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Reisetagebuch

11/2/2004   Tansania / Ruaha Mbuyuni

Im Tal der Baobabs (2)

Fortsetzung

(Harald) Dieses Tal ist ein Naturwunder, etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen.

Die Strasse windet sich sanft flussaufwaerts, ein hellgraues Band, gleissend im Sonnenlicht. Wenn sich die Strasse in Augenhoehe befindet, spiegelt die Hitze eine Glasflaeche vor. Das Tal des Ruaha-Flusses ist etwa einen Kilometer breit, ich befinde mich jetzt rechts des Flusses, der ca. 20 m unter mir leise rauschend seinen uralten Weg bahnt, gruen, weiss-gischtend, wenn er sich durch Felsbarrieren ergiesst. In den Sandbaenken zeichnen sich Spuren von Mensch und Tier ab, Reiher und Falken fliegen ueber meinen Kopf.

Zu meiner Rechten steigen die Felshaenge an, Hornvoegelpaerchen singen ihr Liebeskonzert in den Akazien. Mein Auge wird aber immer wieder von den Baobabbaeumen eingefangen. Am ehesten lassen sich diese Baeume mit Rotbuchen vergleichen. Tausende bewachen dieses Tal, wie eine Armee, deren hochgereckte Astarme alles abwehren wollen, was den Naturfrieden stoeren will und die Zweigfinger strecken sich krallengleich gen Himmel.

Auf den glatten, braun-grauen Staemmen glaenzt das Sonnenlicht der Nachmittagssonne. Es ist heiss, ich habe laengst mein letztes Wasser ausgetrunken und in einem Weiler spreche ich drei LKW-fahrer an, die mir zwei 7Up schenken, heisse Limonade im Schatten des Anhaegers.

Bald sind meine Arme und Beine von Sonnebrand rot-fleckig, ich muss Langarmiges anziehen.

Einer der langbeinigen Paviane sitzt geduldig am Strassenrand, laesst einen LKW passieren, um sich dann sogleich zu erheben, als habe er an einer Ampel gewartet und die Strasse gemaelich zu ueberqueren. Wie hat der das gelernt?

Am Abend erreiche ich nach ueber 110 km Ruaha-Mbuyuni und suche ein Guesthouse. Vor dem Fenster der Geza-Transit Lodge rattert ein Generator, denn der Ort ist nicht ans Stromnetz angeschlossen. Eine kalte Gussdusche erfrischt mich, meine Kleidung gebe ich einem Jungen zum Waschen, dann setze ich mich an einen der Plastiktische vor der Lodge und spreche mit August John Malisa. Der 26-jaehrige ist Landwirtschaftsingenieur und managt eine Farm, die vorallem Gemuese anbaut. Unser Gespraech dreht sich alsbald um Aids. “Ein grosses Problem fuer Tansania,” sagt August. Ich bin Christ und die Kirche verbietet Empfaengnissverhuetung.”

Fuer einen unverheirateten Mittzwanziger ist die Vorgabe der Kirche, keinen Sex vor der Ehe zu haben, inakzeptabel, ja laecherlich.

Ich frage August, ob er ueberhaupt jemanden kennt, der sich fuer die Ehe “aufhebt”. “Ja, sagt er, aber das ist eine seltene Ausnahme.”

Wenn die Kirche die Kirche Empfaengnissverhuetung verbietet, ignoriert sie einerseits die Realitaet der Ueberbevoelkerung, andererseits auch das HIV-Problem. Es sind die vielen jungen Leute, die in Afrika die Haelfte der Bevoelkerung ausmachen, die den Virus verbreiten. Die LKW-Fahrer kaufen ungeschuetzten Sex, Prostitution ist allgegenwaertig und billig, dann geben sie das Virus an ihre Ehefrauen und Freundinnen weiter. Sex geht hier schnell, in jeder Hinsicht. Der Sohn eeiner deutschen Misisonarsfamilie brachte es auf den Punkt: “In Deutschland musst die wochenlang baggern, bis was abgeht, hier in Tansania bist du am zweiten Abend mit der Maus im Bett.”

Wenn dann der Vater, spaeter die Mutter, an Aids gestorben sind (wie bei den Kindern in Bahir Dahr), bleiben Waisen zurueck, die oft von den Geschwistern der Eltern angenommen werden und nicht selten sterben die dann ebenfalls am Virus und die Kinder werden zum zweiten Mal Waisen. In Afrika ist Promiskuitaet Alltag, der Gesetzgeber toleriert die Traditionen, der Islam erlaubt sowieso mehrere Ehefrauen, die dann gleich alle angesteckt werden. Natuerlich ist das alles so nicht gedacht, vorgegeben, aber es ist eben trotzdem Alltag.

Es ist fuer Afrika eine Farce, wenn westlich gepraegte Kirchen Enthaltsamkeit und Treue predigen, das hat auf diesem Kontinent keine Tradition, jedenfalls nicht bei Maennern und die Maedchen holen da zunehmend auf.

August sagt, die Maenner wuessten oft garnicht, wie man ein Kondom verwendet. Ich frage ihn, ob ihn schon Freunde gefragt haetten, wie das geht. “Ja”, sagt er und lacht verlegen, “schon oft.”

Im Fernsehen dreht es sich oft um das Thema der Volksseuche, an der in Tansania bereits ueber 20 % der Gesamtbevoelkerung erkrankt sind. Am Strassenrand weisen Tafeln auf das Problem hin, in den Netcafes haengen Poster dazu, in den Krankenhaeusern und Arztpraxen ebenfalls. Im Kino gibt es Trailer zum Thema und Kondome werden in jeder winzigen Duka deutlich sichtbar angeboten. Ich war sogar schon in Lodges, wo in der Schublade Kondome fuer die Gaeste bereitgehalten wurden und auf der Nachtkommode liegt dann eine Gideon-Bibel.

Mit meinen ueblichen Kuegelchen aus Toilettpapier schlafe ich gegen den Moppel draussen an.

geschrieben am 6.11. in Mafinga


 

 

 


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