9/9/2004 Kenia / Lokologo
Die Zeremonie
Mit den Kriegern in der Huette des Brautpaares
(Harald) Merayon hat mich sogleich versorgt und waehrend ich Tee trinke, kommt Deressina, die aelteste von Isiolos Kindern, aufgeregt gelaufen: "Harry, come, come!" Merayon erklaert, dass ein Mann von einer Schlange gebissen worden sei. Ich laufe zu Isiolos Huette hinueber, es ist stockfinster und im Schein der Taschenlampe sehe ich, dass ein Mann sich gerade mit einer Rasierklinge den Fuss aufschneidet und die Wunde auspresst, um das Gift mit dem Blut ablaufen zu lassen. Somit ist es zu spaet, um zu beurteilen, ob es sich um einen Stich oder einen Biss handelt. Der Mann fragt MICH, ob dass eine Puffotter gewesen sein koennte, weil er im Dunkeln nichts gesehen hat. Die Lage der Wunde direkt ueber dem Erdboden macht aber wahrscheinlich, dass es nur ein Skorpion war, auf den er draufgetreten ist. Ich hole meine Giftpumpe und das durchsichtige Reservoir ist nach zwei Minuten mit Blut halbgefuellt. Die Frauen haben mittlerweile Baumharz zerstossen und mit Wasser vermischt und diesen Brei traegt der Mann auf. Die aetherischen Oele des Harzes desinfizieren die Wunde und deshalb kann ich mir mein Jod sparen und wasche die Punpe aus, wobei mir Merayon etwas angeekelt zusieht. Heute findet die letzte Zeremonie des Brautpaares statt, insgesamt 10 Tage dauern also die stufenweisen Feierlichkeiten. Ich bin eingeladen und gehe zur neuen Huette des Paares, vor der die Aeltesten mit ihren Frauen sitzen, Kinder spielen ringsum in der Dunkelheit. Ich trage zum ersten Mal einen Kikoy, eine Art Wickelrock, einem Sari aehnlich und wegen des kuehlen Windes eine Schuka, denn meine Kleidung wird gerade von Merayon gewaschen. Es ist nahezu unmoeglich sauber zu bleiben, weil der Staub sich binnen Kuerzestem auf alles legt. Aber ich definiere mittlerweile Staub und Erde nicht mehr als Schmutz oder Dreck, wie z.B. Abfall, Exkremente oder Russ. In der Erde zu graben heisst fuer mich nicht im Dreck zu wuehlen und Kuh-, Kamel- und Eselsdung oder Ziegenlosung halten mich schon lange nicht mehr von einem Zeltplatz ab. Ause der Huette erklingt ein stossweise vorgetragener Gesang, einer der Aeltesten gibt dabei Regieanweisungen, damit alles seinen traditionell vorgesehen Verlauf nimmt. Ich muss mich tief buecken und die Schultern seitlich drehen, um durch den schmalen Eingang zu schluepfen. In der Hutte ist es heiss, ein kleines Feuer brennt, es ist dunkel. 6, 7 Moran sitzen da, der Braeutigam mit seiner Mutter und seine Frau. Der saenger wiegt im Sitzen seinen Oberkoerper vor und zurueck, er traegt Hemd und Hosen, nur drei der jungen Krieger sind traditionell gekleidet und haben den auffallenden Stoepselschmuck in den Ohren. Leudschi luemmelt sich froehlich und betont cool neben mich aufs Kuhfell- man hat mir den besten Platz angeboten- ich sitze auf meiner Schuka, rechts lehnt sich der Ehemann an meine Schulter. Unbewusst suchen die Krieger staendig Koeperkontakt zueinander, klatschen sich zur Bestaetigung gegenseitig die Haende. Sie halten sich an den Haenden, umarmen sich, pflegen sich gegenseitig ihre langen Haare, die oft bis zur Huefte reichen, bemalen sich mangels Spiegel gegenseiig. Ein baumlanger Moran spielt auf einer einfachen Floete, die sich bei naeherem Hinsen als ein daumendickes Stueck schwarzen Plastikrohres entpuppt, in das nur zwei Loecher gebohrt wurden- ich wundere mich, dass dieses Instrument ueberhaupt funktioniert. Der Mann spielt eine fast melodielose Weise, so einfach, dass gerade dies anruehrt. Bis jetzt durfte der Ehemann nicht in seinem Haus essen und trinken, sondern nur mit seinen Freunden. Was bedeutete, dass er, wollte er z.B. Milch zu sich nehmen, erst einen Moran seiner Altersgruppe finden musste, der ihm einschenkte und reichte, damit er trinken konnte. Solche Tabus sorgen fuer den Zusammenhalt der Krieger. Abschluss der Zeremonie ist das gemeinsame Trinken von Joghurt. Wie eine Friedenpfeife wird eine Kalabasse voll Joghurt herumgereicht, an der jeder symbolisch nippt und danach simuliert zweimal zu Boden zu spuckt. Auch ich werde froehlich aufgefordert meinen Teil beizutragen. Als ich an die M<aenner gewandt sage, ich sei doch kein Moran, sagt Leudschi: "Du hast deine Huette hier gebaut. Ich kenne dich Harry. Wenn heute nacht Viehdiebe kaemen, wuerdest du mit uns kaempfen, um unsere Kinder zu schuetzen, nicht wahr?" Und er hat recht. Danach gibt es Tee, die zeremonielle Ernsthaftigkeit ist aufgehoben und ab heute darf der Ehemann von seiner Frau bekoestigt werden. geschrieben am 9.9. in Arusha
|