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Reisetagebuch

10/8/2004   Tansania / Arusha

Die schoenste Katze

Erinnerungen an Taba

(Harald) Wie ich spaeter erfahre, hat es am Vortag drei Terroranschlaege in Aegypten gegeben. Ich erinnere mich gut an das Hilton-Hotel in Taba, wir waren dort am Strand schwimmen und auch an die Huette in Nuweiba, wo Kari so toll herumspurten konnte und wir das Berliner Paerchen getroffen haben mit dem riesigen Rueden Max.

Neben den Opfern tun mir auch die vielen Hotelbesitzer leid, die dort so dringend auf das wiedererwachte Geschaeft angewiesen waren, nachdem dies durch die Intifada und den 11. September voellig zusammengebrochen war. Fast waeren wir selbst ja als Hotelmanager dort gelandet.

Seltsam auch, dass ich just gestern noch ein Zitat von G.Bush vom November 2003 ausgeschnitten hatte, weil es mir eine der zahlreichen, amerikanischen Fehleinschaetzungen schien: "Die grosse und stolze Nation Aegypten wird dem Nahen Osten den Weg zur Demokratie weisen."

Wuerde der Mann mal so wie wir gereist sein, wuesste er, dass diese Nation meilenweit von Demokratie entfernt ist und alles andere in Zukunft sein wird, als ein Wegweiser fuer den Nahen Osten. Aegypten ist voller Hass auf die Israelis und Amerikaner und nur starker Druck haelt den Deckel muehsam auf dem Topf. Da wird noch so Manches folgen, dessen bin ich mir sicher. Wenn Israel und Amerika nicht aufhoeren auf militaerische Staerke zu setzen, anstatt auf Nachgeben aus Einsicht, werden noch viele Menschen sterben muessen. Alle grossen Dinge geschehen maehlich, nicht mit einem Paukenschlag.

Als ich mich am Morgen an einem Zinktank voller kaltem Bergwasser rasiere, inmittem sattgruenen Grases und bluehender Buesche, mit Aussicht auf den Mt. Meru, ahne ich nichts von diesen Ereignissen. Der junge Priester, der mich hier abholt, fuehrt mich in den Esssaal, wir fruehstuecken kleine, fettige Mandaszis, fuer mich adiert man noch eine kleine Obstplatte.

Es war eine lange, ruhige Nacht, ich bin erholt und tatendurstig. Trotzdem nehme ich mir noch Zeit, den hiesigen Zoo zu besichtigen. Tierhaltung in einer Mission habe ich noch nicht gesehen, aber hier gibt es Strausse, Flamingos, Marabus (aasfressende Storchenvoegel), Pantherschildkroeten, Meerkatzen (Affen) und Paviane, Thompsongazellen und Impalas, sowie drei Gnu-Antilopen, die in Afrika mit dem Africaanswort "Wildebeest" bezeichnet werden, weil sie wie Bueffel auf Gegner losgehen.

Mich erstaunt, dass die Tiere auch nach jahrelanger Haltung voellig veraengstigt sind, ja sich panisch bis zum Wahn in die letzten Winkel ihrer winzigen Verschlaege pressen, selbst die Paviane.

Glanzstueck des Zoos ist ein Leopard, ein Weibchen, dass seit drei Jahren in einem verdreckten Loch ohne Kletterbaum dahinvegetiert. Das zusammengerollte Tier grollt aus tiefer Kehle, ein unvergleichlicher Laut, der einem die Haare zu Berge stehen laesst. Dann faucht die Katze und zeigt fingerlange Reisszaehne, ihre gelb-schwarzen Augen sehen mich an, als ich mich hinhocke, um nicht zu bedrohlich fuer das Tier zu erscheinen, dass fuer mich, neben dem Jaguar, die schoenste Katze der Welt ist, auch in der schwarzen Variante. Weil es sodann seinen Kopf wieder auf die Pfoten legt und die Augen schliesst, tritt der Zooverwalter gegen den Kaefig, damit die Katze weiter so spektakulaer grollt. Jetzt weiss ich, warum die Tiere so veraengstigt sind. Die meisten Afrikaner lieben Tiere nicht, sie sind ihnen nuetzlich oder gleichgueltig. Liebe fuer die Tiere im Sinne einer Selbstlosigkeit ist ihnen weitgehend fremd- Ausnahmen zugestanden. Deshalb ist es vielen Staemmen auch voellig gleichgueltig, ob Tiere aussterben, sofern sie nicht auf sie angeweisen sind und keine Alternative haben. Selbst Merayon gibt offen zu, Loewen und Hyaenen zu hassen. Afrikaner haben eine manchmal panische Furcht vor Hunden, selbst wenn sie ein Leben lang mit ihnen zusammenleben und sie sind bass erstaunt, wenn sie mich bellende Hunde anfassen sehen. Ihnen geht ein Einfuehlungsvermoegen fuer Tiere ab, sofern sie nicht von Aelteren gelernt haben, wie sie sie jagen, oder sich vor ihnen schuetzen koennen. Unterschiede zwischen giftigen und ungiftigen Schlangen gibt es nicht, wenn alle Schlangen aussterben wuerden, wuerden sich z.B. die Nomaden nur freuen.

Es gibt in Kenia praktisch keine Pferde, ausser als Reittiere fuer Reiche, aber die verwendeten Packesel werden nicht misshandelt, wie ich das vor allem in Aegypten und Aethiopien hundertfach gesehen habe. Dieser, aus Verachtung und unterdrueckter Wut herruehrende Sadismus, scheint den Kenianern voellig abzugehen. Ich bin froh, solch misshandelte Kreaturen in Kenia nie gesehen zu haben, selbst Peitschen gab es nur bei Wachleuten und Polizisten.

Ich ueberlege kurz, den Leopard in der Nacht einfach freizulassen, natuerlich ein irrationaler Gedanke, ausserdem: wo sollte das Tier in dieser fast kahlen Landschaft Nahrung und Unterschlupf finden? Es wuerde Ziegen und Schafe toeten und waere binnen Tagen erschossen.

Einer der Pastoren zeigt mir ein Vortrekker-Denkmal von 1954. Die Buren sind auf ihrem Weg durchs suedliche Afrika bis nach Tansania und Kenia gezogen, als sie den Englaendern und spaeter den veraenderten politischen Bedingungen entfliehen wollten. Die Inschrift ist auch in Africaans abgefasst.

Wie schon so oft zuvor, werde ich auch von diesem Mann gefragt, ob ich ihn irgendwie nach Deutschland bringen koennte, er wuerde jede Arbeit machen. Er wuerde so gerne nach Europa fliegen, aber fuer Tansanier sei das zu teuer.

Es sind so viele Afrikaner, die in die Staaten oder nach Europa wollen. Ehefrauen verleugnen Mann und Kinder, um einen Musungu zu heiraten, Kinder verlassen Eltern, Familie und Freunde, nur um endlich in den Norden (den wir als Westen bezeichnen) zu kommen.

Man muss sich dabei vor Augen fuehren, wie wichtig fuer einen Afrikaner die Familie ist, die Heimat, wo die Ahnen begraben sind. Im Norden warten dann ja selten Grossfamilien auf sie, sondern zersplitterte Kleinfamilien, die nicht den sozialen Hintergrund bieten koennen, wie es z.B. ein Kenianier gewohnt ist, bei dem kaum ein Tag ohne Verwandtenbesuch vergeht. Klima, Sprache, Kultur, alles wird fuer den Wohlstand geopfert.

Ich sehe die Anziehungskraft des Wohlstandes hier, sehe und bedenke, wie selbstverstaendlich fuer uns das Paradies ist, dass unsere Heimat fuer andere darstellt.

Ich fahre los, auf die Teerstrasse zurueck und eine halbe Stunde bergauf, dann geht es endlich mal abwaerts. Es sind nur noch ca. 30 km bis Arusha, die Strasse fuehrt weiter um den Berg herum. Die Haenge der Huegel rngsum sind nur noch mit strohartigem Gras bewachsen und der Regen, der nicht mehr von der duennen Vegetation aufgenommen werden kann, fliesst ungehindert bergab und spuelt das Erdreich ab, wie man hier ueberall sehen kann.

Alle Flaechen sind ueberweidet. Wie ich bei meinen Besuch Ende Mai gesehen habe, draengen die Menschen, um Weide- und Ackerflaechen und Feuerholz zu haben, die Haenge des Mt. Meru hinauf, tief ins Naturschutzgebiet hinein. Die wenigen, dort noch lebenden Tiere streifen durch den nur 1-2 km breiten Waldguertel. Die Elefanten z.B. brauchen viel Futter und geraten zwangslaeufig in Konflikt mit den Bauern, die Raubkatzen mit den Hirten. Nur Zaeune und bewaffnete Ranger werden auch hier auf Dauer die letzten Tiere schuetzen koennen. Aber wer wird dieses geld aufbringen koennen? Die tansanischen Nationalparks sind schon heute die teuersten Afrikas.

Ueberall sehe ich Massaihirten, Knaben mit verstaubten Schukas die mich lachend, mit weissblitzenden Zaehnen gruessen und wenn ich antworte, sogleich auf mich losstuerzen um zu betteln. Gruesse ich sie dann auf Ma-a, bleiben sie oft abrupt stehen und sind verunsichert.

Es geht bergauf. Der Strassenbelang, der ueber 100 km sehr schlecht war, wird jetzt besser, ich muss nicht mehr dauernd auf die Strasse achten. Als habe mein Koerper nach drei Tagen endlich seinen Takt wiedergefunden, bin ich trotz Gegenwinds frisch, so dass ich mich mehrfach verwundert umdrehe um zu pruefen, ob es wirklich bergauf geht.

Ich erreiche am Mittag Arusha, eine umtriebige Grossstadt ohne Hochhaeuser, aber voller Dalla-Dallas, wie die Matatus hier heissen. Auch in Tansania herrscht Linksverkehr und hier gelten Verkehrsvorschriften noch weniger, als in Kenia, wo die verschaerften Regeln ja die Unfallrate um 70 % gesenkt haben.

Ich fahre schnurstracks zur Raha Leo Lodge, wo ich mit Oliver einquartiert war, aber die sind ausgebucht. Dann ins African Queen Restaurant, Reis-Beefcurry und geroestet Cashewnuesse essen, Tee trinken, Schuhe reparieren und putzen lassen.

Ein Guide hat gewartet, bis ich mit allem fertig bin und fuehrt mich zu mehreren Lodges, bis ich fuendig werde. Das billigste Angebot sind 2500 tansanische Schillinge (etwa 3 Euro) in der "Machele Lodge". Das Zimmer erlaubt sogar das Um-die-eigene-Achse-drehen neben dem Bett und wenn ich das Handtuch nicht zu ueppig aufhaenge, kann ich sogar die Tuere schliessen. Zum Nebenzimmer gibt es nur eine Pappwand, so dass ich mich, angesichts der Unterhaltung dort, wenigstens nicht alleine fuehle.

Mein Fahrrad schliesse ich an einen Stahlsessel fest, dusche heiss und ueppig und gehe in ein Netcafe.

Dann kaufe ich mir etwas Deutsches zum Lesen, dann setze ich mich nochmals ins African Queens und trinke ein Bier.

Auf dem Weg in die Lodge, durch die dunklen, schlammigen Gassen, halte ich mein Meroe-Messer versteckt in der offenen Hand. Ich erinnere noch gut den Guide, den man mit einer Panga mit drei Hieben fast den Schaedel gespalten hat- und das fuer laeppische 10 EU.

geschrieben am 16.10. in Arusha


 


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