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Reisetagebuch

8/29/2004   Kenia / Lokologo

Hochzeitsvorbereitungen

2. Teil

(Harald) Am Morgen wurde fuer die morgige Hochzeit die Boma, der kleinere Bereich einer Einzelfamilie innerhalb der Manyatta, durch die Aeltesten gesegnet. Einer der alten Maenner verspritzt mit einem Zweig Kuhmilch ueber dem zukuenftigen Standort der Huette des Brautpaares.

Am Nachmittag kommt eine Gruppe Frauen aus dem Busch zurueck, schwer mit Astwerk zum Huettenbau beladen. Sie warten, bis ihr Herannahen in der Manyatta bemerkt wird, singen ein Segnungslied und einer der Aeltesten geht ihnen entgegen und segnet auch sie und das Bauholz, indem er Milch ueber sie sprengt.

Am spaeten Abend wird ein Schaf geschlachtet, das von der Familie der Braut gestiftet wurde. Dieses Schaf nennen die Samburu "Lkitae Waenett"- die Ziege/das Schaf, auf der man sitzt, denn das Fell wird in der neuen Huette als Unterlage zum Sitzen und Schlafen dienen. Dieses Schaf symbolisiert das Einverstaendnis der Brautfamilie, ihre Tochter an den Zukuenftigen abzugeben. Auf dem Fell wird der Braeutigam das erste Mal mit seiner Frau schlafen und somit ist die Symbolik eindeutig. Allerdings ist das Brautpaar im vorliegenden Fall schon lange miteinander befreundet und hat bereits einen Sohn, Mary, die Mutter, ist 25 Jahre alt. Wird ein Maedchen durch einen Moran geschwaengert und das Kind nicht durch Kraeutertee oder spezielle Massagen abgetrieben, ist es ueblich, dass der Krieger seine Freundin heiratet.

Das geschlachtete Schaf wird komplett verarbeitet, gekocht. Frueher war es ueblich, dass lediglich jedes weibliche Familienmitglied ein Stueck erhielt, aber die Traditionen loesen sich auf und jetzt essen auch die Maenner. Sie erhalten (natuerlich) die rechte Haelfte des Tieres, aber trotzdem auch das Herz. Lungen und Darm bekommt der Hund eines Onkels(Unsere Manyatta hat keinen Hund). Das Fleisch fuer die Maenner wird zuerst vorbereitet, sie essen als Erste. Eine foermliche Einladung zu dieser Zeremonie gibt es nicht, aus den anderen Manyattas, deren Mitglieder in verwandtschaftlicher Beziehung zum Brautpaar stehen, kommen ebenfalls Leute hinzu.

Auch Margret wird ein gutes Stueck Fleisch gebracht, wir essen gemeinsam.

Wir haben einen Spaziergang zur Wasserpumpe gemacht. Lokologo hat zwei Wasserpumpen, die von Europaeern, u.a. der deutschen GTZ (Gesellschaft fuer technische Zusammenarbeit) angelegt wurden. Diesen permanenten Grundwasserquellen verdankt der Ort ueberhaupt seine Existenz. Wie mir einer der Alten erzaehlt, war hier vorher alles bewaldet, es gab viele wilde Tiere und man zog in weitem Umkreis umher. Das Wasser hat die Leute sesshaft gemacht und heute stehen in Lokologo neben den dutzenden Manyattas auch etwa 100 Steinhaeuser und es gibt ein Guesthouse und mehrere kleine Restaurant. Das ersten Steingebaeude waren, wie soll es auch anders sein, die Kirche und die Missionsbauten. Wald gibt es keinen mehr, von den wilden Tieren sind nur ein paar Schakale und Hyaenen geblieben, die hinter den Ziegen und Schafen her sind. Als vor Jahren ein einzelner Elefantenbulle den weiten, tagelangen Marsch vom Samburu-Nationalpark in die Marsabitberge antrat, war das eine Sensation. Das riesige Tier stapfte ueber die Strasse mitten durch den Ort und alles sah staunend zu.

Die Samburus jagen noch sehr vereinzelt Elefanten, auch wenn das streng verboten ist und schwer bestraft wird. Meist geht es dabei nur um das Elfenbein, dass einen fuer hiesige Verhaeltnisse gigantischen Wert hat. Einige Moran tragen Ohrstecker aus Elfenbein, fingerdicke Rollen, die oft ueber Generationen an den aeltesten der Soehne weitergegeben werden.

An der Wasserpumpe draengen sich die Frauen mit den 20-Liter-Kanistern, die 5-6-jaehrigen Maedchen beginnen mit 5 Litern und arbeiten sich dann zu 10 Liter-Behaeltern hoch. Ueberall muessen wir anhalten, denn stets ist jemand zu gruessen. Das Gruessen ist eine der wichtigsten Traditionen der Samburus. Man zeigt Respekt und Interesse und tauscht Informationen aus, um Unruhe in der Gemeinschaft zu vermeiden. Margret, die hier mit ihrem Samburunamen Merayon ("Mera-Esser" / Mera: die berauschenden, der Kokapflanze verwandten Blaetter eines Baumes) gerufen wird, stellt mir die Leute vor, deren Namen mir voellig fremd sind. Ein Onkel, ein Bruder, eigentlich Halbbruder, denn der Vater hatte mehrere Frauen, ein Cousin, eine Neffin usw. Eine unendliche Riege von Verwandtschaft. Dazu kommen ehemalige Klassenkameraden, Freunde, Nachbarn; ich gehe unter in der Namensflut und Margret macht es Spass, mich immer wieder zu testen: weisst du, wer das ist? Du hast sie schon getroffen, weisst du wo?

Die Bohrquelle wird von einer Dieselpumpe betrieben, die mit einem Windrad verstaerkt wird. Den Treibstoff muessen die Leute bezahlen, 20 Liter klaren Wassers kosten 1 Schilling, etwa 1 Cent EU. Das klingt nach nichts, aber viele Leute haben Schwierigkeiten, dieses Geld taeglich 1-2 Mal aufzubringen.

Margret zeigt mir ein kleines, traurig dreinblickendes Maedchen, etwa 11 Jahre alt: "Sie wurde gerade mit einem alten Mann verheiratet", sagt sie. Was? Ein Kind? Und lebt schon beim Ehemann? Und wie steht es mit Sex? "Naja", druckst Margret herum, "genau weiss das natuerlich niemand, aber ja, wahrscheinlich schon." Ich frage unglaeubig: "Vor dem Ersten Blut? (so nenne die Samburu und Rendille die erste Periode) Margret zuckt die Schultern. "Es ist hart fuer die Maedchen, das ist nicht schoen, aber was willst du machen?" Dieses Maedchen wuerde eine fruehe Schwangerschaft u.U. nicht ueberleben, so klein und zierlich und schmalhueftig wie sie ist. Margret atmet tief ein und schaut weg ueber die Savanne. "So ist das bei meinen Leuten", sagt sie dann resigniert.

Waehrend wir zurueck zur Manyatta gehen, frage ich, was passiere, wenn der alte Mann stuerbe.

"Wenn das Maedchen ein Kind hat, heiratet sie i.d.R. niemand mehr. Dann geht sie vielleicht zu den Eltern zurueck. Ist sie kinderlos, wird sie, wenn auch eher selten, nochmals geheiratet.

Zwischen Margret und mir hat sich eine ruhige Freundlichkeit entwickelt, eine Natuerlickeit, die mir gut tut und sich wie lange Vertrautheit anfuehlt. Ich habe meinen Nicknamen "Harry" in der Manyatta propagiert, weil "Harald" fuer Samburuzungen fast unmoeglich auszusprechen ist. Ich habe Margret erzaehlt, dass ich nie in Kenia leben, oder eine Kenianerin heiraten koennte, weil mir trotz allem Verstehen und Akzeptieren dieses Leben hier fremd bleibt.

Als wir uns zur Nacht verabschieden rutscht ihr statt "Good night Harry" ein "Good night honey" heaus und nach einem Moment der Verblueffung lachen wir beide schallend, es gibt kein Problem.

geschrieben am 23.9. in Nanyuki


 

 

 

 

 


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