8/20/2004 Kenia / Nairobi
Graue Himmel
Bridge over troubled water
(Harald) Immer noch Regenzeit in Nairobi, graue Wolken verhaengen den Himmel, kurze Schauer, meine Schritte tapsen durch Pfuetzen, ich froestle und haenge meinen Gedanken nach. Abends im Zelt, schaue ich an die "Decke" meines Mobilheims. Heute habe ich wieder unverhofft einen Muzungu wiedergetroffen, den ich zuletzt in Nairobi Mitte Juni getroffen hatte und in den Gespraechen kommen Erinnerungen hoch. Auch an die Heimat, an Vertrautes, Vermisstes, Gewonnenes, Verlorenes. Afrika ist wie ein Katalysator fuer mich, ein Tranformator vielleicht sogar. Ich fuehle mich gereinigt, befreit von Unwichtigem. Gleichzeitig ist mir klargeworden, was fuer mich wichtig ist, mir etwas bedeutet. Ich bin teils leerer geworden, teils erfuellter. Die Gewichtungen haben sich nur verschoben, ein Vakuum ist nicht entstanden. Weder in den Gefuehlen, noch den Gedanken, weder in den verlorenen Illusionen, noch in den gewonnen Hoffnungen. Afrika reinigt, wischt zur Seite, was den Blick verschleiert, wenn man es zulaesst, sich einlaesst. Und jetzt kommt langsam der Punkt, an dem ich wissen muss, wer ich bin, was ich will, weil ich sonst, samt allem abfallenden Ballast, selber in der Senke verschwinde. Die Essenz meiner Selbst muss jetzt klar sein, denn es verlangt Klarheit, Entschlossenheit, um zu bewahren und zu widerstehen. Es ist, als ob man zu lange duscht, bis alles schmrumpelt, die Haut sich roetet, man darf den Punkt nicht verpassen, aufzuhoeren. Es ist, als ob man versucht, einen eckigen Keks rund zu nagen und nicht genau erkennt, wann es rund genug ist und irgendwann ist das was uebrig ist, so klein, dass nichts mehr von Belang uebrig ist. Afrika kann ein Sieb sein, aber auch ein Fleischwolf, der direkt dahinter steht. Muss man nach Hause fluechten? Sich auf vertrauetes Terrain retten, seelischen Ausgleich suchen? Ich erinnere gut, wie ich mich in Khartum gefuehlt habe, nach der harten Wuestenstrecke. Und in Gonder, nach dem Grenzuebertritt, dem Nebel am Morgen, an die Maenner unter den Decken, die sie sich ueber die Koepfe geworfen hatten. An Bahir Dahr, das Krankenhaus, das Leid und den Tod. Diesen untroestlichen Schmerz in mir, der mich aufzufressen schien, der nach Waerme suchte, nach Schutz, um zu vergehen. Dann Addis, eine Hauptstadt wie keine andere. Die stummen Gestalten, die nackt im Zentrum auf der Strasse stehen, die Lumpenbuendel unter Decken so schmutzig, wie die Strasse selbst, tausende. An die Kinder, die sich selber feilbieten, an die Deformierten und die Kreiselmenschen, die mit verknoteten, leblosen Beinknaeueln sich im Kreis drehend ueber den Boden rutschen. Und ich denke an Nanyuki, Nairobi, an die Schnueffelkinder, die an den kleinen Plastikflaschen voller gelbem Kleber nuckeln, der statt Sohlen ihre Seelen zuklebt. Langsam sind die Batterien verbraucht, ich muss meine Taschenlampe ausmachen, den ich kann im trueben Schein fast nichts mehr erkennen, nicht mehr lesen, schreiben... Schlafen, vergessen. I would rather be a hammer than a nail. geschrieben am 23.8. in Nanyuki
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