10/24/2004 Tansania / Dar es Salaam
Dar es Salaam
Ankunft in der eigentlichen Hauptstadt
(Harald) Morgens lese ich im Schein der Taschenlampe. Was taete ich ohne Lesestoff? Alles ist feucht und die Sonne draengelt sich nur schwerlich durch die Wolken, auf das Trocknen des Zeltes kann ich ergo nicht warten und packe ein, schiebe meinen Drahtesel zur Strasse und fahre bis Mbwewe, der naechsten Ortschaft. In einem kleinen Freiluftrestaurant esse ich gekochtes Huhn mit Tschapatis, der Inhaber berechnet mir zuviel und gibt mir dann auch noch mein Wechselgeld nicht zurueck, stellt sich dumm und taub, das uebliche Spielchen. Morgens ist mit mir nicht gut Kirschen essen, aber ich will mich nicht aufregen und greife mir statt Geld einfach ein Tschapati aus seinem Plastikeimer und gehe, wobei der Typ nicht mit der Wimper zuckt. Es sind ca. 75 km bis Chalinze, dem Abzweig nach Dar und Mbeya, von da aus nochmal 110 km bis Dar. Bis Kapstadt sind es fast 7000 km, was bedeutet, dass ich Weihnachten nicht zu Hause bin, denn neben einer steten Tageskilometerleistung von ueber 120 km muss ich ja auch ins Netcafe und mal ausruhen. Heute komme ich gut voran, immer ruckweise, alle 15, 20 km eine Pause. Ueberall begegne ich den Morani der Massai in ihren dunkel-schwarzen Schukas. Was heute als "traditionelle" Kleidung angesehen wird, sind ja nichts anderes als Schottenmuster, die wohl ueber die Englaender nach Kenia und Tansania importiert wurden. Vor 100 Jahren trugen alle Nomaden Lederkleidung und statt bunter Kunststoffperlen gab es Samenkapseln, Vogelfedern, Holzschnitzereien aus verschiedenfarbigen Hoelzern, Kaurimuscheln, Stacheln von Stachelschweinen, Schwanzhaare von Giraffen und Elefanten usw. Die Keulen der Massai sind aus dem steinharten, schwarzen Ebenholz geschnitzt, das den kenianischen Nomaden nicht zur Verfuegung steht. Die Massai sind nicht nur der bekannteste Nomadenstamm Afrikas, sondern auch der politisch ruehrigste. Sie sind stolz und selbstbewusst und viele ziehen sich auch nicht um, wenn sie nach Nairobi oder andere grosse Staedte kommen, wo sie wie bunte Hunde auffallen. Im "Steers", einem McDonalds-Verschnitt in Arusha, wacht ein solcher Moran vor der Tuer und die chinesische Managerin ist offensichtlich stolz darauf. In einem kleinen Restaurant mache ich Pause, drei froehliche, wenn auch etwas vorlaute Moran schluerfen ihre Bohnen mit Mais, schmatzen und ruelpsen fleissig vor sich hin (nur Furzen ist bei allen Nomaden verpoent), als ein Aelterer hereinkommt. Jedes Gespraech und Lachen verstummt schlagartig, die Drei springen fast erschrocken auf und gehen auf den Mann in meinem Alter zu und geben ihm die Hand, die er gelassen, aber ohne Ueberheblichkeit nimmt. Diesen starken Respekt vor den Aelteren Maennern habe ich mit Oliver schon in der Engaruka-Ebene beobachtet, wo die Kinder auf den Aelteren zueilten, ehrfuerchtig ihren Kopfschmuck abnahmen und die Koepfe beugten, die der Mann wie segnend mit der rechten Hand beruehrte. Aber in dieser deutlichen Form ist das bei den Turkanas oder Rendille nicht zu sehen gewesen. Bei aller Anpassung an die aufziehende Moderne, ist die Tradition bei den Massai noch sehr lebendig. Am Abend erreiche ich Chalinze. Die letzten 10 km hat man die Strasse auf etwa 10 m verbreitert. Wozu das bei dem spaerlichen Verkehr gut sein soll, ist mir schleierhaft, denn es verleitet die Fahrer nur zu noch mehr Raserei und riskanten Ueberholmanoevern. Das Geld fuer diesen Abschnitt haette man besser verwendet, um anderenorts ueberhaupt eine befestigte Strasse anzulegen, z.B. zum Grenzuebergang nach Mosambique, oder von Arusha zur Hauptstadt Dodoma und Mbeya. Ich fahre weiter Richtung Dar, entschliesse mich aber nach ein paar Kilometern zurueck- und mit einem Dala-Dala zur Kueste zu fahren. Nach zwei Stunden erreiche ich die heimliche Hauptstadt Tansanias, hektisch und laut wie Nairobi, man setzt die Passagiere weit vor dem Stadtzentrum ab. Mein Rad war wieder mal hinter der Heckklappe angebunden, aber alles ist gutgegangen, ich sattle auf und fahre Richtung Wind und Seegeruch. Der Verkehr ist heftig, aggressiv und ich erinnere mich daran, wie wir zum ersten Mal vor ueber zwei Jahren mit einem solchen Grossstadtverkehr in Istanbul konfrontiert wurden und wie wuetend wir waren. Heute muss es schon knueppeldicke kommen, bis ich derart ausraste wie damals. Ich fahre einfach solange geradeaus, bis es um mich herum altstadtmaessig aussieht. Viele weisse Haeuser, Palmen, tausende von Strassenhaendlern, Gehupe, grosse Gelaendewagen mit indischen Fahrern, Restaurants, Lodges, Banken... Eine frische Brise weht, trotzdem ist es um 21 Uhr noch 29 Grad warm. Ich frage nach einer billigen Unterkunft, werde zum "Zanzibar Guest" gelotst. Das ist wirklich eine Absteige, aber ich bin muede und faul, fuer eine Nacht wirds das Loch schon tun. Fuer 2,50 EU eine Besenkammer mit einem loechrigen Moskitonetz, dessen Miniumfang gerade mal einen Stuhl abdecken koennte. Das Fenster steht notgedrungen offen, weil es keinen Ventilator gibt und mein Zelt trocknen muss, dass sowieso schon stinkt, weil die Feuchtigkeit zwei Tage drin blieb. Ich habe mich entschlossen, nicht die Kuestenstrecke nach Maputo zu fahren. Die kleine Regenzeit bricht im November an und die unvermeidbaren, unbefestigten Abschnitte an der Kueste sind dann nicht befahrbar. Zudem ist das Klima hier nicht gut zum Radeln: zu heiss, zu feucht, zu viele Muecken, zuviel Malaria. Auf eine wochenlange Prophylaxe habe ich keine Lust, ich bekomme Albtraeume von den Tabletten. Der Norden Mosambiques soll sehr schoen sein, aber 3500 km Kuestenstrasse wird dann doch langweilig. Also fahre ich landeinwaerts, nach Malawi, ich brauche als Deutscher kein Visum dafuer, das Land ist billig und sehr schoen und Lilongwe, die Hauptstadt, bietet nochmal zwischendurch alle Vorzuege einer Grossstadt- bis Maputo waeren es rund 3500 km, 6-8 Wochen Fahrtzeit! Obwohl Dodoma seit 1973 die Hauptstadt Tansanias ist, bleibt dies doch eigentlich Dar, wo alle Parlamentarier wohnen, wo alle Botschaften ihren Sitz haben und der grosse Hafen und etwa 3-4 Millionen Einwohner (niemand weiss das so genau) ein quirliges Leben erzeugen, dass es in Dodoma nicht mal ansatzweise gibt. Die Parlamentarier werden zu den Sitzungen nach Dodoma geflogen und danach gleich wieder nach Hause, Dodoma ist ein Provinznest, ohne wirtschaftliche Bedeutung, eine kuenstliche Stadt. Bei etwa 75 % Luftfeuchtigkeit schwitze ich die ganze Nacht, schwimme in meiner eigenen Lake. Aber mein Schlafvermoegen hat sich ja gebessert, mit Toilettpapierkuegelchen in den Ohren und einer inneren Einstellung, mich nicht stoeren zu lassen, schlafe ich troztdem durch. geschrieben am 28.10. in Dar es Salaam
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