10/5/2004 Kenia / zwischen Kitengela und Kajiado
Abfahrt aus Nairobi
Endlich gehts los
(Harald) Dienstag, Abfahrtstag. Endlich wieder fliessendes Wasser. Leider laesst sich das zu heisse Duschwasser nicht regulieren. Ich bin frueh im Registration Office, die Beamten lesen noch Zeitung. Ich muss ein neues Visum kaufen, das Alte ist mit dem alten Pass gestohlen worden und abgelaufen sowieso. Man verlangt, nur damit ich Kenia verlassen kann, 50 USD. Mein Geld schmilt dahin, es wird Zeit die Reise zu beenden. Ich gehe erstmal fruehstuecken, studiere die Karte, lege die weitere Reiseroute fest: Arusha, Dodoma, Mbeya, Malawi. Kommt auf das Wetter an, denn die Strasse nach Dodoma ist unbefestigt und die Regenzeit steht vor der Tuere. Ich ueberlege, mir das neue Visum zu sparen und illegal ueber die Gruene Grenze zu fahren und in Tanzania anzugeben, ich habe den Pass dort verloren. Aber was, wenn man mich fragt, ueber welchen Grenzuebergang ich gekommen bin und dort anfragt, ob ich registriert wurde? Das ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Ausserdem wird mich niemand kostenlos ueber die Grenze schleusen. Und mit dem Fahrrad und dem ganzen Gepaeck durch die Wildniss? Also gehe ich zum Office zurueck und kaufe das Visum fuer einen Monat, koennte sogar ueber Mombasa fahren, aber will ich das? Vor dem Hilton-Hotel ist die Internetverbindung am besten. Dort entwickle ich mit meinem Freund Thomas Schmidt, der von Duesseldorf aus die Webseite gestaltet, ein neues Outfit, denn ich reise ja jetzt alleine und die Seite soll das wiederspiegeln, was seit 10 Monaten bereits Realitaet ist. Ich fahre um 14.15 Uhr ab, suedostwaerts aus der Stadt heraus, Richtung Flughafen. Ich habe Gegenwind. Die stark befahrene Strasse fuehrt an Industriegebieten vorbei, dann sehe ich die erste Ziegenherde mit einem Huetejungen, ein vertrauter Anblick. Rechts der Strasse liegt der Nairobi Nationalpark. Nach 25 km eine Abzweigung, ich frage nach dem Weg. Drei junge Maenner sind es, die mir versichern, ich sei nach Arusha auf dem richtigen Weg. Da der Hauptverkehr in eine andere Richtung stroemt, frage ich skeptisch nach. Doch, doch, ernsthaft, sicher, diese Richtung sei richtig. Dann erscheint linker Hand der Flughafen, erneute Zweifel. Zwei Polizistinnen an einer gelbschwarzen Schranke. Doch, ja, in diese Richtung geht es nach Arusha. Da es nur eine Strasse gibt, fahre ich weiter und stehe vor einem Zaun. Ein Mann erklaert mir, dass vor mir das Rollfeld von Nairobis winzigem Flughafen liegt. Na herzlichen Glueckwunsch! Ich fahre zurueck zu den Polizistinnen, frage was das soll. Sie sagen, ja, ich haette nach dem Weg nach Arusha gefragt, die Flugzeuge floegen doch nach Arusha...Manchmal fehlen mir einfach die Worte ob solcher Dummheit. Dann erreiche ich den Abzweig nach Arusha, den Ort Athi River, es geht nach Sueden. Dann die Ortschaft Kitengela. Ich bin auf der Kapiti-Ebene, im Massailand. Der oertliche Massai-Fuehrer Godfrey Ntapaiya hat der deutschen Presse kuerzlich in einem Interview gesagt, dass seine Krieger nicht aufhoeren wuerden die Loewen des benachbarten Nairobi Nationalparks auszurotten, bis die Regierung den Nomaden die Ausfaelle an Vieh durch die Raubkatzen ersetzt, oder die Herden schuetzt. Da aber das Jagen und Erlegen von Loewen eine uebliche Mutprobe fuer die Krieger ist, liegt es nahe, dass es dabei nicht nur um die Viehausfaelle geht. Zaehne, Krallen und Fell der Tiere sind Trophaeen und verkuenden den Mut des Moran, die kenianische Presse spricht vom "Volkssport Loewen-toeten". Ende der 90er Jahre gab es in dem vergleichsweise kleinen Park noch 40 Loewen, heute wird ihre Zahl auf 10 geschaetzt, in ganz Kenia gibt es nur noch ein paar hundert Loewen, in ganz Afrika noch etwa 23.000- vor 20 Jahren waren es ueber 200.000. Der Berberloewe Nordafrikas wurde mit dem letzten Abschuss 1922 in Marokko ausgerottet, alle europaeischen Arten sind seit dem Altertum fuer immer verschwunden. Es gab wilde Loewen im Mittleren Osten, in der Tuerkei, auf dem Balkan, in Italien, Griechenland und Spanien, bis fuer die Arenen der Roemer und die Sicherheit von Mensch und Vieh der letzte "Panthera Leo" getoetet wurde. Neben dem sibirischen Tiger ist diese Spezies die groesste Katze der Welt und die einzige ueberhaupt, die in Rudeln lebt. Der "Koenig der Tiere" wird, bis auf wenige Exemplare in strengstens gesicherten Habitaten und in Zoos, ausgerottet werden. Das gleiche Schicksal steht den Gorillas, den Seekuehen, den grossen Kudus, den Okapis und vielen anderen afrikanischen Tierarten bevor. In einem Lebensmittelladen trinke ich nochmal den in Flaschen abgefuellten, sirupartigen Mangosaft, der fuer meine Erinnerungen an Kenia immer mit einer guten Mahlzeit verbunden bleiben wird. Die Besitzerin und ich unterhalten uns eine ganze Stunde, sie sagt, ich und meine Reise seien von Gott gesegnet. Den kann ich brauchen, denn seltsamerweise hat sich einer meiner wiederholten Traeume, die ich vor Antritt der Reise schon in Deutschland hatte, schon erfuellt: ich hatte mehrfach getraeumt, alleine auf dem Rad unterwegs zu sein. Und ein anderer Traum endete mit einem Unfall oder Ueberfall- nur den habe ich noch nicht erlebt. Eigentlich bin ich ja kein Mystiker, aber ich habe in Afrika schon so manches seltsame Erlebnis gehabt, dass mich zweifeln liess, ob die beweisbare Realitaet alles ist, was uns bestimmt. Weiterfahrt, beidseits der Strasse gelbes, trockenes Gras, einzelne Akazien, viele Felder. Hier grasen kleine Massaiherden, die rotgewandeten Krieger unterscheiden sich deutlich von ihren Stammesbruedern, den Samburus in Nordkenia. Ihr Schmuck ist fast ausschliesslich weiss und silberfarben und weniger reichlich, ihre Haut ist dunkler, ihre Gesichtszuege sind runder. Viele Massai sind zum Ackerbau uebergegangen, denn im Hochland faellt mehr Regen. In den letzten Jahren gab es allerdings keine verlaesslichen Regenmengen mehr, das Wetter stimmt nicht mehr, die Nomadenkalender sind unpraezise. Ich gruesse die Frauen, die Holz- und Einkaeufe tragen, auf Ma-a, dass ja fast gleich dem Samburu ist: "Szobba" und "Szerien" und ernte oft breites Lachen, echte Freude darueber, ihre Sprache verwendet zu hoeren. Ich schaffe an diesem Nachmittag etwa 45 km, muss mich auch erst wieder einfahren. Einen Tachometer besizte ich nicht mehr, auch keine Uhr, ich richte mich ausschliesslich nach dem Sonnenstand. Als die Abenddaemmerung hereinbricht, husche ich schnell rechts der Strasse in eine Senke, die in der Regenzeit ein Weiher ist, jetzt aber voller Disteln steht. Hier bin ich sicht- und windgeschuetzt und baue mein Zelt auf und habe eine herrlich ruhige Nacht. geschrieben am 15.10. in Arusha
|