10/17/2004 Tansania / Arusha
Ueber Arusha
Besichtigung des Forts
(Harald) Arusha ist in mehrerer Hinsicht eine der wichtigsten Staedte Tansanias. Seit 1998 tagt hier z.B. das UN-Tribunal fuer den Voelkermord von 1994 in Ruanda. Etwa 1000 Beamte versuchen hier rechtlich aufzuarbeiten, was vor 10 Jahren geschehen ist und die enormen Kosten und ein Verfahren gegen die Verantwortlichen Readelsfuehrer, dass nicht beruecksichtigen kann, dass es ueber 100.000 Moerder gibt, machen die auf Jahre hinaus angelegten Verfahren fragwuerdig. Wer kann, wer will all diese Leute einsperren, all die Muetter, deren Kinder gleich mitbestraft werden z.B.? Dieser Voelkermord hat gezeigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen praktisch jeder ein Moerder sein kann. Es gibt bewiesene Faelle, dass Muetter ihre Kinder, deren Vaeter der Tutsi-Ethnie angehoerten, eigenhaendig abgeschlachtet haben, dass Nonnen Kirchentore oeffneten, damit dort Menschen eingesperrt und lebendig verbrannt werden konnten, dass Nachbarn, Freunde, die sich seit Jahrzehnten kannten und verstanden, einfach eines Morgens kurz hinueber gingen und dieselben mit Pangas erschlugen. Hochschulprofessoren, die in Europa studiert und gelebt haben, lieferten den aufgekluegelten Ueberbau dazu, die intellektuelle Rechtfertigung fuer den Genozid. Das es gelungen ist Hunderttausende fuer ein solches Verbrechen zu gewinnen, zeigt auch, wie manipulierbar wir sind. Arsuha ist auch Verwaltungshauptstadt der wiedergegruendeten Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC, deren Staatschefs aus den Mitgliedgliedsstaaten Tansania, Kenia, Uganda und Ruanda sich hier treffen. Vorbild ist unsere EU. Arusha liegt auf halbem Weg zwischen Kairo und Kapstadt. Fuer die erste Haelfte dieses Reiseabschnittes habe ich jetzt schon mehr als anderthalb Jahre gebraucht, fuer die zweite Haelfte werde ich mir weit weniger Zeit nehmen. Und aus Arusha werden Rosen nach Holland und Deutschland exportiert. Fuer Deutschland war Arusha eine wichtige Bastion. Karin und ich besichtigen das kleine Fort aus der Kolonialzeit, in dessen Raeumen Fotos und Skizzen die Geschichte dieser Gegend lebendig werden lassen. Zwar hatten die Arusha-Massai bei ihrer Einwanderung vom Rift-Valley her, die hier ansaessigen Meru (nicht mit den kenianischen Meru vom Mt.Kenia verwandt) erfolgreich bekriegt, als aber die Deutschen auftauchten, verbuendeten sich die beiden Staemme gegen sie. 1896 brachen die Kaempfe aus, als erste mussten lutherische Missionare dran glauben. Die Kaempfe dauerten mehrere Jahre, in zwei groesseren Schlachten unterlagen die Afrikaner. 1899 wurde dann das kleine, 1999 mit EU-Geldern liebevoll renovierte Fort gebaut. Suedafrikanische Buren, die in Wagentrecks aus Suedafrika hierherzogen, Wolga- und Schlesier-Deutsche siedelten sich an. 1915 mussten die deutschen Truppen den anrueckenden Briten weichen. Noch 1951 wurden 3000 Meru-Bauern mit Waffengewalt von ihrem Land vertrieben, weil Buren zusaeztliches Ackerland verlangten. Die Massai sind der einzige Stamm, der noch traditionelle Kleidung traegt und so fallen die Aelteren und die Krieger deutlich im Strassenbild auf. Sie tragen fast ausschliesslich weissen Perlenschmuck und die Haare sind meist nicht mit Ocker gefaerbt. Witzig ist, wenn sie im Netcafe vor den Bildschirmen sitzen und ihr Handy mit einem Muh-Laut klingelt und ausgerechnet ein Moran der Einzige ist, der eine Armbanduhr traegt. Schoen ist auch ihr bimmelnder Kettenschmuck an Stirn- und Halsbaendern, an breiten Armstulpen und Wadenschmuck. Sie tragen grobe Reifensandalen, manche aber auch schneeweisse, blitzsaubere Plastiksandalen,jeder einen Hirtenstecken, ein Schwert, die Sime oder Simbe genannt wird und eine Keule, die Rungu. Das Gemaeuer des Forts umweht ein Hauch von Guter, Alter Zeit, aber die Texte der Ausstellung erzaehlen auch von der brutalen Unterdrueckung durch die Deutschen, die vielen Opfer. Die aufstaendischen Haeuptlinge der hier ansaessigen Staemme sind nach heutiger Lesart die ersten Freiheitskaempfer des spaeteren Tansanias gewesen. Karin und ich fahren stundenlang mit ihrem grossen Gelaendewagen, wenn auch bequem und mit guter Musik begleitet, von Hotel zu Hotel,um einen weiteren Videofilm sehen zu koennen-ohne Erfolg. Jede kleine Anekdote dieses Tages koennte in einem Lehrbuch ueber afrikanisches Verhalten stehen: sage niemals "Nein" z.B. Das solches Verhalten im Nachhinein vielmehr Probleme verursacht, wird ausser Acht gelassen. Unsereins schuettelt den Kopf,auch Karin ist trotz sieben hier gelebten Jahren noch sauer ueber diese Art von Luegen, die die Betreffenden aber nie als solche bezeichnen wuerden. Schoenster Moment des Tages, wie Karin feststellt, war, dass wir ein seltenes Camaeleon im Garten des Forts gefunden haben. Ansonsten ist das Essen draussen am Grill, frische Salate und Fleisch, auch ganz nett. geschrieben am 25.10. in Daressalam
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