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Reisetagebuch

10/30/2004   Tansania / Dar es Salaam

Im Hindu-Tempel

Letzter Tag in Dar

(Harald) Der Mann, der mich gestern auf dem Fischmarkt ansprach, beschwor mich, die Krebse bei ihm zu kaufen und demonstrierte mir anschaulich, dass andere Ware nicht frisch sei. Trotzdem habe ich mir den Magen verdorben und ruhe mich erstmal aus.

Am Abend besuche ich einen Hindutempel. Gleich am Eingang, es dauert nur zwei Minuten, spricht mich ein aelterer Herr freundlich an, ob er helfen koenne und ich solle doch eintreten.

Ich ziehe die Schuhe aus, wie alle Besucher des Goetterdienstes hier. In der Vorhalle spielen Kinder, Gruppen von Frauen in langen, feinen Sarongs plaudern, Maeener sitzen auf Baenken und Treppen mit ihren Soehnen zwischen den Knien, es geht locker zu. Unter all den Gesichtern sehe ich aber keines eines Mischlings. Waehrend sich die Europaeer und Amerikaner mit den Afrikanern verheiraten, ist das offensichtlich unter den Indisch-staemmigen verpoent. Auch dies grenzt sie ab und ich nehme an, diese Abgrenzung geht von den Indern aus.

Der Mann zeigt mir die nur schrankgrossen Goetterschreine, innen weiss gekachelt, darin Statuen mit fast weisser Haut, nahezu uebergewichtigen Formen, die maennlichen Goetter haben weibliche Zuege wie Zwitter und alle Gesichter sehen wie geschminkt aus. Ein paar Kerzen davor, in der Mitte zwischen den Schreinen haengt eine Glocke, die ab und an von den Glaeubigen kurz gelaeutet wird.

Da ist der Affengott und da die Kuh, beides den Hindus heilige Tiere und mein Fuehrer sagt, wir Menschen seien ja alle mal Halbaffen gewesen. Und da sind Wischnu und Brahma. Die Goetter haben verschiedene Erscheinungsformen wie z.B. Tiere oder andere Gottgestalten. "Und morgens", sagt der Mann, "beten wir zur Sonne die aufgeht, denn ohne Sonne kein Leben und wir beten zur Erde und zum Wasser. Ohne all das gaebe es uns nicht." Ich neige kurz mein Haupt, um meinen Respekt zu zeigen. Jeder sei hier willkommen, sagt mein Begleiter, niemand werde nach seiner Religion gefragt.

In einem der groesseren Raeme findet gerade ein Gottesdienst statt, man sitzt auf einer grossen Matte zusammen auf dem Boden, die ganze Familie, vorne musizieren eine Frau und zwei Maenner und singen vor, die Gemeinde stimmt in den Refrain ein, wobei kleine Schellen geschlagen werden. Daneben finden Opfergaben statt, Suessigkeiten kann ich z.B. erkennen.

Ich werde zum Buero des Obersten Priesters geleitet, einem Herrn um die Fuenfzig in einem schneeweissen Anzug. Neben ihm sitzen drei weitere Herren. Der Vorsitzende der oertlichen Gemeinde ist da und ein Kollege aus England. Sie sind interessiert an meinem Reiseprojekt und wir sprechen ueber die verschiedenen Weltreligionen.

Es geht um unser eurozentrisches Weltbild, dass nicht recht verinnerlichen kann, dass jeder dritte Mensch auf der Welt in nur zwei Staaten in Asien lebt: China und Indien. Und das der Buddhismus keinen Gott kennt und der Hinduismus viele Goetter hat- beides fuer unsere monothoistische Religionsauffassung undenkbar.

Unbewusst denken wir doch, es gaebe auch eine Art "Evolution der Religionen", weg von den Naturreligionen und der abschaetzig bezeichneten "Vielgoetterei", hin zum Ein-Gott-Glauben.

Unsere deutschen Wurzeln liegen einerseits bei den germanischen Gottheiten und andererseits bei den roemischen, die wiederum u.a. von griechischen und aegyptischen beeinflusst wurden. Die Roemer hatten nie Probleme mit anderen Gottheiten, neben ihren zahlreichen eigenen war stets noch Platz fuer neue. Sie bauten in Germanien Tempel fuer die aegyptische Goettin Isis und ich erinnere gut an die vielen Abbilder in Aegypten, die Isis darstellten und dabei verblueffend den Marienbildern aehnelten. In Aegypten erklaeren viele Reisefuehrer, dass die Juden bei ihrem Auszug aus Aegypten das Isisbild mitnahmen und dies spaeter sein Abbild in der Gestalt der Maria fand.

Hier im Tempel sind ueberall Swastikas zu sehen, das Hakenkreuz der Nazis hat hier seine Wurzeln, wenngleich diese das Symbol als arisch-germanisch ausgaben, so ist es doch eigentlich hinduistischen Ursprungs und somit weit aelter.

In meiner Schulzeit wurde noch mit den Begriffen der "Gottlosen" und der "Unglaeubigen" hantiert, z.B. im Geschichtsunterricht. Das die so bezeichneten Voelker durchaus einen Glauben hatten, wurde nicht erwaehnt.

Waehrend das Christentum und der Islam heute weiter eifrig in Afrika missionieren, quasi im Wettlauf, haben das die Buddhisten und Hinduisten nie getan (uebrigens auch nicht die Juden, deren Religion eher auf Exclusivitaet bedacht ist, denn auf Ausdehnung).

Die hinduistische Lehre ist in Versform in Sanskrit verfasst, einer toten Sprache, die nicht mehr gesprochen wird. In Deutschland gibt es namhafte Experten fuer Sanskrit und der Herr aus London sagt, man habe sogar einen deutschen Professor eingeladen, um Sanskrit zu lehren.

Am Ende verabschiedet man mich beidhaendig: "Gute Reise Bruder!" Sehr angenehm, die Leute.

Ich sitze noch lange im Strassencafe, mein letzter Abend in Dar. Bei einem Glas frischem Mangosaft lasse ich meine Eindruecke Revue passieren. Morgen geht es weiter.

geschrieben am 1.11. in Morogoro


 

 


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