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Reisetagebuch

10/23/2004   Tansania / Sigera

Blair-Witch?

Eine unglaubliche Nacht

(Harald) Es wird langsam dunkel, als ich eine Stelle fuer mein Zelt ausgeguckt habe, ein paar Meter neben einem 3x12 Meter breiten, etwa brusthohen Holzstapel, der offensichtlich zum Schwelen von Holzkohle vorbereitet ist.

Ich sammle gerade Steine und Stoecke auf, scharre mit den Fuessen, um Dornen und Scharfkantiges zu erkennen, als ich aus dem Holzstapel einen seltsamen Klopfton hoere, leise zwar, aber deutlich. Erst mache ich weiter, aber dabei frage ich mich: was, zum Teufel, macht so ein Geraeusch? Schliesslich gehe ich kurz hinueber, das Klopfen verstummt. Ich denke an den Holzbockkaefer, aber der kann so laut nicht rumoren. Ein Vogel? Ich umkreise den Stapel, nichts.

Es wird dunkel, ich muss mein Zelt aufbauen. Auf der Strasse fahren nur noch wenige Autos vorbei, fast ausser Sichtweite, hohe Baeume stehen hier, weiter hangabwaerts wird der Busch dichter.

Ich breite die Plane aus, lege das Innenzelt darauf, will die beiden Spannstangen einziehen... ein knarzender Laut aus dem Busch hinter dem Holzstapel laesst mich herumfahren. Ich spaehe im letzten Daemmerlicht ueber den Stapel, kann nichts erkennen. Das war laut und deutlich, irgendwer ist doch da. Ob mich doch jemand bemerkt hat, geht mir durch den Kopf. Und wenn ja, warum schleicht der dann durch den Busch?

Ich baue weiter auf, dass Innenzelt steht gerade, als es vernehmlich knackt. Jetzt reicht es mir, da ist jemand und belauert mich! Ich rufe laut: "Hello! Who are you? Come out!" Meine Stimmung reicht von Veraergerung bis Sorge, denn so ein Verhalten kann mich die Nacht kosten.

Keine Antwort. Schliesslich steht das Aussenzelt, ich nehme meine Plastiktuete fuer die Waschutensilien und gehe zum Holzstapel, lege die Sachen ab. Als ich die Zahnpasta auf die Buerste streiche, hoere ich ein flatterndes Geraeusch hinter mir, wie von grossen Fluegeln, ich fahre derart erschrocken herum, dass ich ruecklings auf den Stapel falle, vorbereitet weiss-Gott-was vor mir zu sehen- aber da ist nichts. Aber ich bin jetzt wirklich irritiert, ja fast veraengstigt, denn ich habe dieses Geraeusch gehoert, ich bin doch nicht verrueckt, direkt hinter meinen Ruecken, ich meine- so etwa EINEN METER hinter mir! Ich sehe mich um, das Licht reicht aus, um jede Person in 20, 30 Meter Entfernung zu sehen, der Halbmond scheint.

Ich setze mich mit weichen Knien hin. Was kann das gewesen sein? Ein Storch, ein Adler? Das Flattergeraeusch hoerte sich nach grossen Fluegeln an. Eine Eule? Die hoert man eigentlich nicht fliegen und das Geraeusch war in Bauchhoehe- ich bin ratlos.

Minutenlang sitze ich da, lausche angestrengt in den Wald, meine Augen beginnen zu traenen, weil ich so starre. Mir fehlt es ja nicht an Phantasie, aber ich habe keinerlei Erklaerung fuer diese verschiedenen Geraeusche.

Schliesslich putze ich mir die Zaehne und gehe zum Zelt, kann mich aber nicht entschliessen einzusteigen. Ich bin nervoes. Wenn sich hier jemand einen Scherz erlauben will und es so weit treibt, was wird er dann tun, wenn ich im Zelt bin? Ein Schlag gegen die Zeltbahn und ich bin weg. Nein! Ich muss das klaeren!

Ich knie mich in den Zelteingang und nehme die Taschenlampe zur Hand, beim Suchen, mit dem Ruecken nach draussen, bin ich schon unruhig, dass jemand hinter mich tritt.

Der Strahl der Taschenlampe ist laecherlich uneffektiv. Nichts zu sehen. Aus dem Holzstapel klopft es, mir wird klar, das es schon laenger klopft, ich das aber ignoriert habe.

Ich gehe hinueber, trete gegen den Stapel, jeder Holzbock wuerde jetzt verstummen, aber das Klopfen wird LAUTER! Ich trete nochmals, fester: "Verdammt! Was ist das? Komm raus, Mistvieh!" Mein eigenes Schreien alarmiert mich, denn jetzt weiss jeder, dass ich hier bin. Wie dumm von mir. Aber das Klopfen hoert auf.

Und dann geschieht, was ich noch nie erlebt habe: ich bin wie elektrisiert, meine Knie zittern schlagartig. Denn vom Zelt her hoere ich deutlich das Geraeusch eines Reissverschlusses. Ich taumle zurueck, richte die Taschenlampe auf das Zelt- nichts. Jetzt muss ich mich entschliessen, denn das kann nur ein Mensch gewesen sein und ich muss ihn jetzt stellen, packen oder weglaufen.

Ohne laenger als eine Sekunde zu zoegern, stuerze ich nach vorne, derjenige muss hinter dem Zelt sein, ich hoere keine Schritte, er ist noch da, ich stolpere ueber eine der Windleinen, der Haken reisst aus der Erde und ich falle vornueber, im Fallen schaue ich hinter das Zelt, pralle auf, richte die Taschenlampe dorthin- nichts. "Schiete", fluche ich, richte mich auf, der Lichtstrahl leuchtet durchs Gras, aber da ist nichts und niemand. "Komm raus, hey, hey!" schreie ich.

Ploeztlich geht mir durch den Kopf, dass ich keine Waffe habe. Mein Messer! Als ich aufstehe, faellt der Strahl der Taschenlampe auf den Reissverschluss der hinteren Zeltseite und der steht offen, nicht weit, aber deutlich... Das ist eigentlich unmoeglich, denn weil der Reissverschluss seit MOnaten nicht mehr zusammenhaelt, benutze ich diese Seite nicht mehr und um stets auf Anhieb zu wissen, dass dies die "schlechte" Seite ist, habe ich die beiden Reissverschluesse dieses Eingangs zusammengebunden. Und jetzt ist das schwarze Band geloest und der Verschluss offen!

Jetzt weiss ich, das hier jemand ist, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Mein Messer!

Ich gehe ums Zelt, nehme den Rucksack, raeume alles aus, ... aber das Meroe-Messer ist weg! War ich bisher vornehmlich noch wuetend, wird mir jetzt schlagartig heiss: der Kerl hat sich das Messer genommen. Entweder, um es selbst zu benutzen, oder um mich meines Schutzes zu berauben. Aber woher wusste er, wo es zu finden war? Mir faellt der letzte Weiler ein, wo ich eine Kokosnuss gekauft und mit meinem Messer das Fruchtfleisch herausgepuhlt habe. Jeder konnte sehen, wo ich es danach verstaute.

Was soll ich jetzt machen? Wenn ich zur Strasse laufe, lasse ich alles zurueck, was ich habe. Ich muss alles zusammenpacken und zwar schnell! Den Kerl finde ich im Dunkeln nie und wer weiss, ob er ausser meinem Messer nicht noch eine Panga hat, oder vielleicht sind es sogar Zwei?

Ich suche weiter mit der Taschenlampe den Buschrand ab, dann beginne ich die Windleinen einzurollen, stets auf Geraeusche achtend, dauernd die Taschenlampe umherschwenkend.

Einmal meine ich, eine Bewegung hinter einem Baumstamm gesehen zu haben, schnell und fluechtig, aber ich werde jetzt nicht 50 Meter in den Busch gehen, sondern so schnell wie moeglich aufladen und zur Strasse gehen.

Ich ueberlege mir gerade, dass ich vielleicht weiter rufen sollte und stelle eine meiner Gepaecktaschen auf- da liegt das blanke Meroe-Messer vor mir, daneben die Scheide aus Leder! Ich schwenke die Taschenlampe 360 Grad herum- niemand zu sehen. Hinter mir klopft es aus dem Holzstapel, immer lauter. Zum ersten Mal stelle ich mir die Frage: bilde ich mir etwas ein? Hoere ich das wirklich? Aber ich hoere ja mich sprechen, den Wind in den Baumkronen, warum sollte ich mich taeuschen?

Mir bleibt nicht viel Zeit zwischen den Taschenlampenschwenks, wirre Gedanken kreisen: was soll das alles? Wieso liegt das Messer dort, obwohl ich es garnicht aus dem Rucksack genommen habe? Ich nehme mir vor, das Geld in meiner Beintasche ohne Widerstand rauszuruecken und nicht den Helden zu spielen, wenn jetzt Einer auf mich zutritt und mich bedroht.

Als ich fuer einen Moment zu lange im Zelt die Matratze zusammenrolle, flattert es draussen wieder wie ein Storchfluegelschlag. Ich zucke zusammen, die Haare stehen mir zu Berge, mein Herz schlaegt wie eine Trommel, ich beuge mich aus dem Zelt, vor mir erhebt sich ein grosses schwarzes Etwas, eine formlose Gestalt die das Licht der Taschenlampe zu schlucken scheint, zu nah! Nichts kann ich tun, vorbei, ich hoere mich schreien... und wache auf.

geschrieben am 27.10. in Daressalam


 


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