8/28/2004 Kenia / Lokologo
Ladies First im Busch
Holz sammeln fuer mein Eigenheim
(Harald) Ich bin in der Manyatta (der mit einer Dornenhecke umzaeunte Wohnbereich einer Familie), der Erste, der aufsteht. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, der Himmel bedeckt. Unter der Luftmatatze hat sich die Bodenhitze des Vortages bis heute morgen gehalten. Die drei Frauen, die Margret fuers Holzsammeln fuer den Bau meiner Huette angeheuert hat, kommen, waehrend ich gebratene Eier, Avokado und Passionsfrucht fruehstuecke. Letztere sieht sehen aus wie gruen-gelbe Huehnereier mit Stiel, das wenige Fruchtfleisch umschliesst als fast klare Gallertmasse etwa 30 Kerne, die man, da fast geschmacklos, einfach mitisst. Margret hat das hiesige Brunnenwasser extra fuer mich gekocht, eine, wie ich ihr versichere, unnoetige Vorsichtsmassnahme, denn das Wasser trinkt ja hier jedermann. Ich breche mit den drei aelteren Frauen auf, viel Gelaechter begleitet uns, ja, wer hat schon mal einen Mann Holz sammeln gesehen? Leicht ansteigend geht es Richtung Marsabit-Berge, nach einer Stunde setzen sich die Frauen an den Wegesrand und beten mit vor die Gesichter gehaltenen Haenden, dann schlagen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes in die Buesche, stolpern ueber Lavabrocken auf kakaopulverartiger Erde, Dik-Diks umspringen uns. Die Juengste mag um die 30 Jahre alt sein, heisst La-atoi und traegt trditionelle Kleidung und Schmuck. Giguyu, mit etwa 65 die Aelteste, lacht viel und ist fast schwarz wie eine Turkana und Nanguruszi plappert mit rollendem "R" in einem fort. Lange, etwa fingerdicke Aeste gilt es zu finden, etwa 2,5- 3,5 Meter lang, stehen sie zwischen Buendeln anderer, unbrauchbarer Aeste, die man beim Schlagen zur Seite biegen muss. Und, Murphys Law ist stets mit mir, was schief gehen kann, geht auch schief: ich haue mir nach 2 Minuten erstmal mit der Panga, dem unterarmlangen Schlagmesser, auf die Finger und blute. Mehr Wucht und ich koennte meine Finger jetzt aus dem Staub aufklauben. Ich lutsche die Wunden aus und arbeite weiter, als die Blutung stoppt, Verbandszeug ist weit weg. Im dichten Dornengebuesch bleibt man ueberall haengen, vor allem eine Buschart mit gebogenen Dornen wie Nato-Draht, ist ein Quaelgeist ersten Ranges. Kein Wunder, dass die Kleidung der Frauen so zerfetzt ist. Ohne Faeden zu ziehen, kommt man aus dem Gestruepp nicht mehr heraus. Nach einer Weile habe ich mir Blasen an den Haenden angearbeitet, an den angeschlagenen Fingern haben sich dicke Bluterguesse gebildet, diese Finger werden steif, meine Unterarme sind zerkratzt, die Dornen ziehen mir staendig den Hut vom Kopf, den ich zum Schutz der Kopfhaut trage. Die Sonnenbrille verhindert, dass ich mir einen Ast ins Auge ramme, die lange Hose schuetzt die Beine, waehrend die Ladies mit nackten Beinen, in Badelatschen oder Sandalen und mit unbedeckten Unterarmen arbeiten. Ich habe mit den Frauen keine gemeinsame Sprache. Also spreche ich einfach Deutsch, gestikuliere und so haben wir eine ganz lebhafte Unterhaltung, ungezwungen und froehlich. Zur Pause gibt es Tschai. Nanguruszi gibt mir die Thermoskanne, denn als Mann steht mir die Verteilung zu, dass ist keine Hoeflichkeit dem Gast gegenueber. Ich schenke ein und verteile den Tee, was Erstaunen und Erheiterung ausloest, denn der Mann trinkt sonst stets zuerst. Als ich gestisch erklaere, was wir in Deutschland einen Kavalier nennen, der einer weiblichen Begleitung z.B. die Tuere oeffnet, in den Mantel hilft und den Stuhl zurechtrueckt (macht das eigentlich wirklich noch jemand..?), lachen sich die Ladies hier schief. Davon koennen afrikanische Frauen nur traeumen: "Ladies first!" Von einem duennen Baumstamm klauben die Frauen Harzperlen, die wie Kaugummis mit Mentholgeschmack stundenlang gekaut werden. Nach ein paar Stunden habe ich etwa 20 Aeste gefunden und zurechtgeschlagen, waehrend die Frauen auf die dreifache Menge kommen. 4 grosse Buendel werden mit Hilfe von Rindenstreifen, die mit den Zaehnen abgeschaelt werden, gebunden. Als ich das groesste Buendel aufgreife, wieder Erstaunen und Froehlichkeit: der Musungu-Mann will das meiste tragen, anstatt es sich leicht zu machen! Frage: Wie kommt man mit einem quer auf den Ruecken gebundenen, 25 kg schweren, 3,5 Meter breiten Astbuedel durch den Busch? Nun, man dreht um 90 Grad und geht seitwaerts. Nach anderthalb Stunden Fussmarsch, die Trageseile haben sich tief in meine Schultern eingegraben, erreichen wir das Dorf. Die Maenner lachen, z.T. spoettelnd: "Na, wie war der Weg, muede?" Bei den Frauen in der Manyatta grosser Jubel, Freude, Gelaechter, Beifall, eine ausgelassene Zustimmung, wie ich sie nur einmal bisher bei Nomadenfrauen erlebt habe, als ich hier in Lokologo vor einem halben Jahr mit den Kriegern getanzt habe. Die Kinder laufen zusammen und wollen sehen wie ich esse, sitze, mich wasche. Ich bitte Margret dem einen Riegel vorzuschieben, sonst werden mich die Racker voellig mit Beschlag belegen und den Respekt verlieren. Am Nachmittag sammelt sich Alt und Jung um Margret und mich. Alsbald haelt mir eine Mutter eine Flasche Antibiotikum entgegen, was ich davon hielte, der Arzt in Marsabit habe ihr das fuer ihr Kind gegeben. Das Kleinkind hat kein Fieber, ist lediglich erkaeltet, aber irgendetwas wollte der Arzt wohl verkaufen. Hier sind fast alle Kinder, wohl bedingt durch den kuehlen Abendwind und mangels Kleidung, staendig erkaeltet und verschleimt. Dann kommt die Tante, sie hat Schmerzen im Knie und mutmasst, dass dies durch einen jahralten Schlangenbiss bedingt sei. Aber der Beschreibung nach war es eine Mamba, deren Gift die Nerven angreift und nicht das Gelenk entzuendet. Die alte Frau hat vermutlich Athrose und ich rate ihr, erstmal das Knie zu schonen, nichts Schwerses zu tragen und einen Stock zu benutzen. Das ruft ein Laecheln hervr: wie, bitte schoen, soll dann Wasser und Holz herangeschafft werden? Und den von mir angeratenen Arztbesuch samt Roentgen kann die Frau sich nicht leisten. Ich beende die Sprechstunde, indem ich deutlich mache, dass ich kein Arzt bin und keine Medikamente verteilen kann. "Sawa"- Kisuaheli fuer "O.K." heisst es. Am Abend kommen Peter und James zu Margrets Huette, um mir ueber die Nomaden zu erzaehlen. Peter ist Assistent eines Parlamentariers und spricht gut Englisch. Wir sprechen ueber Probleme, Loesungen, bis uns Margret ermahnt, uns von unserem Platz hinter der Huette auf einen rechts vom Eingang vor der Huette zu bewegen, denn im Dunkeln sitzt man nicht hinter der Huette. geschrieben am 22.9. in Nanyuki
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