen haben Wasserleitungen aus den Berghaengen ins Tal verlegt und das Hoehenklima ist hier, auf etwa 1800 Meter sehr angenehm. U.a. gibt es fast keine Muecken.

Als ich im kleinen Hoteli der somalischen Wirtin namens Fatuma esse, bietet sie mir an, hinter dem Restaurant mein Zelt aufzuschlagen, die Kinder haben schon saubergefegt und so steht mein Zelt jetzt neben einer Bananenstaude unter einer grossen Akazie.

Ich bin mit dem Guide von gestern verabredet und hatte ihn gebeten, einen reifen Moran mitzubringen, um eine Fotosession in den Bergen zu machen. Er erscheint puenktlich und der Moran, den er mitgebracht hat, ist 28, hat lange, zu feinen Zoepfen geflochtene, rotgefaerbte Haare, traegt Schwert, Keule und Stab. Wir brechen mit ein paar Indscheras und Wasser auf. Da die Berge morgens zu dieser Jahreszeit bewoelkt sind, habe ich von den beiden Bergketten spontan den als Ziel ausgewaehlt, der sich zuerst wolkenlos zeigt.

Zunaechst wandern wir durchs Dorf, natuerlich will jeder wissen, warum und was. Die zunaechst flachen Haenge sind mit einem Gemisch aus Felsen und roetlicher Erde bedeckt, neben Akazien gibt es wenige Laubbaeume, ansonsten einen lichten Buschbestand, flache Kraeuter und kaum Gras. Da hier niemand umherzieht, muss das Vieh hier umherwandern und folglich ist alles ueberweidet, weshalb die Schaffung von Wasserstellen ein zweischneidiges Schwert ist. Hier kann ohne intensive Bewaesserung nichts angebaut werden und soviel Wasser ist nicht da, es reicht zum Trinken und Waschen und Kochen. Wuerde man den einzigen Bach abschoepfen, haetten weiter abwaerts die Menschen nichts mehr zu trinken, das Vieh wuerde verdursten. Auch mir klang es wie ein Riesenerfolg, als ich von geglueckten Umschulungsversuchen las und hoerte, die aus umherziehenden Nomaden sesshafte Bauern machte. Heute sehe ich das kritischer.

Es geht nun steil aufwaerts, teilweise muessen wir die Haende mitbenutzen. Mein Blick faellt auf die gegenueber liegende Bergkette, ca. 4-5 km entfernt. Eine dunkelgraue Wolkenwelle ergiesst sich, wie eine gigantische Brandung mit einer 1 km hohen Duenung ueber die Gipfel- ein gespenstischer Anblick wie aus einem Katastrophenfilm.

Das Wasser geht zur Neige, aber meine beiden Smburufuehrer wissen, wo Wasser zu finden ist. An einem kristallklaren Bach bitte ich den Moran zu trinken, um ein Foto zu machen und bin ueberrascht, dass er direkt mit dem Mund aus der Wasseroberflaeche trinkt (ich muss seltsamerweise an "Die Insel des Dr. Moreau" denken: Du sollst nicht Wasser schluerfen....) Versucht man jedoch es anders zu machen, wird schnell klar, dass es besser nicht geht: schoepft man mit den Haenden, wirbelt Schlamm hoch und man muss warten, bis dieser abgetrieben ist.

Ein paar hundert Meter hoeher und eine halbe Stunde spaeter wieder eine winzige Quelle, die einen kleinen Tuempel naehrt, in dem Froesche sitzen. Ich kenne solche Teiche mit Entengruetze und Schlammgrund, voller Molche natuerlich, aber nie im Leben habe ich daraus getrunken. Wie jedem deutschen Kind wurde auch mir beigebracht, dieses Wasser sei unsauber, ungesund, nicht trinkbar. Hier sehe ich das Gegenteil.

Bis hier oben wird das Vieh getrieben, selbst die wenigen Kuehe. Die Vegetation wird etwas ueppiger, Kakteen, Feigenbaeume, auch die dramatisch verschlungenen Wuergefeigen gibt es, die andere Baeume wie eine Leiter benutzen und dann nach und nach ersticken.

Dann liegt der grosse Gipfelbrocken vor uns, ein Teil des Nyeros, des heiligen Berges der Samburus. Hier wurde vor ein paar Wochen das seltene Initationsfest gefeiert, dass im Schnitt nur alle 12 Jahre stattfindet. Hie oben gibt eine eine Lodge, die von einem Israeli betrieben wird- die Ubeernachtung kostet laecherliche 400-600 Dollar. Da die jetzige Regierung unter dem Kikuyu Kibaki allen Samburus verboten hat, an den Haengen zu wohnen (wir finden mehrere, kuerzlich verlassene Manyattas), stellt sich natuerlich die Frage, wieso so eine Lodge auf einem heiligen Berg dann erlaubt ist..?

Obwohl die meisten Samburus mittlerweile Christen sind, wie auch die maechtigen Kikuyus, so sind sie ihren traditionellen Wurzeln und mystischen Orten doch noch naeher als jene.

In Loyangalani sind viele Turkanas und die meisten Rendille Moslems, was dazu gefuehrt hat, dass sie sich in Religionsdoerfer getrennt haben: hier Christenturkana, dort Moslemturkana. Absurd. Und als ich frage, was die Moslems hier von El Qaida halten, sagt mir der Turkana: Nun, jeder unterstuetzt natuerlich sein Team. Ich bin erstmal baff. Ich habe den Jungen gefragt, ob sie wirklich glauben, dass sich El Qaida fuer sie interessiert und in ihrem Interesse handelt, denn seit den Anschlaegen seien kaum noch Touristen gekommen und es gaebe keine Linienfluege von Air Kenia mehr, da zuckt er die Schultern. Spielball der Maechtigen.

Wir erreichen den Gipfel und ich kann ein paar schoene Fotos machen, wie ein stolzer Krieger auf sein Land hinunterblickt, ein symbolisches Foto, dass mir am Herzen lag.

Auf dem letzten Teil des Abstiegs renne ich den Jungs nur noch hinterher, unglaublich deren Tempo und Trittsicherheit. Und sie sehen zwei Schlangen, die ich leider nicht fangen kann, denn die eine verkriecht sich unter einen halbtoennigen Felsen und die andere kriecht ueber einem Abgrund. Beides ungewoehnlich gezeichnete, schlanke Tiere, wie ich sie noch nie gesehen habe.

Im Dunkeln sitzen wir dann vor Fatumas Hoteli beim Tee. Fatuma hat 10 Kinder und zudem einen Samburuknaben adoptiert. Sie ist mit verkrueppelten Fuessen und Haenden gebohren worden und ihr Mann, ein Minarlienhaendler, wurde ich Nairobi ueberfallen und getoetet. Und sie erzaehlt mir dann, heute sei eines der beiden Kinder des Moran gestorben, waehrend wir in den Bergen waren. Ich frage, wie er denn verheiratet sein koenne, da es einem Moran doch untersagt ist zu heiraten. Fatuma winkt ab, das sei kein Problem. Und wieso habt ihr ihm das nicht gesagt? Das sollen die zu Hause besser machen.

Ich bin erschuettert.

Fatuma fragt mich, ob ich eines ihrer Kinder unterstuetzen koennte, mit Schulgeld o.ae. Ich lehne ab, obwohl diese Frau und ihr bescheidener Erfolg mich beeindrucken.

Ich stehe noch lange still neben meinem Zelt und schaue in die Sterne,

geschrieben am 17.8. in Nairobi


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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