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Reisetagebuch

8/23/2004   Kenia / Nanyuki

Mutu ni wuatu

Einsichten in kenianische Sichtweisen

(Harald) Nanyuki ist eine Schicksalsstadt fuer mich. Hier hat sich mehrfach mein Weg gegabelt, innerlich und geografisch.

Bevor ich abreise, moechte ich den legendaeren Aequatorversuch machen. Hierzu gehe ich zum Selbigen, der etwa 2 km suedlich des Zentrums verlaeuft. Hier gibt es eine Menge Andenken-Dukas, also kleine Holzlaeden, in denen “Curios”,- traditionelle Decken, Holz- und Steinkunsthandwerk- verkauft werden.

Da die wenigen Touristen, die hierher kommen, sich vorallem durch den Versuch verblueffen lassen wollen, wollen die Guides freundlich vorschreiben, dass man zuerst einen der Laeden besucht, damit dort Umsatz fliesst. Darauf lasse ich mich nicht ein, ich will ja nichts kaufen.

Also fuehrt mir ein Bursche das Experiment vor. Hierzu schuettet er aus einer Plastikkanne Wasser in eine gerundet-quadratische Schuessel von etwa 20x20 cm. Im Boden der Schuessel ist ein kleines Loch, dass er zunaechst von unten mit einem Finger zuhaelt und dann das Wasser ablaufen laesst. Gemaess der Theorie soll sich nun ein Ablaufstrudel bilden, der sich in der Suedhaelfte der Erdkugel in die eine Richtung und in der Nordhaelfte, also jenseits des Aequators, entgegengesetzt dreht.

Tatsaechlich bildet sich ein solcher Strudel, indess, mir scheint, der Junge hat beim Eingiessen eine Bewegungsrichtung erzeugt, weswegen ich ihn bitte, mir die Utensilien selbst zu ueberlassen. Nach mehreren Versuchen 30 Meter diesseits und jenseits des Aequators ist klar: es funktioniert nicht. Wartet man nach dem Eingiessen das voellige Ruhen des Wassers in der Schuessel ab, so dass keine Bewegung mehr vorgegeben ist, so ergibt sich meist gar kein Strudel, oder er bildet sich sehr schwach und mal so und mal anders herum.

Der Vorfuehrer versucht zu retten, was zu retten ist und sagt, ein Musungu habe mittels GPS (Globales Positions System) festgestellt, dass die Aequatorlinie etwas weiter dort hinten verlaufe, dann gibt er zu, dass das Experiment so nahe am Aequator nicht funktioniere, aber in weiter voneinander entfernten Orten, wie z.B. Isiolo und Nyeri, sei es deutlich. Am Ende lacht er: wenn noch ein paar Touristen wie ich kaemen, wuerden sie hier kein Geschaeft mehr machen. Es ist ja tatsaechlich fuer beide Seiten viel unterhaltsamer, schoener, an den Versuch zu glauben. Naja, ich erzaehls ja nicht weiter…

Viele Leute erkennen mich jetzt in Nanyuki und ich werde oft gegruesst. Man taete den Leuten Unrecht, wenn man ihnen dabei zu oft anbiedernde Absichten unterstellte. Natuerlich ist es fuer die allermeisten Kenianer vorteilhaft einen Musungu zu kennen und sich auch mit seiner Bekanntschaft zu zeigen und meistens geht es ums Geld. Aber das hat hier nicht die gleiche Bedeutung wie z.B. in Deutschland. Jemandes Bekanntschaft wegen dessen Reichtum oder Macht zu pflegen, ist in Kenia (und nicht nur hier) nichts Anruechiges, sondern normal. Der Reiche geniesst die Verehrung ungenierter als bei uns und der Bittende fragt ungehemmter nach Hilfe: du hast was, gib was ab. Ich brauche was, du kannst was geben. Das ist sozial, das ist anerkannt, ein System. In Kisuaheli sagt man: “Mutu ni wuatu”, woertlich “Person ist Leute”. Soll sagen, dass der Einzelne ohne die Gemeinschaft nicht existieren kann, er sich ueber sie definiert und erhaelt und der Sinn des Lebens in der Gemeinschaft, im sozialen Miteinander liegt. Das unterscheidet sich doch sehr von unserer Lebensweise, scheint mir. So kurz formuliert wuerde das in Deutschland niemand sagen und wenige wuerden es verstehen, weil uns der soziale Kontext fehlt. Jedenfalls ist mir kein vergleichbares deutsches Sprichwort eingefallen. Kennt jemand in der Leserschaft eines?

geschrieben am 8.9. in Marsabit


 


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