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Reisetagebuch

11/3/2004   Tansania / Iringa

Musungu, Musungu!

Zeugnisse der kolonialen Vergangenheit

(Harald) Vor der Abfahrt sammle ich meine Waesche von der Leine, was noch klamm ist, klemme ich hinter mir aufs Gepaeck, wo Sonne und Fahrtwind trocknen koennen. Ich kaufe ein paar Mandasis, Fettgebackenes, wie Krapfen, aber ungesuesst, sowie Wasser.

Die Menschen sind durchweg freundlich, gruessen winkend, die Kinder schreien hysterisch „Musungu“ oder auch „Wasungu“, kommen auf mich zugerannt, als wuerden sie auf den Weihnachtsmann warten. Dann folgt nach einem „Good Morning“, oder einem „Bye, bye“ oft Betteln. Hier leidet niemand Hunger, aber Armut ist allgegenwaertig. Die Kleidung der Menschen ist oft zerrissen, haengt in Fetzen am Leib herab. Ihre Koerper sind durch zahlreiche Narben gezeichnet, ein Spiegel des Lebens, das sie gefuehrt haben.

Weisse kommen hier oft vorbei, aber in rasenden Autos, nicht auf einem Fahrrad. Wenn ich die Kinder gruesse, verstummt das erfreute, manchmal verzweifelt klingende Geschrei sogleich. „Sieh uns an! Nimm uns wahr!“ scheint das zu heissen, sie wollen nicht ignoriert und vergessen sein und bin fest ueberzeugt, das dies fuer den ganzen Kontinent gilt, eine Stimmung die sich mir Weissem, Europaeer, Wohlhabendem im Kleinen, Taeglichen zeigt, aber fuer das ganze Verhaeltnis von Nord und Sued gilt uns.

Die Haeuser sind hier recht schoen, rechteckige Huetten aus roten Lehmziegeln, je nach finanziellen Moeglichkeiten der Erbauer meist ungebrannt, aber viele auch gebrannt wie bei uns. Schilfddaecher, blaue Fensterrahmen, kleine Gaerten mit niedrigen Bananenstauden, Tomatenstraeuchern und Zwiebelgraeben, Mangobaeumen und Papayastaemmen hinter dem Haus. Davor sitzen im Schatten die Kinder und Frauen und flechten, naehen, kochen, die Maenner arbeiten auf den nahen Feldern mit Hacken. Traktoren sind eine Ausnahme, das Umgraben wird auf den kleinen Feldern von Hand besorgt, selbst Pfluege sehe ich keine. Es gibt wenig Vieh, gelegentlich ein paar Kuehe und Ziegen, keine Schafe, keine Esel.

Eine Frau mit nackten Bruesten, ihren Saeugling auf dem Arm, steht am Strassenrand, aus einer Huette erklingen Trommeln, ein Dutzend Menschen sind dort versammelt. Ich setze mich zu einem der vielen Strassenverkaeufer von Zwiebeln in den Schatten. „Was wird da zelebriert?“ „Das ist das Haus eines beruehmten Zauberdoktors“, antwortet der Mann. Die Menschen hier sind Animisten, glauben an natuerliche Dinge, an Daemonen und Geister.

Am Strassenrand steht ein Motorrad, eine 750er Honda. Rainer kommt mit seiner Freundin Susan aus Kapstadt, der Stadt meiner Traeume und sind auf dem Weg nach Uganda. „Bis Kapstadt?“ sagt er, nach einem pruefenden Blick auf seinen Tacho. „Etwa 6000 Kilometer.“ (Am naechsten Morgen pruefe ich das sorgfaeltig auf meiner Michelinkarte nach und es stimmt.)

Es entwickelt sich schnell ein lebhaftes Gespraech ueber Afrika, aber ich habe noch einen schweren Anstieg und 70 Kilometer vor mir und breche schnell auf. Die beiden haben mich eingeladen, sie in Kapstadt zu besuchen, sind aber erst im Februar wieder daheim. Nun, da will ich auch wieder in heimatlichen Gefilden sein.

Nach ein paar Kilometern erreiche ich den mir schon mehrfach angekuendigten Anstieg ins Hochland. Sieben Kilometer lang trete ich im niedrigsten Gang, schiebe, haenge mich auch zweimal an einen schwarz-russig qualmenden LKW. Nach einer Stunde habe ich es geschafft.

Hier oben ist es gut 5 Grad kuehler, ein heftiger Gegenwind weht mir ins Gesicht. Ich mache eine Essen-Fassen-Pause mit Entenfleisch, ein Leckerbissen, lang entbehrt. Dann gehts weiter. Links der Strasse steht verborgen eine spitze, weisse Pyramide, ein Denkmal fuer deutsche Gefallene des Aufstandes der Hehe von 1891. Dieser heute noch hier beheimatete Stamm hat sich einige Zeit gegen die Kolonialmacht aufgelehnt, aber wie fast ueberall in Afrika, mussten sie sich am Ende geschlagen geben. Die Tafel auf der Vorderseite weisst die Namen und Dienstgrade der Soldaten aus, nur wenn man zur Rueckseite der Pyramide geht, zeigt eine kleinere Tafel pauschal an, dass auch Askaris, also afrikanische Soldaten, fuers Wohl des Deutschen Kaiserreichs gefallen sind.

Ich erreiche am Abend, nach ca. 110 km, die Stadt Iringa. Da das Zentrum auf einem Felsplateau etwa 200 m ueber mir liegt, mache ich es mir einfach und lade meine Habe in ein Taxi und lasse mich vor einem Netcafe absetzen, das aber frueh schliesst, weil die indischen Inhaber Muslime sind und wegen des Fastenmonats erst jetzt nach Sonnenuntergang endlich ausgiebig essen und trinken duerfen. In einem zweiten Netcafe spielt „Westlife“ wieder mal: „Fool again“. Der Song verfolgt mich foermlich.

Dann rufe ich Eija-Riitta aus Helsinki an, eine Lehrerin, die ich in Dar im YWCA kennengelernt habe. Sie holt mich ab und fuehrt mich zum Gaestehaus der lutherischen Kirche, wo ich in einem 12-Mann-Zimmer alleine unterkomme.

Wir gehen Essen und sprechen ueber unsere Erfahrungen in Tansania, dann bringe ich sie noch zum Schulgelaende, wo sie eine Wohnung hat. Sie fuerchtet sich in der Dunkelheit, denn wie in vielen Staedten Tansanias gibt es auch in Iringa fast keine Strassenbeleuchtung.

geschrieben am 6.11. in Mafinga


 

 

 

 

 


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