Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

11/8/2004   Tansania / 10 km vor Mabadaga

Der Herumwandernde

Neuer Streckenrekord

(Harald) Morgens lass ich es gemuetlich angehen, Martin hat einen guten Schlaf und ich will ihn nicht wecken.

Aus einem Kaffe am Morgen wird nichts, denn wir haben kein gefiltertes Wasser mehr und die hellbraune Bruehe aus der Leitung kann man nicht trinken, selbst die Einheimischen reinigen es in grossen Edelstahltoepfen mit Keramikfilterkoepfen.

Dann ist die Zeit des Abschieds gekommen, wir machen es kurz: Haendeschuetteln, gute Wuensche. Martin sagt fragend: "Du wolltest doch noch dein Zelt waschen..." Ich soll noch bleiben, wir hatten eine gute Zeit.

Vor dem Tor ein letztes gemeinsames Foto. "Wir werden uns nie wiedersehen, nicht wahr Harald?" "Nein, Martin, wahrscheinlich nicht. Aber ich gebe dir einen Rat: Schiebe deine Traeume nicht auf, dass Leben wartet nicht. Verwirkliche deine Traeume, aber sei auch gewahr, dass nicht jeder Traum in Erfuellung gehen kann. Leb wohl mein Lieber."

Martin dreht sich abrupt um und schliesst das Gattertor, ohne mich noch einmal anzusehen und geht zum Haus zurueck.

Ich atme durch, ruecke meinen Hut zurecht, packe den Lenker fest und lasse alle starken Gefuehle in die Muskeln fliessen und sich in Kraft verwandeln.

Hinter Mafinga geht es erstmal aufwaerts, oben halte ich kurz an und schaue zurueck. Ich haette hier ein paar Tage bleiben koennen, aber mir ist nach Bewegung, ich waere unruhig gewesen und haette einen weiteren Aufenthalt nicht geniessen koennen.

Iringa scheint eine Art "Massaigrenze" gewesen zu sein, denn ich sehe keine Nomaden mehr.

Die Luft ist herrlich frisch, kuehl, ein starker Wind weht aus 6-11 Uhr und laesst mich gut vorankommen. Ich bin ausgeruht und fliege nur so dahin. Bereits um 13.45 Uhr bin ich Makambako und das waren 94 km, wie mir die Polizisten vor der Stadt bestaetigen.

Die tansanischen Polizisten tun sehr cool, meistens gruessen sie mich nicht, uebersehen mich geradezu. Erst wenn ich von mir aus laut gruesse, schenkt man mir ein Laecheln und sagt "Karibu" (Willkommen).

Hier werde ich von Juengeren mit "Schikamo" gegruesst, was eine Respektbezeichnung fuer Aeltere ist. Sehr gebraeuchlich ist auch "Salaam" (Frieden) und "Marhaba", dass ich schon seit der Tuerkei kenne. Ansonsten rufen mich vorallem die Kinder stets "Musungu/Wasungu". Jeder erklaert einem auf Nachfrage hier, dass bedeute "Weisser", oder zumindest "Fremder". Aber auf Kisuaheli heisst "Weisser" woertlich uebersetzt "Mweupe" und "Fremder heisst "Mgeni". "Musungu" leitet sich aus dem Verb "zunguka" ab, was soviel wie "herumwandeln/-wandern bedeutet, der Msunguka" ist also ein Herumwandernder. Diese Bzeichnung erstaunt nicht weiter, wenn man sich vor Augen fuehrt, dass ein Afrikaner nicht zum Spass von A nach B geht, sondern stets einen triftigen Grund hat, wie z.B. zum Markt gehen, einen Besuch abstatten oder zum naechsten Krankenhaus laufen. Fuer die Ostafrikaner vor 100 Jahren war es unbegreiflich, dass Europaeer einfach so zum Spass den weiten Weg, weg von der Heimat, der Sicherheit, dem Wohlstand, der Familie wagten und dafuer Summen ausgaben, die jenseits der Vorstellungskraft der Einheimischen lagen. Deshalb wird man immer wieder gefragt, warum man denn so strapazioes unterwegs sei, ob das beruflich sei o.ae. Selbst nach vielen Jahrzehnten Tourismus, ist es dem Afrikaner noch schleierhaft, was uns dazu fuehrt, hierher in die Armut zu kommen, wo wir niemanden kennen. Also sagt man sich: die haben einfach ZUVIEL GELD! Die brauchen nicht zu arbeiten, die holen Geld einfach von der Bank, das geht nie zu Ende dort! Und das regt zum Betteln und Fordern an und schafft Grundlage fuer Unverstaendnis und Neid und eine moralische Grundlage fuer Diebstahl, Betrug und andere Auswuechse, die mit dem Massentourismus einhergehen.

In Makambako kaufe ich ein, esse Kuku (Huhn) und schreibe Tagebuch im Schatten eines kleinen Hotelis.

Dann fahre ich weiter, mir ist nach Strecke zumute.

Die Landschaft ist wunderschoen. Dunkle Fichtenwaelder, saftig-gruene Buesche, Feuchtwiesen- all das erinnert an den Schwarzwald oder die Lueneburger Heide. HIer waechst Bambus und Eukalyptus, streckenweise scheine ich durch einen Urwald zu fahren, fremde Vogelstimmen begleiten mich.

Bis zum Horizont qualmen Feuer, weit die Berge hinauf: Brandrodung. Im hiesigen Fall nicht fuer Viehweiden, sondern fuer den Landbau. Die Felder koennen allerdings nur wenige Jahre genutzt werden, dann ist der duenne Boden ueber dem felsigen Untergrund ausgelaugt und fuer Duenger hat hier niemand Geld. Also zieht man weiter und die letzten Waelder werden auch hier in ein paar Jahren gefaellt worden sein.

Ich erreiche den Abzweig nach Rujewa, wo es in eines der groesseren Schutzparks geht, kurze Sodapause, ein Schwatz mit drei Hirten, die rot-schwarz karierte Decken tragen und Speere, aber ihre Sprache und die Machart der Speere, sowie der fehlende Ohrenschmuck verraten, dass sie keine Massai sind.

Ich fahre noch 10 km, schlage mich dann unbeobachtet nach Sonnenuntergang links der Strasse in die Buesche, LKWs haben hier eine falche Spur gemahlen, 100 m tief im lichten Akazienbusch zeigen Feuerreste, wo die Fahrer die Naechte verbracht haben.

Ich reinige sorgfaeltig den Untergrund von Dornenzweigen, die mir die Luftmatratze durchstechen koennten, dann baue ich im starken Wind das Zelt auf, esse eine Kleinigkeit im Stehen, den frischen Abendwind in den Ohren und schluepfe dann ins Zelt und lese im Licht der Taschenlampe.

Ich habe heute ca. 165 km geschafft, neuer Rekord der letzten 27 Monate, denn der bisherige Rekord mit Gepaeck lag bei 126 km in Bulgarien und ohne Gepaeck bei 145 km vor Abu Simbel, Aegypten.

In der Nacht hoere ich zum ersten Mal seit Lokologo wieder Hyaenen, aber ich schlafe tief und fest, es ist wunderbar ruhig, auf der Strasse rumpeln die LKW vorbei, ein paar Fussgaenger reden beim Marsch, aber niemand kommt auf die Idee, hier koenne ein Radfahrer aus Deutschland sein Zelt aufgeschlagen haben.

geschrieben am 13.11. in Mbeya


 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope