8/27/2004 Kenia / Lokologo
Leuchtendes Fleisch
In der Manyatta
(Harald) Margrets Huette ist nicht voellig traditionell gebaut. Als ein Zugestaendnis an ihr staedtisches Leben in Nanyuki, hat sie innen Strehhoehe, ist aussen mit Kartonstuecken abgedeckt und innen mit Stoffen als Tapeten bespannt. Ich schenke ihrem Sohn, was ich in Nairobi gekauft habe: Dart-Wurfpfeile, einen Fussball und ein Seifenblasenset. Letzteres lockt einen Haufen Kinder an, die springend, lachend, kreischend vor Begeisterung, die im Wind davoneilenden, bunt-schillernden Blasen zu fangen versuchen, so dass die Erwachsenen herbeikommen, um die Ursache fuer soviel Freude zu erfahren und schliesslich mitlachen. Leider hat mir jemand im Lori meine gesamten Milchvorraete und Gewuerze gestohlen und wieder mal muss ich angesichts der kenianischen Volksseuche Diebstahl tief durchatmen. Bleiben Reis und Zucker fuer Margret, die gleich Ziegenfleisch kocht, denn es wurden in den letzten Tagen fuer Feierlichkeiten mehrere Ziegen geschlachtet. Ihre Huette steht am Rande der Familienmanyatta, die etwa ein Rund von 50 Metern umfasst, in dem etwa ein Dutzend Huetten stehen. Das Ganze ist von einer duennen, flachen Dornenhecke umgeben, mehr Aufwand muss man hier nicht betreiben, denn es gibt fast keine Jaeger mehr und der letzte Ueberfall der Boranas aus dem Osten liegt Jahre zurueck und mit den Rendille lebt man in Frieden, seitdem diese militaerisch unterlagen und sich danach den Samburus angepasst haben. Heute verbindet die Staemme eine fast legendaere Freundschaft. Die Anordnung der Huetten innerhalb der Manyatta ist traditionell klar gegliedert, ihre Anordnung verraet dem Kundigen die verwandtschaftlichen Beziehungen der Bewohner untereinander. Heute wird das aber nicht mehr so streng genommen. Die Samburus unterhalten sich untereinander, mangels Buechern, TV, Hifi und Kino, mit selbstgemachter Musik (auch in Deutschland gab es ja die Hausmusik vor dem ersten Radio und Gedichte vortragen vor dem Aufkommen der TV), sowie u.a. Taenzen, Geschichten und mit Raetseln. Ich habe Margret eines aufgegeben: Was ist “walking money”(gehendes Geld)? Ein Musungu! Das hat wiederum ihren Onkel so amuesiert, dass er mich jetzt “Moneywalker” nennt- klingt wie Johnny Walker. Die Verwandten kommen, die Nachbarschaft, die Kinder wollen mich anfassen, die Kleinsten fuerchten sich vor mir. Die Leute tragen noch etwa zur Haelfte traditionelle Kleidung und Schmuck, wohnen aber in den ovalen, flachen Zweighuetten. Es gibt eine grosse Anzahl alter Leute hier, was angesichts der schlechten Gesundheitsversorgung von grosser Robustheit zeugt. Margret stellt mir auch die Beschneiderin der Frauen vor, eine Verwandte, gross, hager, mit harten Zuegen, aber verschmitzten Augen. Margret tut gerne boese mit ihr, schlaegt sie spielerisch mit Stoeckchen und schimpft sie aus, sie habe sie beschnitten hat, als sie 19 Jahre alt war. Alle Bewohner sind schlank bis duenn, was angesichts der Ernaehrung kein Wunder ist. Hier gibt es keine Pommes Frites mit Ketchup und wenig Fettgebackenes, wie Szamoszas, Mandasis und Tschapatis. Hier isst man Ziegenfleisch, selten Rind, aber Ugali, ein Porridge wie Klossteig, trinkt Rinderblut mit Milch, Wasser und Tschai. Obst gibt es keines, an importiertem Gemuese etwas Weisskohl und Zwiebeln. Hier waechst nichts, denn es gibt zuwenig Wasser. Die Leute sind freundlich, ich fuehle mich willkommen und die Kinder helfen mir am Abend den Zeltplatz neben Margrets Huette von Steinen zu befreien. Ein junger, grosser Moran, ein Krieger, besucht mich. Der 20-jaehrige traegt roten Ocker und ein kuenstliches Bluemchen auf dem Scheitel, an seiner Seite baumelt ein Schwert, in der Hand haelt er die Keule und seinen Hirtenstab, nur die beiden Speere fehlen. Er will mich, ohne dafuer Geld zu verlangen, mit hinaus zu den Kriegerlagern nehmen, dort wo die Rinder grasen, gut 20 km oestlich von hier. Die Moran beschuetzen die Rinder und fuehren sie alle drei Tage zum Wasser in Lokologo. Was fuer ein Angebot! Als ich im Licht des Vollmondes vor der Manyatta eine “Dusche” nehme, leuchtet mein weisses Fleisch wie eine grosse Lampe, waehrend still die dunklen Gestalten der Samburu an mir vorbeigehen. Dann sitze ich mit Margret, die Max, den Einjaehrigen an der Brust hat, vor der Huette auf Schemeln im kuehlen Abendwind, eine Hyaene jault und die Hunde des Dorfes stimmen ein Wolfsgeheul an. geschrieben am 8.9. in Marsabit
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