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Reisetagebuch

10/20/2004   Tansania / Same

Baobabs und Mungos

Das Aeffchen

(Harald) Noch vor Sonnenaufgang faehrt Valentine zurueck. Ich habe ihr mein Moskitonetz geschenkt, dass wir in Kairos Suq mit Sayed gekauft hatten. Ich habe es sehr selten benutzt und fuer eine Person ist es viel zu gross. Valentine freut sich ueber das Netz (spaeter schreibt sie mir eine Mail, dass sie sich das Foto vom 10.6.2003 angeschaut habe, als wir das Netz gekauft haben- so hat ihr Geschenk eine Geschichte).

Mit verschraenkten Armen stehe ich auf der kleinen Terrasse und sehe Valentine gehen, winken.

Es ist feucht, in der Nacht hat es wieder geregnet.

Die Familie Mtuy besitzt nur ein Lochklo, gewaschen wird sich draussen am Betonbecken, aber alles ist sauber.

Die kleine Brandy marschiert in einem leuchtend-roten Pullover, der zur Uniform gehoert, zur Schule, der Vater bringt mich nach dem Fruehstueck zur Strasse und weist mich auf den Linksverkehr hin- ich muss laecheln ueber das Bild, dass man sich ueber einen Touristen hier gemacht hat.

Nach 27 km zweigt nach rechts Richtung Sueden die Strasse nach Daressalam, kurz "Dar" genannt, ab, geradeaus geht es nach Tanga und Mombasa.

Hier sehe ich die ersten grossen Baobab-Baeume, die wir meist "Affenbrotbaeume" nennen. Riesige Staemme, in denen die Pflanze Wasser speichert. Umfaenge von 10,12 Metern sind moeglich, wobei der Baum nicht sehr hoch ist und wenig Aeste besitzt, was ihm ein skuriles Aussehen verleiht.

Beim zweiten Fruehstueck esse ich wieder mal Tschapatis und trinke Tschai, der hier ohne Milch serviert wird. Ein Mann bietet mir eine kleine, wilde Meerkatze an, die haeufigste Affenart in Ostafrika. Das Aeffchen ist voellig veraengstigt und versucht sich panisch in irgendeinen Spalt zu verkriechen, wird wiederholt ins Gesicht geschlagen und als ich ihm die Hand hinhalte, beisst er mich tief in den Zeigefinger. Es blutet stark und ich stelle mir die Preisfrage: koennen Meerkatzen Aids uebertragen? Ich habe nicht mal Desinfektionsmittel mehr, das habe ich in Arusha gelassen, genauso, wie Verbandszeug, weshalb ich die Wunde nur lange ausbluten lasse und mit Wasser auswasche, Pflaster drum, fertig.

Der Mann verlangt 12 Euro fuer das Tier, ich gebe ihm 3, worauf er mir gleich noch ein zweites Tier anbietet, was ich ablehne.

Ich verstaue das Tier in einem Pappkarton, schnalle den auf mein Gepaeck hinter mir und fahre aus dem Ort heraus. Die Konstruktion hinter mir erinnert mich an die Holzkiste, die wir in Anamur fuer Kari haben zimmern lassen. Nur: diesen Affen will ich nicht mitnehmen, sondern kaufe ein paar Bananen, deren Bruchstuecke er gierig verschlingt, voellig ausgehungert.

Nahe eines Berghanges, der Zuflucht und Artgenossen fuer ihn verspricht, in der Naehe eines Baches, lasse ich das Tier frei. Erst traut es sich nicht mal aus dem Karton, dann sieht man, wie er realisiert: ich bin hier ganz alleine mit dem blassen Menschen da und- schwups! verkriecht er sich erstmal in einem Dornengestruepp, mich wie unglauebig fixierend, waehrend ich weggehe. Seine jetzt panische Angst wird ihn hoffentlich davor bewahren, Menschen nochmals zu nahe zu kommen.

Es gibt in dieser Gegend ueberall Baobabs, Jacarandas, Bananen, Palmen, Mangobaeume und Euphobien, diese kakteenartigen Baeume, die in den Cheranganis 10, 12 Meter Hoehe erreichten.

Ueberall auch ueberfahrene Tiere: Eidechsen, Schildkroeten, Schlangen aller Groessen, eine Manguste, gross wie ein Hund. Ein lebendes Exemplar ueberquert die Strasse, schaut mich neugierig an. Diese Tiere gehoeren zu den Schleichkatzen, sind aber keine Katzen, sondern Mardertiere, die u.a. auch Schlangen fressen, auch giftige, die sie solange trietzen und anbeissen, bis die Schlangen erschoepft sind. Der beruehmteste Vertreter dieser Gattung ist der Mungo, der sogar grosse Kobras toetet.

Die Strasse schlaengelt sich in grossen Boegen um die Berge, sanfte, aber lange Anstiege sind zu bewaeltigen. Heute weht nur ein schwacher Wind, es ist bewoelkt- ideales Radwetter. Die Strasse ist recht gut, fast schlaglochfrei, ich komme gut voran. Noch 50 km bis Same, meinem Tagesziel. Die Wolken drohen mit Regen, aber es bleibt trocken.

Linker Hand begleiten mich weiter, die sich etwa 1000 Meter hoeher erhebenden Pare Mountains. Nur noch die steilsten Haenge sind von der Abholzung verschont geblieben, ueberall sehe ich Frauen mit Holzstapeln auf dem Kopf oder mit Pangas hangauf laufen. Dort oben rauchen Feuer und neben der Strasse stehen die Ergebnisse: grosse Saecke voller Holzkohle fuer die Kochstellen.

Ich werde oft gegruesst, es wird viel gelacht. Ich halte auch mal fuer ein Haendeschuetteln oder wende fuer einen kurzen Schwatz: woher, wohin, Name, gute Reise. Hinter der naechsten Kurve braucht man diese Leute vielleicht, auch wenn mich das vermehrte Betteln der Kinder etwas nervt: "Money, money, give money!" Man kennt das ja.

In den kurzen Sodapausen versucht man mir fast ausnahmslos zuviel zu berechnen. Wer diese staendige Belagerung seiner Boerse nicht aushaelt, sollte nicht individuell reisen. Es gilt ruhig, freundlich und bestimmt zu bleiben und sich nicht zu sehr auf den rassistischen, betruegerischen Aspekt dieser Versuche zu konzentrieren. Ich bestelle meist einfach, esse, trinke und zahle den angemessenen Preis, auch wenn man protestiert. Vorherige Verhandlungen sind meist unergiebig.

Gegen18 Uhr erreiche ich Same, fahre zur Busstation, windig, staubig. An einem Billiardtisch spielen Massai gegen Doerfler, beim Laufen bimmeln ihre Ketten.

Mama Marian heisst meine Gastgeberin, die mich dort abholt, irgendwer hat sie informiert, dass ich da bin. Die Frau ist eine Matrone, gross, dick, mit einem Gesaess wie ein Brauereipferd, dass vor mir auf und abwippt, als sage es dauernd "Jaja".

Vor dem Haus, etwas oberhalb der Stadt, begruesst mich Deborah, eine Verwandte, die man offensichtlich eingeladen hat, weil sie etwas Englisch spricht. Man ist ueber mein Kommen also unterrichtet und so sieht auch alles aus: blitzblank, aufgeraeumt, wie eine Maschinerie laeuft ein Bewirtungsprogramm ab: Ich bekomme das beste Zimmer, ein Doppelbett mit Moskitonetz, zum Duschen wird mir eine Schuessl mit warmem Wasser gereicht, es wird gekocht, Tee zubereitet.

Neben mir sitzt dann Deborah, 22 Jahre alt, sie drueckt sich an meine Schulter, als seien wir alte Kumpel, sie ist Christin, aber die Familie selbst ist moslemisch und kann erst jetzt, nach Sonnenuntergang essen und trinken.

Deborahs T-Shirt-Ausschnitt ist reichlich, ich falle fast in ein braunes Tal, der ganze Laden steht kurz vor dem Auskippen und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die junge Dame ausprobieren moechte, ob ich es schaffe, nicht hinzusehen.

Im Haus zwitschern Kueken umher, eine Henne gackert und wird hin und wieder vor die Tuere gesetzt, um sogleich wieder hineinzutapsen.

Valentine ruft an, will wissen, ob alles in Ordnung ist- ja, doch, mir geht es hervorragend- sie ueberlegt, mich in Daressalam zu besuchen.

heute habe ich 110 km geschafft.

geschrieben am 27.10. in Daressalam


 

 

 

 


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