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Reisetagebuch

9/4/2004   Kenia / Lokologo

Ja, so war das

Eine wahre Geschichte

(Harald) Halsschmerzen, Kopfweh, das volle Programm. Ich bin jetzt seit 2 Wochen krank und es wird nicht besser.

Merayon kocht, waescht, spuelt, naeht, alles nichts Spektakulaeres, aber diese stillen Arbeiten im Hintergrund machen mir das Leben angenehm, schaffen eine haeusliche Atmosphaere.

Ich mache ein kleines Abfallfeuerchen und schuette gleich einen meiner belichteten Diafilme mit in die Flammen. Ihr haettet sehen sollen, wie ich versucht habe die Rolle wieder aus dem Feuer herauszubekommen! Sie ist zwar nicht angebrannt, aber sicher der Film durch die Hitze verfaerbt. Mein zweiter Vorname koennte glatt "Geschickt" sein.

Merayon hat die Regie beim Anfertigen der Halsketten und der verschiedenen Schmuckbaender uebernommen. Im Schatten ihrer Huette sitzt sie mit Giguyu und zwei anderen Frauen zusammen, es wird geschwatzt, gelacht, gesungen.

Es ist mittags dermassen heiss, das mir beim Arbeiten in der Sonne nach einiger Zeit schwindlig wird, sicher auch Folge meiner Verfassung.

Aus Marsabit habe ich mir einen Flohzirkus mitgebracht. Aethiopien ist nah und irgendwer steht oder sitzt halt immer neben einem und gibt gerne ein paar Huepfer ab.

Meine Huette ist, da allzu provisorisch, nur spaerlich abgedeckt und daher zu hell und deshalb habe ich Fliegen hier drinnen, unglaublich flinke Biester, gegen die unsere Stubenfliegen wie Schildkroeten wirken. Die Huetten der Nomaden sind sehr dunkel und das haelt saemtliche Fliegen aussen vor. Es hat halt alles seinen Sinn.

Im letzten Abendrot fotografiere ich De-Re, die den neuen Stoff traegt, den ich ihr aus Marsabit mitgebracht habe. Sie hat ihren besten Schmuck angelegt und gleich nach dem Foto fragt sie mich nach Geld. Sie weiss, dass ich keine Fotos bezahle und wir besprechen das mit Merayon, die ihre Tante auf das gerade gemachte Geschenk hinweist, worauf De-Re sagt, es sei nur ein Scherz gewesen. Aber kaum ist Merayon weggegangen um einen Besuch zu machen, ist sie wieder da und faengt von vorne an.

Als wir sie spaeter zum zweiten Mal zur Rede stellen, bin ich enttaeuscht. Hat sie mich nicht immer wieder als Freund bezeichnet, ja, ich hatte wirklich das Gefuehl, es gaebe eine innigere Beziehung zwischen uns. De-Re windet sich, es scheint ihr wirklich leid zu tun. Ich frage sie, wieviel sie wolle, wir haetten dann eben eine Geschaeftsbeziehung und keine Freundschaft. Da verschwindet sie, geht zu ihrer Huette (Merayon wispert:"Ein Geschenk!") und kommt mit einer grossen, alten Kalabasse zurueck. Wenn man weiss, wieviel Arbeit in solch einem Gefaess steckt, hat diese Entschuldigung einen noch groesseren Wert. Das Gefaess braucht etwas Auffrischung, ein paar neue Lederbaender, ist aber ansonsten etwas Besonderes. Ich bin versoehnt. Spaeter sollte ich begreifen, das das Fordern und Betteln einfach einen anderen Stellenwert hat.

Fast jede Nacht kommt eine kleine Hyaenengruppe in die Naehe der aussen gelegenen Manyattas, die Hunde spielen dann verrueckt und Merayon ruft die Kinder und verrammelt die Wellblechtuere. Als ich nachfrage, ob es denn schon mal vorgekommen sei, dass Hyaenen Menschen angegriffen haetten, hat das niemand persoenlich erlebt. Alles nur Geruechte, wie so oft. Aber dann hebt Giguyu an, ja, doch, sie habe es erlebt. Ihre aelteste Schwester, schon gestorben inzwischen, sei als junge Frau nach Lokologo gekommen. Das ist ueber 50 Jahre her, aber Giguyu unvergesslich.

Die Schwester war verheiratet, das junge Paar hatte ein Baby und versuchte, gerade angekommen, bis zur Nacht eine Huette fertigzustellen. Aber es bleib bei einem offenen Geflecht ohne Tuere. So legte sich die Familie zum Schlafen auf den Boden, einer neben den anderen. Damals standen noch keine Haeuser hier und nur ein paar Manyattas, so dass es wenige oder keine Hunde gab.

In der Nacht schleichen sich Hyaenen an und reissen der schlafenden Mutter, die am am Eingang der Huette liegt, das Baby aus den Armen. Jeder Versuch, das Kind zu retten, ist vergeblich, denn ohne Taschenlampen sind selbst Spuren nicht zu finden.

Giguyu schaut weg, in die Ferne, atmet tief durch, dann nickt sie, als wollte sie sagen: ja, so war das.

Ein Samaburusprichwort sagt: "Meoku sainiai obo nkare." (Ein (einzelner) Finger kann keine Laus toeten.) Meint: du brauchst andere, um Probleme zu beseitigen, etwas zu schaffen.

geschrieben am 1.10. in Nairobi


 


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